Marieke Vervoort ist eine erfolgreiche Paralympics-Athletin und wird auch bei den Spielen 2016 in Rio de Janeiro an den Start gehen. Es werden ihre letzten grossen Wettkämpfe sein. Die Belgierin verriet in einem Interview nicht nur, dass sie nach Rio ihre Karriere beenden wird. Vervoort sprach auch über aktive Sterbehilfe und den Wunsch, aufgrund ihrer unheilbaren und schmerzhaften Krankheit ihr Leben zu beenden.
Der olympische Gedanke allein, wie ihn Pierre de Coubertin einst formulierte, hat Marieke Vervoort nie gereicht. Dabeisein war für sie längst nicht alles. Sie wollte eine der Besten sein.
Vervoort holt Medaillen, WM-Titel und Weltrekorde
Das ist ihr gelungen. Bei den Paralympics 2012 in London gewann sie mit ihrem Handbike die Goldmedaille über die 100 Meter. Über die doppelte Distanz wurde sie Zweite. Bei Weltmeisterschaften schnappte sich Vervoort über die 100, 200 und 400 Meter jeweils den WM-Titel und stellte insgesamt vier Weltrekorde auf.
Vervoort kann stolz sein auf das, was sie in ihrem Leben erreicht hat. Doch ist es gerade auch dieses Leben, das sie nun an den Tod denken lässt.
"Ich habe eine seltene Krankheit", erklärt Vervoort in ihrem Online-Steckbrief. 1993 wird die Krankheit festgestellt, sie trifft die damals 14-Jährige völlig unvermittelt, nichts hatte darauf hingedeutet. Die sportliche junge Frau leidet an einer fortschreitenden Lähmung. Unheilbar. Seit dem Jahr 2000 ist sie auf den Rollstuhl angewiesen.
Sport wird Vervoorts einziger Lebenssinn
Der Sport gibt Vervoort neue Kraft. Er wird sogar zum eigentlichen Lebenssinn, wie sie selbst erklärt. Im Interview mit der französischen Zeitung "L'Avenir" verrät Vervoort, dass es ihr immer schwerer falle, an diesem Lebenssinn festzuhalten. Die Lähmung wird schlimmer, die Schmerzen sind bisweilen unerträglich.
Die Paralympics in Rio, erklärt sie, seien ihr "letzter Wunsch". Dafür trainiere sie "sehr hart, obwohl ich Tag und Nacht mit meiner Krankheit kämpfen muss". Die Konkurrenz in Rio de Janeiro sei zwar stark, dennoch habe sie ein letztes grosses Ziel vor Augen: "Eine Medaille zu holen."
Was nach den Paralympics geschehe, "was das Leben noch für mich bereithält", werde man sehen, meint die 37-Jährige. Sie wolle zwar alle schönen Momente so gut wie möglich geniessen, jedoch "denke ich mittlerweile intensiv über aktive Sterbehilfe nach".
Den Wunsch, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, indem sie ihrem Leben und damit ihrem Leiden ein Ende setzt, hatte sie im vergangenen Jahr erstmals geäussert. Mittlerweile habe sich die Krankheit mit den begleitenden Schmerzen aber so sehr verschlimmert, dass es immer schwerer werde, Sport zu treiben. Doch sei es eben dieser Sport gewesen, erklärt sie, der ein Leben mit Schmerzen für sie irgendwie noch lebenswert gemacht habe.
Marieke Vervoorts Wunsch nach aktiver Sterbehilfe
"Wenn ich in meinem Wettkampf-Rollstuhl sitze, verschwinden die dunklen Gedanken. Ich bekämpfe die Angst, das Leiden, Traurigkeit und Frustration", erklärt sie gegenüber der französischen Zeitung "Le Parisien". Wenn ihr die Krankheit auch noch das nähme, würde sie nicht mehr leben wollen. Aus diesem Grund plant Marieke Vervoort, nach Rio ihrem Leben möglicherweise ein Ende zu setzen.
Aktive Sterbehilfe ist in Belgien seit 2002 legal, wenn auch an strenge Regeln geknüpft. Die Person muss an einer schweren und unheilbaren Krankheit leiden, die das Leben physisch und psychisch unerträglich macht. Sie muss voll zurechnungsfähig sein und den Sterbewunsch selbst klar und mehrfach aus freiem Willen äussern. Nur zwei von mehreren Hürden, die vor einer sogenannten "Tötung auf Verlangen" stehen.
Im Gespräch mit "Le Parisien" verrät Marieke Vervoort, sie habe die nötigen Dokumente bereits beschafft. Und auch ihre Beerdigung habe sie bereits geplant, ohne Kirche: "Jeder soll ein Glas Champagner in der Hand halten und an mich denken."
Im Oktober 2019 hat Vervoort ihr Leben durch Sterbehilfe beendet.
Ansprechpartner der Notfall-Seelsorge bei Suizid-Gefahr
Telefon-Hotline (kostenfrei und rund um die Uhr besetzt):
Tel.: 0800 - 111 0 111 (evangelisch)
Tel.: 0800 - 111 0 222 (katholisch)
Tel.: 0800 - 111 0 333 (speziell für Minderjährige)
Weitere Informationen unter www.telefonseelsorge.de.
Deutsche Gesellschaft für Suizid-Prävention:
Tel.: 0921 - 28 33 01
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