3x3-Basketball ist bei den Olympischen Spielen eine junge Sportart - und Deutschland ist schon bei der zweiten Ausgabe mit dabei. Im Interview erklärt Olympia-Teilnehmerin Marie Reichert, wie das geklappt hat und wie sie sich jetzt noch auf die Spiele vorbereitet.
Am 30. Juli startet Ihr Wettbewerb. Wie gut können Sie gerade noch schlafen?
Marie Reichert: In den letzten Tagen hat es angefangen, dass ich abends ein bisschen unruhiger werde und noch tausend Gedanken im Kopf habe, was noch zu planen und zu erledigen ist. Aber es ist definitiv eine positive Aufregung, die Vorfreude ist riesig!
Es sind Ihre ersten Olympischen Spiele. Worauf freuen Sie sich besonders?
Auf das ganze Flair der Spiele: Im Olympischen Dorf zu leben, die Athleten aus der ganzen Welt zu sehen und Team Deutschland zu repräsentieren. Ich habe schon gelesen, dass der Ticket-Rekord geknackt wurde, die Spiele im 3x3-Wettbewerb sind ausverkauft. Es wird bestimmt ein unvergessliches Erlebnis.
Wie kann man sich so kurz vor dem Start noch auf das Turnier vorbereiten?
In der letzten Woche hatten wir nochmal ein Trainingslager am Stützpunkt in Hannover, zusammen mit unseren Jugendnationalspielerinnen, damit wir auch Trainingsspiele machen können. Da haben wir schon nochmal intensiv trainiert. Aber auch jetzt in Paris werden wir nochmal individuellere Sachen angehen, uns an den Spielort gewöhnen und vielleicht noch gegen ein oder zwei andere Nationen testen.
Deutscher Basketball ist ein Frühstarter
Mit den 3x3-Basketballerinnen haben Sie sich für das erst zweite olympische 3x3-Turnier qualifiziert. Ist der deutsche Basketball hier ein Frühstarter?
Ich bin zwar noch nicht so lange dabei, aber die deutschen Frauen haben beim 3x3 tatsächlich schon früh oben mitgespielt – als ich im letzten Jahr dazukam, standen wir auf Platz vier der Weltrangliste. Und gerade mit unserem festen 3x3-Stützpunkt in Hannover sind wir ein Vorreiter – mir fallen gerade nur die Niederlande ein, die etwas Ähnliches haben. In vielen anderen Ländern ist 3x3 mehr noch eine Ergänzung für den Sommer.
Sie kommen wie alle Teamkolleginnen aus dem klassischen Basketball. Wann haben Sie gemerkt, dass Ihnen 3x3 auch eine sportliche Perspektive bieten kann?
Bis 2021 habe ich im Sommer noch in den Jugendnationalmannschaften 5-gegen-5 gespielt. Danach kam der 3x3-Trainer auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht mal Lust auf etwas Neues im Sommer hätte. Dadurch habe ich angefangen, beim 3x3-mitzutrainieren und war bei ein, zwei Trainingslagern dabei. Dabei habe ich mich dann so ein bisschen in den Sport verliebt. Bis 2024 war ich aber noch nicht fest im Team, sondern habe parallel noch im Winter 5-gegen-5-Basketball gespielt. Erst im Januar dieses Jahres habe ich mich entschieden, fest in das Projekt Olympia-Qualifikation einzusteigen und nach Hannover zu gehen.
Eine Liga, in der man 3x3 spielen kann, gibt es aktuell aber noch nicht.
Im Herrenbereich ist man schon weiter, bei den Frauen spielt sich bislang noch das meiste auf Nationalmannschaftsebene ab. 3x3 ist noch eine junge Sportart, es muss sich alles noch ein bisschen weiterentwickeln. Ich denke aber, dass sie in den nächsten Jahren noch mehr professionalisiert wird.
3x3 ist schneller und dynamischer als klassisches Basketball
Wie unterscheidet sich Ihr Alltag dadurch vom klassischen Basketball?
Der Alltag im 3x3 ist ein bisschen bunter gemischt, gerade im Sommer. Im 5-gegen-5-Basketball ist alles ein bisschen strukturierter, mit dem Training unter der Woche und am Wochenende einem Heim- oder Auswärtsspiel. Wir sind stattdessen für Turniere oft weit gereist, waren mit dem 3x3-Team in Asien, in Amerika und auch viel hier in Europa unterwegs. Man kommt viel herum, und der Jetlag ist oft mit dabei. Das ist nicht ganz einfach für den Körper, aber ich habe dabei auch viel Spass.
3x3-Basketball:
- Als Abwandlung vom klassischen Basketball ist die Variante 3x3 seit den Spielen 2021 in Tokio olympisch. Die Sportart ist an das Spiel auf der Strasse angelehnt: Statt fünf Spielerinnen sind es nur drei, statt auf zwei Körbe wird nur auf einen gespielt. Zudem werden Körbe mit je einem Punkt weniger belohnt. Wer 21 Punkte holt, hat das Spiel vor Ablauf der zehn Minuten Spielzeit gewonnen. Bei den Spielen 2024 finden die 3x3-Wettbewerbe mitten in Paris auf dem Place de la Concorde statt - anders als beim klassischen Basketball nicht in der Halle, sondern im Freien.
Wie schwer war es, sich auf das neue Spiel einzustellen?
Gerade wenn man aus der 5-gegen-5-Saison kommt, dauert es schon eine Weile, bis man wieder reinkommt. Das Spiel ist dynamischer und physischer, die Schiedsrichter pfeifen weniger kleinlich als im klassischen Basketball. Man muss sofort von Offense auf Defense umschalten und hat eigentlich keine Pausen, was mir auch am Anfang ein bisschen Probleme bereitet hat. Ausserdem bist du anders als beim 5-gegen-5-Basketball mehr oder weniger allein für deine Gegenspielerin zuständig. Dadurch ist der Sport so intensiv, dass es nochmal eine ganz andere Art von Ausdauer braucht.
Ist das 3x3 dadurch taktischer geprägt?
Unser Spiel schon, es ist eher auf das Teamplay ausgelegt. Wir haben viele verschiedene Spielsysteme und jeder weiss, wann er wie wohin laufen soll. In der Offensive lösen wir unsere Probleme mehr durch schlaues Passspiel und suchen die freie Spielerin. Aber jede Nation spielt da ein bisschen anders.
3x3 ist schneller und dynamischer als klassisches Basketball
Im Team reisen Sie zu viert nach Paris, anders als die Basketball-Nationalmannschaft mit 12 Spielerinnen. Wie verändert sich die Teamdynamik in einer eher kleineren Gruppe?
Das ist eine Sache, die mir beim 3x3 noch besser gefällt als im klassischen Basketball: Die Beziehung zu den Mitspielerinnen ist intensiver, man ist mit allen Spielerinnen aus dem Team enger verbunden. Ich würde uns schon als eine kleine Familie bezeichnen, wir verstehen uns auch abseits des Feldes gut – und auf dem Feld sowieso.
Auch das Frauen-Nationalteam im klassischen Basketball hat sich erstmals für Olympia qualifiziert, die Männer reisen als Weltmeister ins Turnier. Erlebt der Basketball in Deutschland gerade einen Boom?
Absolut, schon im vergangenen Sommer hat der deutsche Basketball einen grossen Schritt nach vorne gemacht. Natürlich die Männer, die Weltmeister geworden sind, aber auch die Damen haben sich das erste Mal seit zwölf Jahren für die Europameisterschaft qualifiziert. Es ist ein riesiger Umschwung zu spüren und schön zu sehen, dass wir jetzt drei Basketballteams bei Olympia dabei sind.
Worin liegt der Aufschwung begründet?
Gute Frage. Ich glaube, es kommen aktuell einfach viele talentierte und hungrige Spielerinnen nach. Die neue Generation will mehr erreichen. Das intensive Training und der höhere Einsatz der Spielerinnen können schon ausschlaggebend für diese Entwicklung gewesen sein.
Noch spielen die meisten Sportlerinnen 3x3 parallel zum klassischen Basketball. Wird sich das in Zukunft ändern?
Das ist in etwa der Plan. Man muss natürlich gucken, wie sich der Sport weiterentwickelt. Aber die Vision ist schon, dass man sich irgendwann für eine der beiden Sportarten entscheidet und es mehr Möglichkeiten gibt, in Vollzeit 3x3 zu spielen.
Für Sie auch?
Ich gebe zu, dass ich mich noch nicht richtig von dem einen oder anderen trennen kann. Klar, mit 3x3 sind wir gerade auf einem kleinen Höhenflug. Auf der anderen Seite spiele ich aber auch schon seit 13 Jahren mit grosser Leidenschaft 5-gegen-5-Basketball. Ich finde es schwierig, das eine oder das andere aufgeben zu müssen. Nach dem Sommer geht es deshalb wieder weiter mit dem 5-gegen-5, und solange es geht, werde ich probieren, beides zu spielen.
Reichert sieht keinen klaren Favoriten
Beim 3x3-Turnier in Paris werden Sie im Ligamodus gegen jede Mannschaft antreten. Wer sind die Favoriten?
Im 3x3 gibt es nicht wirklich einen klaren Favoriten, das Feld ist ziemlich ausgeglichen. Auf der anderen Seite gibt es auch keine Mannschaft, bei der man weiss: Das wird ein einfaches Match. Das Spiel kann sich immer wieder schnell drehen, es gibt anders als beim 5-gegen-5-Basketball mehr Partien, in denen auch mal der Underdog gewinnt. Auch beim Turnier wird viel von der Tagesform abhängig sein.
Viele Tage sind es dafür nicht: Auf Sie warten sieben Spiele in fünf Tagen, an zwei Tagen müssen Sie sogar zwei Spiele bestreiten. Ein gewohntes Pensum?
Bei den Olympischen Spielen ist das Pensum klar nochmal höher als bei der WM oder EM. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir ein Turnier gespielt haben, in dem wir sieben Spiele hatten! Das wird von der Belastung körperlich und mental nochmal etwas Neues, wir müssen uns darauf einstellen. Die Olympischen Spiele sind aber auch nur alle vier Jahre.
Zur Person:
- Die 2001 in Kassel geborene Marie Reichert gehört zusammen mit Sonja Greinacher, Svenja Brunckhorst und Elisa Mevius zum 3x3-Basketball-Kader, der sich zum ersten Mal für die Olympischen Spiele qualifizieren konnte. Als Stärken sieht Reichert unter anderem ihre Athletik und Grösse (1,85 Meter), die sie in der Verteidigung etwa bei den Blocks nutzen kann - unter anderem auch, als sich ihr Team beim Qualifikationsturnier in Ungarn in den letzten Sekunden das Ticket für Paris sicherte.
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