Lenzerheide - Franziska Preuss konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, als sie am Ziel ihrer sportlichen Träume mit WM-Gold um den Hals die deutsche Nationalhymne hörte. Ergriffen vom grössten Moment ihrer turbulenten Karriere wischte sich die 30-Jährige die Augen schnell wieder trocken und feierte dann mit dem Biathlon-Team in Lenzerheide ihr beeindruckendes Meisterstück. In der Schweiz krönte sich die Bayerin ungefährdet zur Weltmeisterin in der Verfolgung. Es war ihr erster grosser Titel in einem Einzelrennen.

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"Das war ein Traum, der heute in Erfüllung gegangen ist. Ich bin echt stolz auf mich", sagte Preuss: "Ich bin echt durch einige Täler gegangen, aber ich habe nie den Glauben verloren. Es ist egal, was kommt, ich bin jetzt einfach glücklich." Für die Weltcup-Gesamtführende war es nach Silber im Sprint und Bronze in der Mixedstaffel im dritten Rennen bereits die dritte Medaille bei dieser für sie schon jetzt aussergewöhnlichen WM.

"So schnell werde ich das Rennen nicht vergessen", sagte Preuss: "Das war wirklich das perfekte Rennen und das bei der WM - Wahnsinn!" Davon konnten die Männer nur träumen. Während Norwegens Superstar Johannes Thingnes Bö zum alleinigen Rekordweltmeister aufstieg und sowohl im Sprint als auch in der Verfolgung gewann, schafften es Philipp Nawrath und Co. nicht mal in die Top 15 und enttäuschten mit zu vielen Schiessfehlern auf ganzer Linie.

Mit Deutschland-Fahne ins Ziel

Mit der deutschen Fahne in der Hand jubelte Preuss zuvor bereits weit vor der Ziellinie und genoss jeden Meter in einer Bilderbuch-Landschaft in den Alpen. "Der Zieleinlauf war wirklich ein Genuss", sagte sie. Für die von vielen gesundheitlichen Rückschlägen gebeutelte Skijägerin war es ein Tag, der ohne Schiessfehler und mit einem Vorsprung von 39,1 Sekunden nicht besser hätte laufen können. Mehrfach dachte sie in der Vergangenheit schon an ein Karriereende, kämpfte sich aber immer wieder zurück.

Biathlon: Weltmeisterschaft
Franziska Preuss läuft mit der deutschen Fahne ins Ziel. © dpa / Martin Schutt/dpa

Nachdem Preuss 2015 mit Silber im Massenstart ihre zuvor einzige WM-Einzelmedaille geholt hatte, erlebt sie das erfolgreichste Grossereignis ihrer Laufbahn. Sie blieb im Jagdrennen in allen vier Schiesseinlagen tadellos. Auf der letzten Runde musste sie nicht mehr alles gegeben, die Schwedin Elvira Öberg hatte sie ebenso längst geschlagen wie Bronze-Gewinnerin Justine Braisaz-Bouchet aus Frankreich. Zweitbeste Deutsche war Selina Grotian als Zehnte.

Trainer rasiert sich die Haare ab

"Ich bin nicht überrascht, ich bin sehr, sehr glücklich. Sie ist so stark", sagte Frauen-Trainer Sverre Olsbu Röiseland, der eine Wette einlösen muss, über Preuss. Der Norweger hatte angekündigt, sich eine Glatze zu rasieren, wenn der WM-Coup tatsächlich gelingt. "Vielleicht heute Abend, aber vielleicht auch erst morgen" werde das passieren, sagte Röiseland.

Preuss ist die erste deutsche Weltmeisterin in der Verfolgung seit Denise Herrmann-Wick 2019. Insgesamt ist es ihre zehnte WM-Medaille und ihr zweiter Titel nach Staffel-Gold 2015 in Kontiolahti. "Man hat immer mal wieder kurz den Glauben verloren", sagte Preuss. Oft war sie knapp an den Podesträngen gescheitert. "Es hat immer mal wieder was gefehlt. Dass es jetzt so läuft, da bin ich so dankbar und glücklich, ich kann es gar nicht richtig glauben", sagte sie.

Preuss war mit hohen Erwartungen in den Kanton Graubünden gereist. Und sie lieferte ab. Inklusive der WM stand sie schon in 12 von 16 Einzelrennen auf dem Podest. Es ist längst ihr bester Winter überhaupt. Wie ihr Lebensgefährte Simon Schempp, Massenstart-Weltmeister von 2017, hat sie nun auch einen grossen Einzeltitel in ihrer Vita stehen.

Biathlon: Weltmeisterschaft
Das deutsche Team feiert die neue Weltmeisterin. © dpa / Martin Schutt/dpa

Eine Operation brachte Besserung

Jahrelang warfen die Bayerin Infekte und Erkrankungen immer wieder zurück, sie musste auf Weltmeisterschaften verzichten und Saisons früher beenden. Erst eine Operation der Nasennebenhöhlen im vergangenen Jahr nach dem Saisonende brachte die erhoffte Besserung.

Im vergangenen Sommer erhöhte sie ihr Trainingspensum, ist viel belastbarer und kann so in der Weltspitze den Takt vorgeben. Ihr grosses Ziel sind die Olympischen Spiele 2026 mit den Biathlon-Rennen in Antholz. In Südtirol trainierte sie schon alleine, um für die Winterspiele bereit zu sein. Auch dort Gold zu gewinnen, ist ihr letzter sportlicher Traum.

Nach einem Tag Pause geht es am Dienstag (15.05 Uhr/ZDF und Eurosport) im Einzel schon um die nächsten Medaillen. "Daran denke ich jetzt noch nicht", sagte Preuss, die sich auf einen freien Tag mit wenig Training freute.

Männer bei Bös Rekord-Show nur Statisten

Die deutschen Herren dürften die Zeit zum Aufarbeiten ihrer erschreckend schwachen Auftritte nutzen. Philipp Nawrath verbuchte im Sprint als 18. noch das beste Resultat aus einem Quartett des Deutschen Skiverbands. In der Verfolgung zum Abschluss des Wochenendes lief es ähnlich schlecht und Philipp Horn war auf Rang 17 als erster Deutscher im Ziel.

Bö sammelte derweil seine WM-Titel Nummer 21 und 22 ein und überflügelte damit seinen Landsmann Ole Einar Björndalen. "Das ist sehr emotional für mich, das war ein grosses Ziel von mir", sagte Bö.  © Deutsche Presse-Agentur

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