Elke Gundermann ist mitverantwortlich, dass bei den Paralympischen Spielen in Pyeongchang alles reibungslos abläuft. Wie sie das anstellt und was die Spiele so besonders macht, verrät sie im Gespräch mit unserer Redaktion.

Ein Interview
von Katharina Wojczenko

Wenn am 9. März die Paralympischen Spiele in Pyeongchang beginnen und nichts schief geht, ist das auch ein bisschen ihr Verdienst: Elke Gundermann aus Kollnburg arbeitet in der Wintersport-Abteilung beim Internationalen Paralympischen Komitee in Bonn.

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Im Interview spricht sie über die Arbeit hinter den Kulissen, den Aufschwung im Behindertensport und wahnwitzige Athleten.

Frau Gundermann, Ihr etwas sperriger Titel lautet "Winter Sports Administration Assistant". Was ist Ihre Aufgabe?

Elke Gundermann: Eine Freundin hat es so zusammengefasst: Ich mache, dass die Wettkämpfe laufen. Ich arbeite bei den internationalen Behinderten-Sportverbänden für Snowboard, Ski Alpin, Ski Nordisch und Para-Eishockey und bin für über 40 Länder zuständig.

Wir sind trotzdem so klein, dass die ganzen Verbände von nur vier Personen gemanagt werden. Ich kümmere mich um die Athleten-Lizenzierungen, die Webseite, den administrativen Teil der Klassifizierung der Athleten nach Behinderungsgrad, die Organisation von Development Camps, bei denen die Teilnehmer aus Ländern, in denen Wintersport noch nicht so verbreitet ist, diesen kennen lernen können. Und die Vorbereitung der Paralympischen Spiele.

Wie lief die Zusammenarbeit mit den Koreanern bislang?

Was ich als schwierig erlebte, ist wohl kulturbedingt: Koreaner sagen nie Nein, und damit sie ihr Gesicht nicht verlieren, antworten sie einfach gar nicht. Ausserdem sind sie sehr hierarchisch organisiert. Aber sie arbeiten ohne Ende, schicken kurz vor Mitternacht noch Mails.

Was genau machen Sie für die Paralympischen Spiele?

Wir als internationale Verbände haben bei den Paralympischen Spielen eine Kontrollfunktion. Wir schauen, dass die Organisatoren in Pyeongchang den Anforderungen gerecht werden. Meine Chefs waren mehrmals dort, um zu schauen, ob noch etwas fehlt oder verbessert werden muss. Ich war im vergangenen März bei den Test-Veranstaltungen in den Sportarten Ski Alpin, Nordisch und Snowboard in den Stadien der Paralympischen Spiele.

Von Bonn aus haben mein Team und ich die Startplätze und Wild Cards vergeben, mit denen Nationen nachträglich Startplätze bekommen, die über die reguläre Qualifikation nicht reinkamen. Das ist bei einem Staat wie Nordkorea durchaus auch politisch und basiert auf den Daten, die ich ausgewertet habe.

Am 9. März geht es los und Sie werden dabei sein. Was ist Ihre Aufgabe vor Ort?

Bei den Biathlon- und Langlauf-Wettkämpfen werde ich die Zeitmessung überblicken, auf der Piste unterwegs sein, bei den Teamführermeetings der Trainer dabei sein. Sie bekommen jeden Abend vor dem Wettkampf ein Update, wie die Streckenführung sein wird, wie das Wetter wird, und wir gehen die Startlisten mit ihnen durch. Ausserdem bin ich bei den Jury-Treffen während und nach den Wettkämpfen dabei.

Wie wichtig ist die Jury?

Die Jury klärt Proteste und schaut darauf, dass die Regeln beachtet werden. Diese sind beim Behindertensport teils völlig anders als im Nichtbehindertensport und sehr komplex.

Zum Beispiel tragen die Biathleten ihre Waffen nicht am Rücken, sondern ihr Trainer trägt diese zum Schiessstand und darf sie erst laden, wenn er auf der Matte steht. Ich bin ohne Stimmrecht für den administrativen Teil da und nehme für den Verband die Formulare entgegen.

Sie sind gerade im Endspurt für die Spiele. Was meinen Sie, wird alles klappen?

Das sehen wir dann (lacht). Aber schlimmer als 2016 in Rio kann es nicht werden. Da wären die Paralympischen Spiele fast abgesagt worden, weil das Geld ausging. In Pyeongchang sind alle Wettkampfstätten längst fertig.

Problematisch könnte allerdings das Wetter werden: Jeder hat Angst, dass es zu warm wird. Als ich im März 2017 für den Weltcup dort war, lag fast kein Schnee und wir hatten 10 Grad plus. Wir mussten Wettkämpfe in den frühen Morgen verschieben, weil mittags der Schnee zu weich wurde.

Und Korea ist nicht das grösste Wintersportland. Vor allem im Behindertensport fangen sie gerade erst an. Es wurden leider noch nicht viele Karten für die Paralympischen Spiele verkauft.

Wie sind die Medaillen-Chancen für Deutschland bei den Paralympischen Spielen?

Ich bin ja nicht parteiisch, ich muss hier auf alle Nationen aufpassen (lacht). Die Deutschen haben gute Athleten, allerdings keine Mannschaft im Eishockey und Snowboard dabei. Ich fliege wahrscheinlich im Flugzeug mit der deutschen Mannschaft nach Südkorea. Insgesamt sind es 20 Athleten, plus Trainer und Guides für die blinden Athleten.

Das klingt überschaubar.

Im Vergleich zu Sotschi ist es eine Steigerung! Da waren es 45, jetzt mehr als 50 Nationen. Die Sportgemeinschaft wächst immer weiter, was mich sehr freut. Immer mehr Nationen nehmen teil.

Ich merke das auch beim IPC in Bonn: Als ich vor eineinhalb Jahren dort anfing, waren wir etwa 80 Mitarbeiter, jetzt 105. Auch das Marketing wird mehr, die Sponsoren grösser. Der Aufschwung ging mit den Paralympischen Spielen 2012 in London richtig los.

In England sind die Medien auch viel aufmerksamer. Da ist es völlig normal, dass behinderte Athleten – dort heissen sie "impaired" im Gegensatz zu "able-bodied" - in Talkshows auftreten. In Deutschland macht mal einer bei "Let‘s Dance" mit (Heinrich Popow, Anm. d. Red.). Aber: Seit dieser Saison werden zumindest bei Ski Alpin alle Wettkämpfe online live übertragen.

Behindertensport bekommt immer noch weniger Aufmerksamkeit als anderer Sport. Die Wettkämpfe finden zudem mitten in der deutschen Nacht statt. Warum sollte man sich das trotzdem anschauen?

Wegen der Athleten. Jeder hat eine Geschichte, teils haben sie die Behinderung erst im Laufe ihres Lebens erfahren, manche Amputierte wurden im Krieg verletzt. Es ist der Wahnsinn, wie sie wieder Lebensmut fassen und sich so einer Sportart hingeben.

Und diese Athleten sind durchtrainiert ohne Ende, trainieren, zweimal oder dreimal am Tag. Am Wintersport machen für mich zudem die teils anderen Regeln und verschiedenen Kategorien den Reiz aus, wie stehend, sitzend, blind. Da fahren Sehbehinderte mit Guides und bis zu 100 Stundenkilometern blind den Berg hinunter! Unglaublich!

Schon als Kind sass Elke Gundermann begeistert vor dem Fernseher, wenn Leichtathletik, Wintersport und Fussball liefen. Als die Skisprung-Euphorie mit Sven Hannawald und Martin Schmitt begann, war sie öfter live an der Schanze. Besonders faszinierte sie die Organisation, die hinter den Kulissen nötig ist, damit die Athleten Höchstleistungen bringen können: Sponsoren, Absperrungen, Sicherheitsfragen. Später studierte sie Sportmanagement in Salzgitter und im englischen Sheffield. Gundermanns Eltern sind beide seit Geburt gehörlos. Dass sie schon im Studium Praxiserfahrungen ausschliesslich im Behindertensport sammelte, war trotzdem Zufall, sagt sie.
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