Sie wurden ausgebuht, wurden beschimpft, haben Hassnachrichten und sogar Todesdrohungen erhalten: Israelische Sportler müssen bei den Olympischen Spielen besonders geschützt werden. Auf Pariser Strassen demonstrieren Menschen gegen Israel. Warum Israels Sportler angefeindet werden – und weshalb das an Olympia 1972 erinnert.
Ein bisschen sind sie es schon gewöhnt, leider. Buh-Rufe, wenn sie in der Nähe sind, oder Beschimpfungen. Aber die Einladung zu seiner eigenen Beerdigung, die seine Familie und Freunde erhielten, hat Meiron Cheruti mitgenommen, wie er der "Süddeutschen Zeitung" erzählte. "Ein paar Tage vor dem Abflug nach Paris haben alle meine Freunde angefangen, mir zu schreiben: 'Wieso kriegen wir Einladungen zu deiner Beerdigung?'", sagte er.
Er habe nicht verstanden, worum es geht, bis er realisiert hat, dass sein E-Mail-Konto gehackt wurde. "Das war aber nicht das Schlimmste", fuhrt Cheruti fort. "Es sind dann nämlich auch ganz viele persönliche Informationen von mir auf Telegram veröffentlicht worden." Ein Horror-Szenario für den 26-Jährigen. Er will in Paris bei den Olympischen Spielen doch einfach nur schwimmen, sich auf seinen Sport konzentrieren, "und nicht meine Energie mit so etwas verschwenden".
So etwas, damit meint er die zahlreichen Bedrohungen und Beschimpfungen, das Sicherheitsrisiko, das die israelischen Sportler in Paris tragen müssen. Schon bei der Eröffnungsfeier konnte Cheruti, der Fahnenträger, die schlechte Stimmung gegen sein Land erahnen, gab es doch neben Jubel auch Buhrufe zu hören.
Krieg im Gaza-Streifen: Die Angst vor Terror ist auch bei Olympia gross
Der Krieg in Gaza ist auch bei den Olympischen Spielen zu spüren. Nach dem barbarischen Terrorangriff der Hamas auf Israel mit etwa 1.200 Todesopfern sollen beim darauffolgenden Angriff der israelischen Armee auf Gebiete im Gaza-Streifen rund 38.000 Menschen getötet worden sein, darunter auch etwa 400 palästinensische Sportler. Die Hamas hat noch 115 Geiseln in ihrer Gewalt. Israel wird wegen der Angriffe auf zivile Gebiete in Gaza scharf kritisiert. Das palästinensische und das iranische Olympische Komitee fordern den Ausschluss Israels von Olympia.
Schon ihre Trainingslager hätten die Olympia-Sportler fernab der Heimat abgehalten, um den Anfeindungen zu entkommen, sagte etwa Miki Halika, Präsident des israelischen Schwimmverbands. "Sie durften von dort nicht ihren Standort in sozialen Medien veröffentlichen. Das war erst wieder zwei Tage nach ihrer Abreise erlaubt", sagte er dem "Deutschlandfunk".
Wie reagiert Israels Olympia-Delegation auf die Zurückweisung?
Die israelische Mannschaft besteht aus 88 Sportlern, die im Olympischen Dorf in einem abgesicherten Komplex leben, quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. "Wir dürfen das olympische Dorf nicht verlassen, auch meine Familie darf nicht hineinkommen", erzählte Cheruti der SZ. "Wo immer wir hingehen, in die Schwimmhalle zum Training und zu den Wettkämpfen zum Beispiel, haben wir Sicherheitspersonal dabei, Bodyguards überall." Mehr dürfe er nicht erzählen.
Die Sicherheitskosten hätten sich gegenüber den Spielen von Tokio 2021 verdoppelt, sagte die israelische Regierung laut Deutschlandfunk. Genaue Zahlen veröffentlichten sie aber nicht. Cheruti werde Paris nach den Spielen schnell wieder verlassen, sagte er. "Ich bin kein Politiker", sagte er der SZ. Und doch hinterlässt er eine politische Botschaft. "Es gibt immer noch 115 Entführte im Gazastreifen, übrigens auch deutsche Staatsbürger. Man muss alles dafür tun, dass sie so schnell wie möglich zurückkommen."
Auch diese Bühne kann Israel bei den Olympischen Spielen nutzen. Die der Aufmerksamkeit. Mit jeder Medaille Israels wird sie grösser. Judoka Peter Paltchik machte mit seiner Bronzemedaille den Anfang. Inbar Lanir, ebenfalls Judoka, gewann später Silber. Schöne Momente für israelische Sportler in Paris.
Warum erinnert das an die Olympischen Spiele 1972?
Yael Arad, IOC-Mitglied und Chefin des israelischen Olympischen Komitees, bekräftigte im "Spiegel", dass sie sich sehr willkommen fühlt in Paris. Man spüre "viel Unterstützung von anderen Verbänden und NOKs sowie von den Fans im Publikum", sagte sie.
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Und dennoch schwelt immer die Erinnerung an die Olympischen Spiele 1972 in München mit, als elf israelische Teilnehmer von palästinensischen Terroristen ermordet wurden. Der israelische Sportjournalist Felix Tamsut sagte dazu dem Deutschlandfunk: "In Israel nimmt man es so wahr, dass einer der Fehler der israelischen Seite damals war, einfach alles an Vertrauen in Sachen Sicherheit an die Deutschen zu geben. Das heisst, sie kennen sich aus, es ist ihr Land." Auch deshalb gebe die israelische Regierung nun so viel Geld für die Sicherheit ihrer Athleten aus.
Was sagt das IOC?
Bisher hat sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) öffentlich nicht zu den Anfeindungen gegen israelische Sportler geäussert. Yael Arad vom Israelischen Olympischen Komitee sagte, sie stehe "in ständigem Austausch mit ihnen, und sie beobachten das sehr genau, da es ein Verstoss gegen die olympische Charta ist".
Der olympische Frieden, der alle zwei Jahre von den Vereinten Nationen beschlossen wird, besagt zudem, dass während der Olympischen Spiele Waffenstillstand und Frieden zwischen den UN-Nationen herrscht. Davon merken viele israelische Sportler wenig.
Verwendete Quellen
- spiegel.de: Israelischer Schwimmer berichtet von Morddrohungen und Ausgangssperre
- sueddeutsche.de: "Meine Freunde fragten: 'Wieso kriegen wir Einladungen zu deiner Beerdigung?'"
- deutschlandfunk.de: Morddrohungen gegen Israels Sportler
- spiegel.de: "Das sind feige Provokationen, die völlig gegen den olympischen Geist verstossen"
- olympics.com: Der Olympische Frieden
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