Ein Schicksalsschlag reisst ihm den Boden unter den Füssen weg - doch er kämpft, siegt und begeistert Millionen von Sportfans. Olympiasieger Matthias Steiner im Porträt.

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Vor etwas mehr als einem Jahr war seine Frau ums Leben gekommen. In ihrem Kleinwagen wurde Susann Steiner in der Nähe von Heidelberg von einem Jeep frontal gerammt. Wenige Stunden später verstarb sie.

Und nun, am 19. August 2008, hatte der Gewichtheber Matthias Steiner im Stossen 258 Kilogramm vor sich liegen. So viel wie noch nie zuvor in seinem Leben. Würde er sie stemmen, wäre er Olympiasieger - er, der diesen schweren Schicksalsschlag noch in jeder Faser seines Körpers hatte.

Steiner hob an, legte das gigantische Gewicht auf seinen Schultern und seiner Brust ab, hielt kurz inne - dann wuchtete er die Hantel nach oben. Gold!

Wie ein betrunkener Bär torkelte Steiner anschliessend jubelnd in der Arena umher. Kurz darauf, auf dem Siegerpodest, war er wieder gefasst. In der einen Hand hielt er die Goldmedaille, in der anderen ein Bild von Susann.

Es heisst immer, der Sport sei eine Nebensache. Und das stimmt ja auch. Deswegen liess der Gewichtheber Matthias Steiner die Hanteln erst einmal liegen nach dem Tod seiner Frau. Aber was kommt, wenn das Schicksal, ein verwirrter Autofahrer oder was auch immer dir den Boden unter den Füssen weggezogen hat?

Der Sport mag eine Nebensache sein, aber er ist auch eine Parabel auf das Leben. Die Antwort von Matthias Steiner jedenfalls lautete: Du stehst auf, nimmst die Hantel wieder in die Hände und trainierst noch härter als zuvor. "Mir war klar, wenn ich es bleiben lasse, ist das Geschehene trotzdem passiert", sagte Steiner später einmal in einem Interview.

Ein Stoff wie aus Hollywood

Der Sieg von Steiner in Peking gilt als einer der emotionalsten Momente bei Olympischen Spielen. Man heulte vor dem Fernseher mit, man tut es heute noch, wenn man die Bilder sieht von diesem Mann, gross und stark wie ein Bär, aber eben auch verletzlich wie ein kleines Kind.

Vielleicht war es erst sein schweres Schicksal, das Matthias Steiner zum Olympiasieger gemacht hat. Das macht seine Geschichte zu einem Stoff, den sich gewöhnlich Drehbuchautoren aus Hollywood ausdenken.

Hinzu kommt noch, dass Steiner Diabetiker ist und ihm schon im Jahr 2000 vom Leistungssport abgeraten wurde. Steiner aber machte weiter. Zunächst erfolglos.

Noch 2005 war er bei den Europameisterschaften in Sofia kläglich gescheitert. Damals ging der in Wien geborene Steiner noch für Österreich an den Start. Bei der Spitze des österreichischen Gewichtheberverbandes (ÖGV) war er offenbar nicht besonders wohlgelitten.

"Nach dem neuerlichen Beweis für seine Unsportlichkeit ist es mir egal, ob Steiner künftig für Schweden, Deutschland, Kasachstan oder Teppichland startet", sagte ÖGV-Vizepräsident Martin Schödl damals.

Natürlich wurden ihm diese Worte später um die Ohren gehauen, und zwar spätestens im April 2008, als Steiner völlig überraschend Europameister wurde.

Vier Monate später dann bestritt er diesen unvergesslichen Wettkampf in Peking, und im Jahr 2010 lieferte Steiner erneut den Gegenbeweis für seine vermeintliche Unsportlichkeit und wurde Weltmeister im Stossen sowie Vizeweltmeister im Zweikampf.

Schreckmoment bei Olympia in London

Nach einem weiteren Vize-EM-Titel 2012 sollten die Olympischen Spiele 2012 in London sein letzter grosser Auftritt werden. Auch dieses Mal ging es bei ihm nicht ohne den grossen Moment - einen Schreckmoment allerdings.

Beim Versuch, eine 196 Kilogramm schwere Hantel zu stemmen, stürzte er, und das Gewicht krachte auf seinen Nacken. Er zog sich schwere Prellungen zu und musste aufgeben.

Ein Jahr später erklärte der damals 30-Jährige seinen Rücktritt vom Profisport. Die Familie stehe nun im Vordergrund, begründete er den Schritt. Matthias Steiner ist inzwischen mit der TV-Moderatorin Inge Steiner (ehemals Posmyk) verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Er hat nicht nur die Hanteln, sondern auch das Leben mit beiden Händen fest gepackt und gestemmt.


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