Die Wada glaubt im Falle chinesischer Doping-Fälle an einen verunreinigten Hamburger und macht alle Beobachter mit ihrer Untätigkeit sprachlos.

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Bei den Olympischen Spielen in Paris steht auch Tage nach dem Rennen der Verdacht im Raum, dass die deutsche Medaillenkandidatin Angelina Köhler um eine mögliche Podiumsplatzierung betrogen worden ist. Über die 100 Meter Schmetterling hatte Köhler am 27. Juli als Vierte angeschlagen - einen Platz hinter der Bronzemedaillengewinnerin Zhang Yufei aus China. Der Name der 26-Jährigen steht auf einer von der ARD veröffentlichten Liste der 23 Schwimmerinnen und Schwimmer, die bei einem nationalen Wettkampf in China Anfang 2021 positiv auf das Herzmittel Trimetazidin getestet worden waren, aber nicht gesperrt wurden.

Ein verunreinigter Hamburger soll an Steroid-Fund schuld sein

Die in der Kritik stehende Welt-Anti-Doping-Agentur Wada bestätigte, dass zwei weitere Top-Athleten nach positiven Tests in der jüngeren Vergangenheit um eine lange Dopingsperre herumkamen und vom Vorwurf des Sportbetrugs freigesprochen wurden. Die chinesische Anti-Doping-Agentur Chinada hatte einem Bericht der "New York Times" zufolge unter anderem die Staffel-Olympiasiegerin Tang Muhan 2022 entlastet, weil ein bei ihr nachgewiesenes Steroid angeblich auf einen verunreinigten Hamburger zurückzuführen gewesen sei. Die Wada folgte auch in diesem Fall der Entscheidung der Chinada. Ein unabhängiger Ermittler aus der Schweiz hatte kein Fehlverhalten der Wada erkannt. Der "New York Times" zufolge sind die nun bekanntgewordenen Vorfälle bereits die dritte Causa, in der die Chinada wegen angeblich verunreinigter Lebensmittel auf Sperren verzichtet.

"Die Wada muss endlich eine lückenlose Aufklärung der Verdachtsfälle angehen und die bisherigen Untersuchungsberichte veröffentlichen", forderte Kevin Götz, Mitglied der Vereinigung Athleten Deutschland. "So könnte auch dem massiven Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust entgegengetreten werden, den das Agieren der Wada im Umgang mit den Verdachtsfällen mit sich bringt."

"Dieser Fall China hängt (...) wie ein ganz schwerer Sack über diesen olympischen Schwimmwettbewerben."

ARD-Reporter Hajo Seppelt

ARD-Reporter Hajo Seppelt hat sich mit seinem Team seit Jahren der Aufdeckung von Betrug im Sport verschrieben. Die neueste Doku aus der Anti-Doping-Redaktion des Senders heisst "Akte China". Es geht um brisante Informationen und Dokumente - und um systematisches Doping im Leistungssport. Seppelt meldete sich am Abend des 29. Juli vom Beckenrand aus dem Schwimmstadion und stellte fest: "Dieser Fall China hängt immer mehr wie ein ganz schwerer Sack über diesen olympischen Schwimmwettbewerben."

Die Wada sucht nicht nach Beweisen, sondern will sie haben

Doping-Kontrollstation bei den Olympischen Spielen in Paris
In die Affäre um positive Dopingtests bei Chinas Schwimmern kommt neue Bewegung. (Symbolbild) © dpa / Michael Kappeler

Die Wada habe am 27. Juli Einblicke in die ARD-Recherche erhalten. Es war der Verdacht aufgekommen, die ARD-Redaktion wisse mehr als die Wada. Die Journalisten legten der Wada Chats und Posts chinesischer Schwimmerinnen und Schwimmer vor. Seppelt sprach als Fazit des Treffens von einer "bizarren Reaktion" der Wada. Sie werde vorläufig keine weiteren Checks dieser Chats und Posts vornehmen. Sie müsse zuvor mit dem chinesischen Whistleblower sprechen, der auch mit der ARD in Kontakt stehe. Der Whistleblower aber habe das Gespräch mit der Wada abgelehnt. Seppelt: "Anscheinend sucht die Wada nicht nach Beweisen, sondern möchte erst Beweise haben, ehe sie anfängt, zu ermitteln." Seppelt bringt einen kuriosen Vergleich: "Das ist ungefähr so, als wenn in Deutschland ein Polizeibeamter auf der Strasse sieht, wie jemand aus der Bank herausläuft, weil er sie möglicherweise gerade überfallen hat und dann sagt: 'Bevor ich keine Beweise habe, dass das ein Bankräuber ist, frage ich ihn erst gar nicht.' Es ist ein Armeutszeugnis für die Welt-Anti-Doping-Agentur."

Als Athletensprecher Götz davon erfahren habe, habe er der Wada "Erpressung" vorgeworfen und sie dazu aufgefordert, "endlich ihre Hausaufgaben zu machen", schloss Seppelt seine Ausführungen.

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Die Wada betonte, sie habe die Entscheidung der Chinesen "mit der nötigen Skepsis überprüft". Es habe aber keinen Grund gegeben, gegen die Freisprüche in Berufung zu gehen. Es gibt nach Angaben der Wada aber derzeit eine Untersuchung zur Menge und den Risiken von mit Steoriden verunreinigten Lebensmitteln in China und anderen Ländern wie den USA.

Das IOC hegt keinen Zweifel an der Arbeit der Wada

Das Internationale Olympische Komitee wies die Zweifel an den Dopingjägern zurück. "Die Chinesen sind die am meisten getesteten Athleten weltweit", sagte IOC-Sprecher Mark Adams. Die Wada und die Internationale Test-Agentur Ita würden gute Arbeit leisten. (hau)

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