• Novak Djokovic ist der vermutlich beste Tennisspieler der Geschichte.
  • Den Ruhm, der ihm zustehen müsste, erhält er aber nicht.
  • Das hat mehrere Gründe.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzung des Autors einfliesst. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Mehr Tennis-News

In seiner Heimat verehrt, in der Tennis-Welt umstritten: Novak Djokovic polarisiert wie kaum ein anderer Tennis-Profi. Der Serbe bietet im Gegensatz zu seiner prominenten Konkurrenz ungewöhnlich viel Angriffsfläche.

Ein schlechtes Wort über Roger Federer verlieren? Das scheint fast unmöglich. Ganz anders ist es bei Djokovic: Der "Djoker" liefert regelmässig Steilvorlagen für die Presse. Nun, weil der wohl ungeimpfte Djokovic mit einer umstrittenen medizinischen Ausnahmegenehmigung nach Australien gereist war, um in Melbourne an den Australian Open teilzunehmen.

Mehr Sportthemen finden Sie hier

Papa Djokovic: "Novak ist Serbien, und Serbien ist Novak"

Die australische Grenzschutzbehörde verwehrte Djokovic die Einreise. Nach Ansicht der Behörde legte der 34-Jährige keine geeigneten Beweise zur Erfüllung der Einreisebestimmungen vor. Er wurde in ein Hotel für Ausreisepflichtige gebracht.

Ein für Djokovic' Vater unmöglicher Akt, fast schon Gotteslästerung, denn er verglich seinen Sohn nach der gehinderten Einreise gar mit Jesus Christus. "Jesus wurde gekreuzigt, ihm wurde alles angetan, und er ertrug es und lebt immer noch unter uns", sagte Srdjan Djokovic am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Belgrad. "Jetzt versuchen sie Novak auf die gleiche Weise zu kreuzigen und ihm alles anzutun."

An der Pressekonferenz in Belgrad nahmen neben dem Vater weitere Familienangehörige teil. Sie fand im Restaurant "Novak 1" statt, das dem Tennisspieler gehört. In seinen dramatischen Wortmeldungen stilisierte Srdjan Djokovic seinen Sohn zum "Freiheitskämpfer".

"Novak ist Serbien, und Serbien ist Novak", erklärte er. "Er wird kämpfen wie wir, und wie wir Serben zusammen mit dem ganzen Balkan." Djokovic sei "das Licht am Ende des Tunnels" für die "Welt der Freiheit". Diese werde nicht vom Westen gebildet, sondern von "sieben Milliarden Menschen", die in Osteuropa, Russland, China, Lateinamerika und Afrika leben würden.

In Australien sei Djokovic "im Gefängnis". Man habe ihm alles abgenommen ausser dem Mobiltelefon, er könne sich nicht umziehen und waschen. Er streite nicht nur für sich und Serbien, sondern führe "den Kampf von sieben Milliarden Menschen auf der Welt für Rede- und Meinungsfreiheit".

Djokovic lässt seinen Emotionen freien Lauf

Bemerkenswerte Worte. Und nicht weniger eingebildet spricht Djokovic selbst über sich. "Wenn die Menge 'Roger' ruft, dann höre ich 'Novak'", hatte Djokovic nach dem Wimbledon-Triumph über Federer im Juli 2019 gesagt. "Das mag sich albern anhören, aber ich überzeuge mich selbst davon, dass es so ist."

Nach Wimbledon 2019 folgten vier weitere Grand-Slam-Siege, womit Djokovic in der ewigen Rangliste mit Federer und Rafael Nadal gleichzog. Alle drei haben 20 Grand-Slam-Titel (Herreneinzel) inne.

Zudem führt Djokovic aktuell die Weltrangliste vor Daniil Medvedev und Alexander Zverev an. Der Serbe ist zweifelsohne der derzeit beste Tennisspieler dieses Planeten. Und das vor allem auch wegen seines Glaubens an den Erfolg, der Überzeugung, der Beste zu sein.

Dennoch ist Djokovic nicht der Spieler, der von den Tennis-Fans weltweit verehrt wird, der nicht wie ein Federer oder Nadal angehimmelt wird - obwohl er sich seit Jahren auf Weltklasseniveau befindet. Djokovic versprüht im Gegensatz zu seinen beiden härtesten Konkurrenten keinen Glanz. Er lässt negative Emotionen auf dem Spielfeld zu, verliert die Kontrolle, zerschmettert seinen Schläger, schreit herum. Teils benimmt er sich schlichtweg wie ein Irrer.

Impfskeptiker, Nationalist, Verschwörungstheoretiker

Abseits des Tennisplatzes gibt der Serbe aber ein noch viel abstruseres Bild ab. Neben seiner fragwürdigen Einstellung zur Corona-Impfung ("Ich bin dagegen. Ich entscheide, was für meinen Körper am besten ist.") verliert er sich in Verschwörungstheorien und serbischem Nationalismus.

"Ich lese keine Zeitungen mehr, weder online noch in der gedruckten Ausgabe. Ausserdem schaue ich seit mehreren Jahren keine Nachrichten mehr im Fernsehen. Es wird Propaganda verbreitet, die den Eliten oder einer bestimmten Gruppe von Menschen passt", hatte er Anfang November gegenüber serbischen Medien gesagt.

"Elite" ist im Sprachgebrauch der QAnon-Bewegung ein gern benutzter Begriff. Ihre Anhänger glauben, in den USA gebe es einen sogenannten "tiefen Staat": ein Netzwerk aus teils prominenten Persönlichkeiten, die im Verborgenen Gesellschaft und Politik steuern.

Davon abgesehen, ist Djokovic der Überzeugung, der "Körper heilt sich selbst", weshalb er medizinische Eingriffe ablehnt. Auch hatte er mal behauptet, dass Wasser auf menschliche Emotionen reagiere und so vergiftetes Wasser durch Emotionen in brauchbares verwandelt werden könne.

Und dann sind da noch nationalistische Extremisten, mit denen sich der Tennis-Star in der Vergangenheit getroffen hat. Im Herbst vergangenen Jahres waren Bilder aufgetaucht, die Djokovic etwa mit Milan Jolovic zeigten. Jolovic war, so schreibt es die "Frankfurter Rundschau", "ein früherer Kommandant der sogenannten Drina-Wölfe, einer berüchtigten paramilitärischen Einheit, die unter anderem am Völkermord an Bosnier:innen in Srebrenica beteiligt war".

Doch Djokovic' Einstellung zum Impfen gegen das Coronavirus oder sein Hang zu Verschwörungstheorien tun dem besten Tennis-Spieler der Gegenwart - oder gar der Geschichte - keinen Abbruch, zumindest bislang. Sponsoren hat der 34-Jährige keine verloren. Doch vielleicht lassen die Australier Djokovic nun aus seiner Scheinwelt erwachen. Zu wünschen wäre es ihm. Denn ohne Teilnahme an den Australian Open kann Djokovic auch nicht seinen 21. Grand-Slam-Titel gewinnen - und damit bleibt er rein sportlich auf einer Stufe mit Nadal und Federer.

Lesen Sie auch: "Traurig und leer": Djokovic äussert sich zu seiner Disqualifikation

Verwendete Quellen:

  • Deutsche Presse-Agentur
  • watson.ch: "Propaganda für Eliten": Novak Djokovic spricht wie ein Verschwörungstheoretiker
  • fr.de: Novak Djokovic: Zwischen Schwurblern und Nationalisten
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.