Vielleicht finden die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles ohne ein Boxturnier statt - weil es an einem zuverlässigen IOC-Partner fehlt. Auf der Verbands-Ebene wird eine unwürdige Diskussion um das Geschlecht der Boxerin Imane Khelif geführt. Sportlich zeigt sie sich davon unbeeindruckt.
Bei ihrem Siegestanz durch den Ring erinnerte Imane Khelif an das Rumpelstilzchen. Abwechselnd zog sie blitzartig ihre Knie nach oben, eine Drehung, dann noch eine. Die Arbeit hatten zuvor die Fäuste erledigt, beim Feiern waren nun die Beine gefordert. Doch die 12.000 Zuschauer im Stade Roland Garros schienen ihr zusätzliche Energie zu verleihen.
Mit einem klaren 5:0-Punktsieg hatte Khelif die Thailänderin Janjaem Suwannapheng im olympischen Halbfinale der Klasse bis 66 Kilogramm ausgeschaltet. Am Abend des 9. August boxt sie gegen Yang Liu aus China um Gold. Und das, obwohl seit Tagen über ihr Geschlecht diskutiert wird, sie Beschimpfungen und Hass ertragen muss - weil sie zwischen die Fronten eines unwürdigen sportpolitischen Schauspiels geraten ist. Natürlich unverschuldet.
Die Verantwortung dafür tragen andere, Funktionäre, vor allem die des Box-Weltverbands IBA, der seine olympische Tauglichkeit durch eine Reihe von Skandalen verwirkt hat. Das Internationale Olympische Komitee hat die IBA rausgeworfen, doch der aus Russland gelenkte Verband nimmt weiter Einfluss. Zu sehen in Paris mit einer so chaotischen wie absurden Pressekonferenz.
Der IBA-Präsident bleibt Beweise der "Männlichkeit" schuldig
Auf der hatte der zugeschaltete Präsident Umar Kremlew seine Behauptung, Khelif und Lin Yutang seien "männlich", wiederholt. Ohne Belege, dafür mit viel Getöse. Das IOC, das die Wettkämpfe in Paris wie schon in Tokio selbst ausrichtet, reagierte gelassen, beinahe erfreut: Spätestens jetzt müsse die Boxwelt doch erkannt haben, wer sie da jahrelang angeführt hat. Eine Rückkehr in den Schoss der olympischen Familie hat sich die IBA längst verbaut.
Heisst aber auch: Wenn Boxen weiter olympisch bleiben soll, braucht es einen neuen Weltverband, einen "verlässlichen Partner", wie IOC-Präsident Thomas Bach fordert. Ohne den ist die olympische Zukunft der traditionsreichen Sportart fraglich, doch das IOC will die Hoffnung nicht aufgeben. In Los Angeles soll Boxen weiter zum Programm gehören, dafür muss aber etwas passieren.
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Ein Konkurrenzverband hat sich 2023 gegründet, der Organisation World Boxing gehören bereits 37 nationale Verbände an, darunter auch der Deutsche Boxsport-Verband (DBV). Ein paar mehr sollten es noch werden, dann winkt World Boxing die Anerkennung des IOC und damit jede Menge Geld, das wiederum an die Mitgliedsverbände ausgezahlt werden kann.
Das IOC verfehlt eines seiner grossen Ziele
In Paris allerdings ist die Szene noch gespalten, der Fall Khelif hat dazu beigetragen, und das ist ganz im Sinne der IBA. Je mehr Zoff, desto besser. Für Khelif und Lin ist es eine Tortur, dabei schreibt sich das IOC den Schutz der Athletinnen und Athleten ganz gross auf die Fahne. Aber auch für alle anderen Boxer ist es ein Desaster. Schlimmer wäre es nur, wenn sie in Los Angeles gar nicht mehr auf die olympische Bühne zurückkehren dürften. (sid/bearbeitet von hau)
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