Am 19. November vor 25 Jahren gewannen Boris Becker und Steffi Graf am selben Tag die Tennis-Weltmeisterschaft. Danach verlief das Leben der beiden Sport-Ikonen sehr unterschiedlich.
Es war der 19. November 1995, als der deutsche Tennissport seine Vormachtstellung erneut manifestierte. An diesem Tag gewannen sowohl
Becker triumphierte im Finale der ATP Tour World Championship in Frankfurt über den US-Amerikaner Michael Chang in drei Sätzen mit 7:6, 6:0 und 7:6. Graf gewann bei den WTA Championships in New York City gegen ihre Landsfrau Anke Huber mit 6:1, 2:6, 6:1, 4:6 und 6:3.
Es war das erste und bislang einzige Mal, dass zwei Deutsche gleichzeitig den WM-Thron bestiegen. "Miss Vorhand" und "Bumm Bumm Becker", so wurden die beiden Tennis-Legenden in den Boulevard-Medien gerne bezeichnet, waren der Stolz der deutschen Tennis-Nation.
Vater Peter Graf wurde verhaftet
Für Graf war 1995 ein sehr spezielles Jahr. Am 23. Mai wurde das Haus der Familie Graf in Brühl durch die Staatsanwaltschaft durchsucht. Der Verdacht: Steuerhinterziehung. Am 2. August wurde ihr Vater Peter Graf verhaftet.
Dies ging nicht spurlos an ihr vorbei: 13 Tage später stand sie in Toronto auf dem Platz und verlor nach zuvor 32 Siegen in Folge in der 2. Runde gegen die Südafrikanerin Amanda Coetzer.
Doch sie fand schnell zu ihrem Spiel zurück. Im September 1995 gewann sie die US Open, im November dann die Weltmeisterschaft.
Becker über Graf: "So eine Spielerin werden wir wahrscheinlich nie wieder haben"
Becker und Graf hatten stets grossen Respekt voreinander. "Man hat sie ja nicht umsonst die Gräfin genannt, weil sie einfach einmalig ist. So eine Spielerin werden wir wahrscheinlich nie wieder haben", sagte Becker vor dem 50. Geburtstag von Steffi Graf.
Für Becker war der WM-Titel von 1995 der erste Turniersieg seit mehr als neun Monaten. Gut zwei Monate später, am 28. Januar 1996, gewann er bei den Australian Open das letzte Grand-Slam-Turnier seiner Karriere.
Im Sommer 1999 beendete Becker seine aktive Laufbahn. Sechs Wochen später zog Graf nach. Der Tennis-Hype, der seit Beckers erstem Wimbledon-Triumph von 1985 durchgängig stattfand und Millionen Deutsche zum Tennisspielen animierte, fand ein abruptes Ende.
Michael Stich, der ebenfalls einmal Wimbledon gewann, sagte einmal: "Einen Tennis-Boom wie damals wird es nie wieder geben. Steffi Graf und Boris Becker haben damals Einzigartiges geschafft."
Graf scheut die Öffentlichkeit
In den 21 Jahren, die Becker und Graf nun abseits des aktiven Tennis-Geschehens verbracht haben, hätte das Leben der beiden Ikonen kaum unterschiedlicher verlaufen können.
Graf heiratete im Oktober 2001 den ehemaligen Tennis-Star Andre Agassi, bekam mit ihm zwei Kinder und lebt heute in Las Vegas. Aus der Öffentlichkeit zog sich die 51-Jährige fast komplett zurück.
Lediglich für ihre Stiftung Children for Tomorrow, die sich um traumatisierte Kinder in aller Welt kümmert, nimmt sie gelegentlich noch öffentliche Auftritte wahr. "Kinder sind unsere Zukunft", sagte sie vor zwei Jahren gegenüber dem Sender Sat.1.
"Da ist es selbstverständlich, dass man sie schützen möchte. Dieses Unbekümmerte, das Schöne, diese Schwerelosigkeit des Aufwachsens möchte man ihnen geben. Wenn man dann hört, welche Schicksale sie erlebt haben, möchte man sie nur beschützen und ihnen helfen, eine Perspektive aufzubauen."
Sohn von Steffi Graf ist ein Baseball-Talent
Erfolg scheint bei ihr in der Familie zu liegen. Ihr Sohn Jaden Gil Agassi gilt als ein grosses Baseball-Talent. Der 19-Jährige verliess das Elternhaus und spielt an der University of California für die Trojans. Eine Profi-Karriere in der Major League Baseball (MLB) wäre danach der mögliche nächste Schritt.
Talia Graf, die Nichte der Tennis-Legende, ist ein erfolgreiches Model, lief unter anderem auf der Fashion Week über den Laufsteg und war Bikini-Model für ein amerikanisches Swimwear-Label.
Lediglich Michael Graf, der Bruder von Steffi, produzierte zuletzt negative Schlagzeilen. Der 49-Jährige soll laut Medienberichten einen Freund mit dem Tode bedroht, mit einem Hammer eine Autoscheibe zerschlagen und vor dem Haus der Ex-Ehefrau seines Freundes randaliert haben.
Steffi Graf soll sehr besorgt sein und die Vormundschaft für ihren Bruder übernommen haben.
Becker wurde von der britischen Insolvenzbehörde verklagt
Auch Boris Becker durchlebt momentan eine schwierige Zeit. Der 52-Jährige muss sich derzeit mit der Anklage der britischen Insolvenzbehörde auseinandersetzen. Die deutsche Berichterstattung rund um dieses Verfahren stösst Becker übel auf.
"In Deutschland habe ich das Gefühl, dass hier eine Vorverurteilung stattfindet", beklagt er in der "Bild am Sonntag". "Was über mich zum Teil gesagt oder berichtet wird, empfinde ich nicht nur als empörerisch und ärgerlich, es ist auch rufschädigend für meine Person.
Becker: Trainer eines Superstars, medienwirksame Beziehungen
Einerseits hat er sich, im Gegensatz zu Steffi Graf, nie vom Tennissport distanziert. Im Gegenteil: Er arbeitet für Eurosport als TV-Experte, war Trainer von Superstar Novak Djokovic und ist als "Head of Men’s Tennis Deutschland" in die Entwicklung des deutschen Tennissports eingebunden.
Andererseits fand sein Privatleben, und auch das unterscheidet ihn von Steffi Graf, vielfach in der Öffentlichkeit statt.
Es gab zum Beispiel die medienwirksame Scheidung von Barbara Becker, Kurzzeit-Beziehungen mit Popstar Sabrina Setlur sowie Model Heydi Nunez Gomez, die Verlobung mit Alessandra Meyer-Wölden und die "Besenkammer-Affäre", aus der seine Tochter Anna Ermakowa resultierte, deren Vaterschaft er zunächst leugnete.
Auch die Trennung von seiner Frau Sharlely "Lilly" Becker im Mai 2018 wurde in der Öffentlichkeit breitgetreten.
Becker beklagt: "Glas ist immer halbleer"
Nicht zuletzt wegen seines strittigen Images hatte Becker sich früh von Deutschland abgewandt und lebt in London.
"Im Ausland werde ich so akzeptiert, wie ich heute bin und früher als Tennisspieler war", verriet er einmal im "Tennis Magazin". "Ich spüre eine ehrliche Wertschätzung für das, was ich tue und was ich getan habe. In Deutschland habe ich die Erfahrung gemacht, dass das Glas bezüglich Boris Becker immer halbleer und nie halbvoll ist." Das war bei seinem WM-Sieg 1995 noch ein wenig anders.
Verwendete Quellen:
- Bild am Sonntag: "Ich werde diesen Kampf angehen, wie ich an jedes grosse Match herangegangen bin." (25. Oktober 2020)
- sat1regional.de: 20 Jahre "Children for Tomorrow": Tennislegende Steffi Graf zum Jubiläum in Hamburg
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