Neun Tage lang hat unser Autor Ludwig Horn von den Olympischen Spielen in Paris berichtet. Hier schildert er seine Eindrücke.
Neun Tage in Paris. Kurz zusammengefasst waren das für mich 85.000 Schritte, 160 Stockwerke und insgesamt rund 20 Stunden in den öffentlichen Verkehrsmitteln Métro, RER und Bus.
Die Distanzen, die man in Paris im Allgemeinen und während der Olympischen Spiele im Speziellen zurücklegen muss, sind beträchtlich. Doch natürlich wird von den Spielen in der französischen Hauptstadt nicht nur die lärmende und schaukelnde, aber äusserst zuverlässige U-Bahn in Erinnerung bleiben, sondern vor allem die sportlichen Höhepunkte und die beispiellosen Spielstätten mitten in der Stadt.
Der Lieblingswettbewerb
Der Place de la Concorde ist mit 360 Metern Länge und 210 Metern Breite der zweitgrösste Platz Frankreichs, der vor allem dafür bekannt ist, dass auf ihm König Ludwig XVI. sowie seine Frau Königin Marie-Antoinette enthauptet wurden. Gut 231 Jahre später während Olympia ist die Stimmung auf dem Platz alles andere als schaurig. Die Organisatoren haben die gesamte Grösse des Platzes genutzt und einen einem Festival ähnelnden Ort errichtet.
Hier wurden die Wettbewerbe im BMX Freestyle, im Breaking, im Skateboarding und auch im 3x3-Basketball ausgetragen. Während Breaking, das erstmals Teil der Olympischen Spiele ist, hauptsächlich durch den viral gewordenen Auftritt der Australierin Rachael "Raygun" Gunn in Erinnerung bleiben wird (sie wird mit null Punkten Letzte), hat der 3x3-Basketball einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Das dürfte vor allem sensationellen Olympiasieg des vierköpfigen deutschen Damen-Teams liegen. Ich würde behaupten, die wenigstens kannten die Sportart überhaupt. Dabei macht dieses Spiel unglaublich Spass. Nur sechs Spielerinnen gibt es auf dem Court zu beobachten, es gibt nur einen Korb. Entsprechend hoch sind das Tempo und der Unterhaltungswert. Die anwesenden Kommentatoren übertrumpfen sich gegenseitig mit witzigen Wortspielen und in den Spielpausen dröhnt Old-School-Hip-Hop durchs Stadion.
Das deutsche Team hat es bei den Olympischen Spielen auf jeden Fall geschafft, für Aufmerksamkeit für ihren Sport zu sorgen. Und das ist am Ende eine der schönen Seiten von Olympia: Dass plötzlich eine Begeisterung entsteht für Sportlerinnen und eine Sportart, die man nicht auf dem Schirm hatte. Nun kennen den Sport in Deutschland aber vermutlich Millionen von Menschen.
Der Lieblingsmoment
Unvergessen wird auch der Viertelfinalkrimi der deutschen Handballer gegen die französischen Gastgeber bleiben. Das DHB-Team setzt sich nach Verlängerung mit 35:34 durch. Dass die Mannschaft diese überhaupt erreicht, gleicht einem Wunder.
Das Spiel verfolge ich nicht vor Ort, weil die Handballer nach der Gruppenphase nach Lille umgezogen sind. Jedoch bin ich live dabei, wie in der Fanzone des Deutschen Hauses, das im Stade Jean Bouin direkt neben dem Parc des Princes errichtet wurde, die anwesenden Fans ausrasten und selbst nicht fassen können, was das deutsche Team da geschafft hat.
Noch ein Lieblingsmoment
Im Stade de France, dem mit rund 81.000 Zuschauerplätzen grössten Stadion des Landes, wurden die Leichtathletikwettbewerbe ausgetragen. Das Verfolgen von Leichtathletik im Stadion finde ich nicht ganz einfach. Vieles passiert gleichzeitig und es fehlen die veranschaulichenden Grafiken und Zwischenstände, die man aus dem Fernsehen kennt.
Die Stimmung aber ist überragend und die Fans sind bei jedem Weitsprung, jeder gestossenen Kugel und jedem Hürdenlauf voll dabei. Besonders laut wird es natürlich am Abend des 8. August als die US-Amerikanerin Sydney McLaughlin-Levrone beim Finale über 400 m Hürden für einen neuen Weltrekord sorgt.
Mir wird aber ein anderer Wettkampf früher an diesem Abend in Erinnerung bleiben: das Speerwurf-Finale der Herren. Meine Augen sind eigentlich hauptsächlich auf den deutschen Julian Weber gerichtet. Am Ende reicht es für ihn zu einem für ihn sicher enttäuschenden sechsten Platz.
Dann ist da aber noch Arshad Nadeem. Sein erster Wurf ist gut, aber nichts Aussergewöhnliches. Schnell gerät er wieder durch die anderen Werfer in den Hintergrund.
Doch dann kommt sein zweiter Wurf. Er läuft an, bringt den Speer auf den Weg. Und der fliegt und fliegt und will gar nicht mehr runterkommen. Er erreicht fast das andere Ende des Rasens und bleibt schliesslich bei 92,97 Metern in selbigem stecken – neuer olympischer Rekord. Schon bevor die genaue Wurfweite bekanntgegeben wird, geht ein Raunen durch das Stadion, das dann frenetischem Jubel weicht. Das Bild in meinem Kopf des nicht fallen wollenden Speers wird mich noch eine Weile begleiten.
Die Lieblingslocation als Höhepunkt
Mein persönlicher Höhepunkt in Paris ist aber ein anderer: das Stade Tour Eiffel. Am Fusse des Eiffelturms haben die Organisatoren ein Stadion errichtet, in dem die Beachvolleyballspiele ausgerichtet werden. Ich bin dort für das Viertelfinale der Deutschen Clemens Wickler und Nils Ehlers gegen die Niederländer Stefan Boermanns und Yorick de Groot.
Es ist 17 Uhr, die Sonne steht noch hoch und brennt bei 30 Grad im Schatten erbarmungslos auf die nicht überdachten Ränge und in die Nacken und Gesichter der begeisterten Fans (und Medienvertreter).
Die für solche Sportereignisse übliche Musik tut ihr Übriges. Und immer ist da, unübersehbar, der Eiffelturm. Es ist eine Location, die man gar nicht so richtig begreifen kann. Man nimmt sie einfach hin und staunt. Dass das deutsche Duo am Ende gegen die Niederländer gewinnt, gerät dabei zur Nebensache.
Was macht am Ende Olympia in Paris also aus? Die Mischung. Die Mischung aus sportlichem Erfolg, aus Sportarten, die ausnahmsweise auch mal die ganz grosse Bühne bekommen, und aus diesen einzigartigen Sportstätten. So war Paris.
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