- Der Unfalltod ihres Vaters Jeff riss Mikaela Shiffrin im Februar 2020 den Boden unter den Füssen weg.
- Knappe zehn Monate danach fährt sie bei den beiden Weltcup-Slaloms in Levi noch nicht wieder in der gewohnten Form. Beide Rennen gewinnt ihre grosse Konkurrentin.
Mit einem zweiten Platz und Tränen der Freude in den Augen kehrte die alpine Gesamtweltcupsiegerin Mikaela Shiffrin im finnischen Levi aufs Podest und zehn Monate nach dem schockierenden Unfalltod ihres Vaters Jeff in ihr sportliches Leben zurück. Tags drauf aber, nach dem zweiten Slalom der Saison, verschwand Shiffrin nach ihrem Lauf ganz schnell aus dem Zielraum.
Drei Läuferinnen vor Schluss hatte sie die mögliche Bestzeit deutlich um 43 Hundertstelsekunden gegenüber der zu diesem Zeitpunkt führenden Österreicherin Katharina Liensberger verfehlt. Letzten Endes blieb für Shiffrin an diesem nebligen Tag nördlich des Polarkreises hinter Doppelsiegerin
Die Rückkehr in den Weltcup-Zirkus fiel Shiffrin schwer. Sie wusste nicht wohin mit all ihren Gefühlen. "Das war ein ganz spezieller Tag", sagte Shiffrin nach dem Slalom von Levi am Samstag, bei dem sie nach fast zehn Monaten Rennpause wegen des Unfalltodes ihres Vaters ein Comeback gegeben hatte. "Es hat sich angefühlt wie mein erster Sieg."
Petra Vlhova hängt Mikaela Shiffrin um 93 Hundertstelsekunden ab
Die Fakten aber zeigen, dass derzeit die grosse Herausforderin Vlhova die Nase vorne hat: Im ersten Slalom fehlten Shiffrin 0,18 Sekunden auf die Slowakin. Deren zweiter Erfolg, ihr insgesamt 16. im Weltcup, fiel gegenüber der sichtlich erschöpften Shiffrin dann mit 0,93 Sekunden Vorsprung ungleich komfortabler und ungewohnt deutlich aus.
Ergebnisse und Statistiken aber spielten für Shiffrin bei ihrem Trip an den finnischen Polarkreis eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Nach 300 Tagen Rennpause wegen des Todes ihres Vaters im Februar, des abrupten Endes der Saison in der Corona-Pandemie und zuletzt einer Rückenblessur war der Start in Levi vor allem ein emotionaler Erfolg für sie. "Ich habe so viel Glück gespürt beim Skifahren", berichtete Shiffrin am Samstag. "Diesen zweiten Platz geniesse ich mehr als je zuvor. Natürlich kann ich schneller fahren. Aber ich hatte Spass."
Shiffrin ist fünfmalige Weltmeisterin und zweimalige Olympiasiegerin, mit 66 Siegen fehlt ihr nur noch einer zum jahrelangen Dominator Marcel Hirscher auf Platz drei der ewigen Weltcup-Bestenliste. Ihre Erfolge fuhr sie oft beeindruckend cool und souverän ein, auch weil ihr Mutter Eileen als Betreuerin an der Strecke und Vater Jeff als Organisator und Ruhepol daheim in den USA den Rücken frei hielten.
Keine SMS von ihrem Daddy
Früher schickte Jeff seiner Tochter zwischen zwei Durchgängen oft Nachrichten aufs Handy - in Levi wartete Mikaela Shiffrin vergeblich auf eine SMS ihres Dads. Das war dann ein Moment, in dem Freude und Zufriedenheit verdrängt wurden von den schmerzhaften Erinnerungen. "Eigentlich wollte ich nicht so emotional sein", stammelte die dreimalige Gesamtweltcupsiegerin vor dem ARD-Mikrofon und rückte etwas verlegen ihren Schal über Mund und Nase zurecht.
Die US-Amerikanerin will in diesem Winter lernen, den Schicksalsschlag weiter zu verarbeiten und zugleich schnell Ski zu fahren. Natürlich sei sie "unglaublich wütend", weil ihr Vater gestorben sei und "wie allein ich mich manchmal fühle", sagte sie dieser Tage. Zugleich aber hofft sie: "Wenn man es durch eine so schwere Tragödie geschafft hat, dann sind manche Dinge in deinem Leben ein bisschen besser sortiert."
Nach ihrem Podestcoup vom Samstag zeigte Shiffrin am Sonntag ein verhalteneres Rennen, sie schien kraftloser zu sein als tags zuvor, womöglich etwas ausgelaugt von dem emotionalen ersten Wettkampf. Die Dauerrivalin Vlhova untermauerte derweil ihren Anspruch, Shiffrin als beste Technikerin und Gesamtweltcupsiegerin im Weltcup abzulösen. "Shiffrin hat noch unfassbar viel Potenzial. Sie hat noch lange nicht gezeigt, was sie kann", urteilte TV-Experte Felix Neureuther.
Fahrerinnen des DSV fehlt die nötige Aggressivität
Auch die deutschen Starterinnen waren in Levi weit weg von der Form, die sie sich erhofft hatten. Nachdem am Samstag Lena Dürr (17.), Andrea Filser (23.) und Marina Wallner (24.) immerhin in die Punkteränge gefahren waren, schaffte das am Sonntag nur Dürr (21.). Weil aber die Top 15 - geschweige denn die erhofften Top Ten - an beiden Tagen verpasst wurden, zog Bundestrainer Jürgen Graller kein positives Fazit. "Wir haben einfach zu wenig attackiert", sagte der Coach. (dpa/hau)
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