Mit 4:0 hat die deutsche Frauen-Nationalmannschaft gegen Österreich gewonnen. Der letzte Testlauf vor den Olympischen Spielen macht Hoffnung. Doch die klare Niederlage gegen Island offenbarte auch die Schwächen des Teams.

Eine Analyse
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Gestützt von zwei Mitspielerinnen humpelte Lena Oberdorf etwa eine Viertelstunde vor Schluss in die Kabine. Das Spiel gegen Österreich in der EM-Qualifikation war zu diesem Zeitpunkt schon entschieden – inzwischen gibt es die traurige Diagnose: die 22-Jährige hat einen Kreuz- sowie Innenbandriss erlitten und wird Olympia verpassen . Oberdorf war nach einem Zweikampf mit der Österreicherin Barbara Dunst im Rasen hängen – und am Boden liegen geblieben.

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Der Verlust Oberdorfs für die Olympischen Spiele, die für die DFB-Frauen schon am 25. Juli mit der Partie gegen Australien starten, könnte wieder mehr Unsicherheit in die Mannschaft bringen. Denn die beiden EM-Qualifikationsspiele gegen Island (0:3-Niederlage) und Österreich (4:0-Sieg) zeigten, wie viel die Tagesform einzelner Spielerinnen ausmachen kann.

Defensivschwächen besiegeln Niederlage gegen Island

Ein unerfreuliches Déjà-vu gab es für die deutsche Mannschaft in Island, nämlich ein frühes Gegentor nach 13 Minuten. Eine Unaufmerksamkeit der Abwehr, vor allem aber von Torhüterin Merle Frohms nach Ecke sorgte für das 1:0 der Skandinavierinnen nach 13 Minuten. Ähnlich frühe Gegentreffer kassierte die Elf von Interimstrainer Horst Hrubesch etwa im Hinspiel gegen Österreich im April und im Spiel gegen Polen im Juni. Beide Spiele drehte die Mannschaft noch – das gegen Island nicht.

Auch beim zweiten Gegentor hatten die Isländerinnen viel zu viel Platz, das Stellungsspiel der deutschen Abwehr liess genügend Raum für Alexandra Johannsdottir zu, die den Ball ins Tor brachte. Der dritte Treffer ging zurück auf einen schweren Fehler Sara Doorsouns, die einen viel zu kurzen Pass einfach frei in den Lauf Jonsdottirs gab, statt auf Hendrich zu spielen.

Hrubesch reagierte, indem er gegen Österreich Bibiane Schulze Solano in die Innenverteidigung und Ann-Katrin Berger ins Tor stellte. Ein Schachzug, der aufging. Deutschland blieb ohne Gegentor, Berger brillierte mit gleich zwei Assists.

Chancenverwertung könnte zum Verhängnis werden

Worauf sich Hrubesch im Frühjahr fast immer verlassen konnte: Das Offensivspiel funktionierte. Was gegen Österreich mit Bravour gelang, stellte sich gegen Island als übermächtige Herausforderung dar. Denn: Die mutigen und kreativen Offensivaktionen waren vorhanden, doch am Abschluss haperte es. Zu ungefährlich, zu planlos vor dem Tor.

Zwei gute Abschlüsse sah man vor der Pause von Lea Schüller, bei einem war die Abseitsfahne oben. Auch die sehr engagierte Laura Freigang blieb ohne Torerfolg. Vor allem gegen spielstarke Gegner, die gern die Kontrolle über das Spiel behalten, könnte das verhängnisvoll werden.

Obwohl die Mannschaft beim Spiel gegen Österreich früh durch Klara Bühl in Führung ging (11.), liess sich in dieser Partie über die Offensive diskutieren: Denn bis zum 2:0-Sololauf Jule Brands passierte nicht viel. Das änderte sich nach der Halbzeitpause durch die neue Anwesenheit von Elisa Senss, die mächtig Druck nach vorn aufbaute und Lea Schüller in Szene setzte. Klara Bühl legte kurz vor Schluss nach.

"Wir hätten es eigentlich noch deutlicher gestalten können", mahnte auch Trainer Hrubesch an, freute sich aber, "dass wir ein ganz anderes Gesicht als auf Island gezeigt haben".

Spannendes Personal-Karussell: Tor- und Abwehrpersonalien offen

Hrubesch rotierte beim Österreich-Spiel gleich auf fünf Positionen, was ihm interessante Erkenntnisse gebracht haben sollte. Insbesondere Torhüterin Ann-Katrin Berger machte positiv auf sich aufmerksam, sie war durch ihre geschickten langen Bälle nach vorn gleich an zwei Toren beteiligt. In der Innenverteidigung startete Bibiane Schulze Solano für Sara Doorsoun, der gegen Island ein schwerer Patzer unterlief. Für Olympia sollte auch Routinierin Marina Hegering wieder zur Verfügung stehen.

Ob Lena Oberdorf nun mitfahren kann nach Paris, ist noch offen. Alternativen im defensiven und zentralen Mittelfeld gibt es mehrere. Elisa Senss und Sjoeke Nüsken wären Optionen – oder: "Alexandra Popp kann auch auf die Sechs gehen", sagte Hrubesch pragmatisch. In den beiden EM-Qualifikationsspielen war die Kapitänin nicht dabei. Für den Takt im deutschen Spiel ist Oberdorf jedoch immens wichtig.

Zwei unterschiedliche Gesichter in den beiden Partien vor Olympia, mit unterschiedlichem Personal – doch Hrubesch ist optimistisch. "Wir können uns freuen, dass wir die Positionen doppelt und dreifach besetzen können", sagte er. Das sei nicht immer "derselbe Standard, aber ich bin da sehr zufrieden mit".

Klara Bühls Lehre aus den beiden Spielen: "Wir waren von Anfang an da, das war unheimlich wichtig für uns als Team, das gibt uns Selbstvertrauen. So müssen wir in die nächsten Spiele gehen."

Ein sinnvoller Plan, um Horst Hrubeschs Abschied mit der Goldmedaille zu krönen.

Verwendete Quellen:

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