Eigentlich sollte Malaika Mihambo gerade bei den Olympischen Spielen in Tokio um Gold kämpfen, stattdessen werden am Wochenende die Deutschen Meisterschaften nachgeholt. Wie es Deutschlands Weitsprung-Goldhoffnung schafft, auch in der Coronakrise positiv zu bleiben, erzählt sie uns im Interview.
Normalerweise wären Sie gerade in Japan bei den Olympischen Spielen. Wo erwischen wir Sie jetzt?
Eigentlich müsste gerade alles ganz anders sein - kommt Ihnen der Gedanke manchmal und wie gehen Sie damit um?
Wenn der Gedanke mal kommt, lege ich ihn eigentlich schnell zur Seite. Jetzt ist das Jahr eben so, wie es ist. Es ist völlig anders, als wir alle uns das vorgestellt haben. Von daher halte ich mich nicht mit "Was wäre wenn"-Gedanken auf. Ich fokussiere mich einfach auf das, was gerade möglich ist.
Wie ging und geht es Ihnen mit der Entscheidung, die Olympische Spiele für 2020 abzusagen?
In Anbetracht der Umstände war es natürlich die einzig richtige Entscheidung, die Spiele zu verschieben. Aber für uns Sportler ist es trotzdem hart.
Wir trainieren so lange, um dann bei Olympischen Spielen zu stehen, um dieses Highlight, das ja ohnehin nur alle vier Jahre stattfindet, zu erleben. Dieses Jahr war das aber einfach nicht anders möglich. Die Sicherheit aller geht vor.
Wegen Corona-Krise: Olympische Spiele 2020 werden verschoben
Wie ist Ihr Gefühl: Werden die Olympischen Spiele nächstes Jahr stattfinden?
Es ist zu früh, jetzt schon mit Sicherheit sagen zu können, ob und wie die Olympischen Spiele nächstes Jahr stattfinden können. Ich denke aber, dass man sich da gute Konzepte überlegen kann, die für alle genug Sicherheit bieten - gerade wenn man vielleicht kleinere Olympische Spiele stattfinden lässt. Aber das liegt ja nicht in meiner Hand.
Halten Sie Geisterspiele für denkbar?
Denkbar ist das sicherlich. Natürlich sind das dann nicht die Wettkämpfe, wie wir sie gewohnt sind, aber das ist unter den jetzigen Umständen einfach nicht möglich.
Sie haben am Wochenende in Weinheim einen ersten Wettkampf vor Zuschauern - wenn auch wenigen - absolviert. Wie war das Gefühl? War schon eine Art Normalität zu spüren?
Das war das Normalste, was man gerade zum jetzigen Zeitpunkt erreichen kann. Es war toll, dass das so stattgefunden hat. Es hat Spass gemacht, vor Publikum zu sprinten. Für den ersten Wettkampf in dieser neuen Normalität war das sehr schön.
Sie sind ja nur im Sprint angetreten und nicht im Weitsprung. Ist das auch ein Ziel für die Olympischen Spiele?
Schnelligkeit gehört zum Weitsprung dazu. Ohne Geschwindigkeit kommt auch keine Weite zustande. Von daher ist das natürlich immer ein Trainingsschwerpunkt. Und wenn man eben viel dafür trainiert, kann man das ja auch im Wettkampf unter Beweis stellen.
Wofür es dann reicht? Da muss man sehen, wie die aktuelle Lage in dem Jahr ist, wie ich mich relativ zur Konkurrenz gesehen platzieren kann.
Wenn man mit Ihnen spricht, ist es wirklich auffallend, wie gut Sie offenbar darin sind, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen. Woher kommt das?
Was der Sport lehrt, ist nicht zu hadern, wenn man vielleicht einen Fehler gemacht hat oder wenn etwas nicht so gut gelaufen ist.
Man lernt, sich einfach auf den nächsten Durchgang zu konzentrieren. Das ist die Kunst, alles andere auszublenden. Das lenkt sonst nur ab und kostet geistige Ressourcen. Und das lernen wir Sportler in den Wettkämpfen.
Nachdem die Spiele abgesagt wurden, war Ihr nächster Plan, in die USA zu gehen und dort mit der Leichtathletiklegende Carl Lewis zu trainieren. Auch das ist momentan nicht möglich. Gibt es da schon einen Fahrplan, wie es weitergehen könnte?
Auch hier ist die Devise abwarten und Tee trinken. Es muss möglich sein, sicher dort hinzureisen und meinen Sport auszuüben. Das ist derzeit einfach nicht möglich. Daher bleibe ich bis auf Weiteres in Deutschland, bis sich die Lage in den USA etwas normalisiert.
Was war Ihr einschneidenstes Erlebnis in den vergangenen Wochen und Monaten?
Wie für viele andere auch: der Lockdown. Die Situation war natürlich sehr ungewohnt. Aber ich versuche auch solche Dinge mehr als Chance zu sehen, um in mich zu gehen und mich weiterzuentwickeln.
Sie haben unter anderem das Videoprojekt "Herzsprung" ins Leben gerufen, das Kinder zu Bewegung animieren soll. Wie war die Resonanz und warum lag Ihnen das am Herzen?
Die Resonanz war sehr gut. Es waren viele Kinder täglich dabei, die ich teilweise auch persönlich kenne, weil ich mich bereits seit November 2019 in meiner ehemaligen Grundschule engagiert habe.
Mir sind Kinder einfach wichtig. Es macht Spass, mit ihnen zu arbeiten. Sie sind unsere Zukunft. Es ist schön, wie offen und neugierig Kinder sind und dass sie mit ganz anderen Augen auf die Welt blicken.
Teil davon zu sein, ist etwas ganz Wertvolles. Als der Lockdown kam und klar war, dass man den Sportunterricht leider nicht mehr weiterführen kann, war es mir ein Anliegen, da auf jeden Fall weiterzumachen. Es war eine Herzensangelegenheit.
Sie studieren ja Umweltwissenschaften und haben sich schon beeindruckt über die "Fridays for Future"-Bewegung geäussert. Die Coronakrise hat der Bewegung viel Aufmerksamkeit entzogen. Wie präsent ist bei Ihnen der Kampf für den Klimaschutz gerade und wie integrieren Sie ihn in Ihren Alltag?
Durch mein Studium sind die Fragen, die die "Fridays for Future"-Bewegung stellt, natürlich sehr präsent. Ich selbst versuche, so wenig Auto zu fahren wie möglich, habe schon lange einen Wasserfilter und kaufe daher überhaupt kein Wasser mehr aus der Flasche.
Ich kaufe, wenn möglich, biologisch und saisonal ein. Das sind ein paar der Stellschrauben, die ich persönlich in meinen Alltag schon lange integriert habe.
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