Mit seinen Aussagen löste er die "Operation Aderlass" vor einem Jahr aus. Doch die Ermittlungen liessen vermuten: Johannes Dürr nahm wohl eine bedeutende Rolle im vermuteten Doping-Netzwerk ein. Vermittler der Sportler zum Erfurter Arzt will er aber nicht gewesen sein.

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Johannes Dürr sitzt die meiste Zeit aufrecht und reglos im Gerichtssaal, die Hände im Schoss. Im Zeugenstand gibt er sich erst zurückhaltend - und immer wenn er dann doch seine Geschichte vom Doping ausführlicher erzählen will, unterbricht ihn die Richterin. Dürr war Langläufer, erlebte viele Jahre im Spitzensport. In dieser Zeit reifte seine Sicht: Ohne Doping kann man nicht ganz vorne mitlaufen. Erst griff er zu EPO, dann folgte das Blutdoping. Nun musste er sich am Montag vor dem Landgericht Innsbruck wegen gewerbsmässigen schweren Sportbetrugs verantworten.

Dürr bekennt sich teilweise schuldig

Dürr bekannte sich teilweise schuldig, vor allem, was das eigene Doping betrifft. Vermittler zwischen dem Erfurter Sportmediziner Mark S., der in München in Untersuchungshaft sitzt, und anderen Langläufern aus Österreich will er aber nicht gewesen sein. "Ich bin froh, dass heute endlich dieser Termin ist und ich heuteeinen Schlussstrich ziehen kann", sagte Dürr.

Der Prozess in Innsbruck markiert einen weiteren Höhepunkt nach den aufsehenerregenden Razzien Ende Februar 2019 in Tirol und in Erfurt. Wenige Wochen zuvor hatte die ARD eine Dokumentation ausgestrahlt, in der Dürr sein eigenes Blutdoping zugab und die gleichen Methoden von Teamkollegen andeutete. Die Behörden ermittelten, nahmen bei der "Operation Aderlass" den Erfurter Sportarzt Mark S. fest und erwischten den Skilangläufer Max Hauke bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld mit der Nadel im Arm direkt bei der Tat.

Dürrs persönliche Doping-Geschichte beginnt aber schon viel früher. Erstmals fliegt er bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 auf. Der heute 32-Jährige wird gesperrt - und kehrt der illegalen Leistungssteigerung doch nicht den Rücken. Er lässt sich in seiner Sperre erneut Blut abnehmen und diese in Erfurt einlagern, für ein mögliches Comeback. "Ich hab mein Leben lang nichts anderes gekannt als Spitzensport, jeden Tag den Körper daran zu bringen, ans Leistungsmaximum zu gelangen. Von einem Tag auf den anderen war diese Welt erledigt. Ich war verhasst in dieser Welt und das wollte ich einfach nicht akzeptieren, dass das ein Ende hat", sagte Dürr über seine Gedanken zu dieser Zeit.

Bis hierhin ist Dürr geständig. Dass er in den Jahren 2015 bis 2018 zu einem der wichtigsten Personen im vermuteten Doping-Netzwerk um den Erfurter Arzt geworden sei, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, will er aber nicht stehen lassen. Es habe zwischenzeitlich Pläne gegeben, das Geschäft des Erfurter Arztes quasi zu übernehmen, Blut selbst einzulagern. Er habe auch mal mit einem Bekannten in Slowenien Sim-Karten für die Doping-Kommunikation organisiert. Die ehemaligen Teamkollegen Dominik Baldauf und Max Hauke an Mark S. vermittelt habe er jedoch nicht. Auch als Weiterverkäufer von Wachstumshormonen oder als derjenige, der anderen die Nadel für eine Rückführung setzt, sei er nicht aktiv gewesen.

Ab hier unterscheiden sich die Aussagen der Beteiligten

Ab hier unterscheiden sich dann auch die Aussagen der Beteiligten teils fundamental. Baldauf erklärte am Montag vor Gericht, dass Dürr ihm die Telefonnummer des Erfurter Arztes, laut Baldauf von den Sportlern nur "der Deutsche" genannt, gegeben habe. Ein Zeuge erklärte vor Gericht nach mehrmaliger Nachfrage, dass Dürr bei ihm eine Blutrückführung durchgeführt habe. Der Erfurter Mediziner Mark S. hatte zudem laut der Richterin in seinen Vernehmungen erklärt, dass Dürr auch nach seiner Beichte in der ARD noch einmal einen Blutbeutel angefordert hatte, was Dürr bestreitet.

Mark S. sollte eigentlich per Videoschalte eine Aussage machen, verweigerte diese aber noch kurzfristig. Der Arzt hatte laut den Ermittlungsbehörden zunächst in vielen Vernehmungen ausgesagt, hat aber inzwischen keine Lust mehr zu weiteren Angaben. Der Prozess gegen den Arzt wird voraussichtlich erst in einigen Monaten stattfinden. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft ihm und seinen Helfern unter anderem gewerbsmässige und teilweise bandenmässige Anwendung verbotener Dopingmethoden beziehungsweise Beihilfe dazu vor. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe. 23 Sportlern wurden bei den Ermittlungen rund um das vermutete Netzwerk Blutdoping nachgewiesen.

Ebenfalls in Innsbruck mitverhandelt wurde das Verfahren gegen einen ehemaligen österreichischen Langlauf-Trainer. Ihm wird vorgeworfen, unter anderem Johannes Dürr und Harald Wurm mit Wachstumshormonen versorgt und zum Blutdoping vermittelt zu haben. Auch der Coach bekannte sich teils schuldig. Er bestritt aber, die Trainingspläne der beiden Ex-Langläufer Dominik Baldauf und Max Hauke auf deren Eigenblutdoping abgestimmt haben.

Beide Prozesse sollten noch am Montag komplett abgewickelt werden. (mgb/dpa)  © dpa

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