Der Olympiasieg von Julius Brink mit seinem Partner Jonas Reckermann in London brannte sich tief ins deutsche Sportgedächtnis. Heute, vier Jahre später, läuft es in Rio ohne die beiden Beachvolleyballer gar nicht rund. Unsere Redaktion sprach mit Brink über Gründe – und das omnipräsente Thema Doping.

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Warum schneiden die Deutschen zu Beginn von Olympia 2016 in Rio so schlecht ab? Gibt es etwa Mängel in unserem Sportsystem? Hat nicht vielmehr Diskusriese Robert Harting mit seiner jahrelangen Kritik Recht? Julius Brink war einst an Olympia ganz nah dran, gewann mit seinem Partner Jonas Reckermann 2012 in London Gold in Beachvolleyball, ehe der heute 34-Jährige seine Karriere verletzungsbedingt beenden musste. Unsere Redaktion sprach mit ihm über all diese Fragen und Themen.

Herr Brink, vermissen Sie den Sand unter Ihren Füssen?
Julius Brink: Nein, in meiner derzeitigen Arbeit als Fieldreporter und Moderator habe ich ja regelmässig im Sand zu tun. Schön daran ist: Ich schwitze dabei weniger (lacht).

Sie wollten nochmal angreifen, eine Verletzung zwang Sie aber, aufzuhören.
Sicherlich bitter, aber auch eine grosse Lehre. Alles hat ein Ende und ich hatte eine gute Zeit. Ich bin eher dankbar dafür, was ich erleben durfte, als dass ich traurig zurückblicke.

Diesmal ruhen die Medaillenhoffnungen im Beachvolleyball auf Laura Ludwig und Kira Walkenhorst - die mit Gold nach Deutschland zurückkehren können?

Sicherlich ein haushoher Favorit. Noch nie hatte ein Team solche Goldchancen wie die beiden Mädels. Ihre grosse Stärke ist ihr Trainerteam, das haben sie von uns geklaut. Spielerisch ist ihre Dominanz im Aufschlag das absolute Nonplusultra.

Sie haben mit Jonas Reckermann 2012 in London vorgemacht, wie es geht. Lassen Sie uns nochmal eintauchen in diese magischen Momente.
Worte können das kaum beschreiben. Ein einmaliger Moment. Gänsehaut.

Was ist geblieben vom Ruhm?
Die Gewissheit, dass man auch mit weniger guten Voraussetzungen sowie ganz viel Training und Fleiss ganz oben stehen kann. Ich habe für Beachvolleyball eher das Talent wie fürs Bügeln mitgebracht. Ich musste mir alles hart erarbeiten.

Viele Olympioniken stehen nur alle vier Jahre im Fokus des breiten öffentlichen Interesses. Weil sie und die nationalen Fachverbände es versäumen, ihre Sportarten besser zu vermarkten?

Am Ende liegt es an der öffentlichen Nachfrage. Warum soll ein nicht-öffentlicher Sender diese Sportarten übertragen, wenn er damit kein Geld verdient? Da kann man den Sendern keinen Vorwurf machen. Vor und nach den Olympischen Spielen passiert viel auf Onlineportalen. Das ist die Zukunft.

Viele Athleten beklagten nach den Spielen in London die geringe finanzielle Förderung durch den Staat, verwiesen auf vermeintlich fortschrittlichere Sportfördersysteme wie das der Briten.

Ganz ehrlich, da habe ich zu wenig Kenntnis darüber. Aber mein Gefühl sagt mir, dass sich an der finanziellen Situation der Athleten wenig getan hat. Die breite Bevölkerung hat durch die "Nolympia"-Entscheidungen in München und Hamburg gezeigt, dass sie dem Thema Olympia sehr kritisch gegenübersteht. Damit nimmt sie aber vielen Athleten die Chance, sich Träume im eigenen Land zu erfüllen. An dieser Traumerfüllung ergötzen sich dann genau diese Olympia-Verweigerer. Irgendwie absurd.

Was erzählen die Athleten untereinander. Geht es da um ein paar hundert Euro?

Keiner betreibt innerhalb der Olympiamannschaft den Sport in erster Linie aus finanziellen Gründen. Aber wenn wir weiterhin Wettbewerb bei Olympia wollen, dann müssen wir die Athleten besser unterstützen. Es müssen innovative Konzepte her, wenn wir international konkurrenzfähig bleiben wollen, denn am Ende zählen immer nur die Medaillen.

Hand aufs Herz: Sind wir Deutschen in diesem Punkt rückständig?
Ja! Ganz klar! Da sind uns einige Länder weit voraus.

Fehlt uns der Mut zur Veränderung oder einfach das Eingeständnis?

Beides. Die Deutsche Sportlotterie und deren Verhinderung hat mir da nochmal die Augen geöffnet. Was dort hinter den Türen und auf dem Rücken der Sportler ausgetragen wurde ... Wahnsinn! Nie im Sinne der Sportler, sondern immer nur nach eigenen Interessen. Von der Grundidee her, war das eine tolle Sache. Lassen wir das Thema, es macht mir schlechte Laune ...

Ist es nicht so, dass wir unseren Athleten damit nicht gerecht werden? Denn den Erfolg kosten wir wieder alle gemeinsam aus.
Ja, das ist es! Wir erwarten Höchstleistungen, vergessen aber, dass vier Jahre harte Arbeit für Olympische Spiele halt auch irgendwie finanziert werden müssen. Und es sind ja nicht nur die Trainings- und Reisekosten der Athleten. Es wird leider immer vergessen, dass Sportler halt auch noch ein Leben neben dem Sport haben. Die Lebenshaltungskosten fallen für Spitzenathleten ja nicht weg. Das Geld muss irgendwie verdient werden. Nur wann, wenn du zu hundert Prozent Leistungssportler 24 Stunden am Tag sein sollst?

Robert Harting ging voran, gründete einst die Sportlotterie. Er ist ein Typ, der polarisiert, auch jetzt, weil er öffentlich IOC-Chef Thomas Bach damit konfrontiert, mutmasslich Teil des Doping-Systems zu sein. Hat er überzogen?
Robert hat seine Art, Dinge auszudrücken. Bildlich gesehen wirkt er auf mich wie Obelix, der in das "Mut-Fass" gefallen ist. Ich ziehe vor ihm den Hut, denn er setzt sich wie kein anderer für die Olympiamannschaft ein. Über die Wortwahl kann man sicherlich streiten, aber ich mag ihn. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht auch unbequeme Dinge an.

Und welche Meinung haben Sie zu Herrn Bach?

Aktuell wird die Dopingdiskussion auf Herrn Bach projiziert. Man vergisst dabei, dass er solche Entscheidungen nicht alleine trifft. Hier ist die gesamte Führung des IOC gefragt. In jedem Fall bin ich ein Verfechter des sauberen Sports und hätte mir im Vorfeld der Spiele gewünscht, dass das IOC und die Verbände die vielen Ungereimtheiten sehr viel drastischer im Sinne des sauberen Sports entschieden hätten. Es geht hier nicht nur um Russland. Ich weiss gar nicht, wie viele Leichtathleten aus den USA inzwischen im Nachhinein des Dopings überführt wurden. Justin Gatlin zum Beispiel wurde mehrfach des Dopings überführt, da können wir sicherlich noch viele andere Nationen aufführen. Da spielt die Nationalität keine Rolle. Ich verabscheue deutsche Dopingsünder genauso wie russische, amerikanische oder andere. Für mich gehören Dopingsünder lebenslang gesperrt.

Alle wettern gegen die Russen. Machen sich nicht auch andere Nationen verdächtig?
Definitiv. Zumal wir im Westen nicht in der Situation sind, auf andere mit dem Finger zu zeigen. Ein grosses Dilemma ist der weltweite Anti-Doping-Kampf. Er findet de facto nicht statt und wird heuchlerisch betrieben. Athleten haben noch immer international unterschiedliche Bedingungen, nach denen sie kontrolliert werden. Die Bedingungen müssten weltweit standardisiert werden und vielleicht eher von unabhängigen Organen entschieden werden. Wenn ich nun höre, dass die Brasilianer vier Wochen vor Rio gar nicht getestet wurden, ist das eine Farce und ein Schlag für jeden Athleten, der tagtäglich seinen Tagesablauf der NADA melden muss. Doping ist Betrug. Betrug am Sport und der Konkurrenz und gehört als Betrug strafrechtlich geahndet, weil jeder ehrliche Athlet darunter leidet. Die finanziellen Mittel sind nicht ausreichend vorhanden. Ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich einen sauberen Sport wollen, sonst würden wir dem Thema Anti-Doping anders gegenüberstehen.

Anders gefragt: Ist Doping bei Olympia nicht allgegenwärtig, vielleicht auch vereinzelt bei deutschen Athleten?
Ich würde für keinen Sportler meine Hand ins Feuer legen. Ich weiss, wie schön es ist, sauber Olympiasieger zu werden, in einem hundert Prozent fairen Wettbewerb. Das Gefühl, Millionen von Menschen und meine Sportkameraden zu belügen ... Ich könnte nicht ruhig schlafen und der Erfolg wäre mir nichts wert.

Julius Brink gewann bei Olympia 2012 in London mit seinem Partner Jonas Reckermann Gold im Beachvolleyball. 2009 wurde er Weltmeister, 2006, 2011 und 2012 Europameister sowie fünfmal Deutscher Meister. 2014 musste der heute 34-Jährige seine Karriere wegen einer Hüftverletzung beenden. Seither hält Brink gemeinsam mit seinem ehemaligen Partner Reckermann Vorträge und Workshops zum Thema „Diversity - Vorteil durch Unterschiedlichkeit“ in Grosskonzernen und mittelständischen Unternehmen. Brink arbeitet darüber hinaus als TV-Experte für die ARD, den ORF und SKY, bei Olympia etwa ist er für die ARD in Rio mit dabei.

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