Diskussionen um die Sicherheit prägen den alpinen Ski-Weltcup: Und jetzt geht es auf die wohl furchterregendste Strecke überhaupt.

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Jetzt also Kitzbühel. Die Streif. Furchterregend. So berühmt wie berüchtigt. Schauplatz fürchterlichster Stürze. Und nach der ruppigen Stelvio in Bormio und der kraftraubenden Lauberhorn-Abfahrt in Wengen die dritte traditionsreiche und spektakuläre Strecke, auf der Ungemach droht. "Die Streif", sagt der ehemalige Rennläufer Aksel Lund Svindal, Olympiasieger, mehrfacher Weltmeister und in "Kitz" dreimal Super-G-Sieger, "ist gnadenlos. Dort geht es ums blanke Überleben."

Der Norweger zog sich 2016 bei einer wahren Sturz-Orgie auf der Streif einen Kreuzbandriss zu, ebenso der Österreicher Hannes Reichelt, Sieger von 2014, Super-G-Weltmeister 2015. Der Rettungshubschrauber war im Dauereinsatz. Diesmal musste er schon beim Training am Mittwoch zweimal aufsteigen und Verletzte vom Berg holen. Unter anderem den 26 Jahre alten Oberfranken Jacob Schramm: Sturz, Gehirnerschütterung, Knie kaputt.

Jacob Schramm wird nach seinem Sturz im Training vom Hubschrauber abtransportiert
Jacob Schramm wird nach seinem Sturz im Training vom Hubschrauber abtransportiert. © Getty Images/Christophe Pallot/Agence Zoom

Für Felix Neureuther kann es so nicht mehr weitergehen

Wieder zwei Verletzte, diesmal eher Namenlose, aber: Auch die Weltelite ist zunehmend ausgedünnt. Aleksander Aamodt Kilde aus Norwegen fällt seit einem Jahr aus. In Bormio stürzte der Franzose Cyprien Sarrazin schwer. In Wengen erlitt sein Teamkollege Blaise Giezendaner einen Kreuzbandriss, Vincent Kriechmayr, Österreichs Doppelweltmeister 2021, kam dort noch glimpflich davon. "Auf die nächste Saison hin muss definitiv was passieren, wir brauchen unsere Stars, wir brauchen unsere Gesichter", fordert Felix Neureuther.

Allein die Abfahrer zählen bereits zwei Dutzend Verletzte seit Saisonstart. "Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf", so FIS-Renndirektor Markus Waldner in Wengen. Das Material sei "extrem ausgereizt, vielleicht haben wir die Grenze schon überschritten", sagte er und betonte: "Es muss wirklich was passieren, kurzfristig und langfristig. Wir müssen an jeder Schraube ein bisschen drehen."

Diskussionen um Carbon-"Stutzen" der Abfahrer

Der letzte Schrei sind sogenannte Carbon-"Stutzen". "Die sind wie Socken aus festem Material, die auch die geringste Bewegung des Fusses im Skischuh verhindern", erklärt der österreichische Ex-Weltmeister Hannes Trinkl, Waldners rechte Hand bei der FIS. Spitzenfahrer könnten damit "unglaubliche Linien fahren, aber mit so einem Setup bewegt man sich in Wirklichkeit jenseits von Gut und Böse."

Der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier forderte gerade in Wengen, die Fehler der Athleten müssten "verzeihbar" werden, das sei aktuell aber nicht der Fall. Und, sagte er: "Es ist nicht ein Teil allein, es sind mehrere Teile, die zusammenwirken, um das zu erreichen, was wir aktuell haben: einen extrem gefährlichen Sport." Wie auch immer: "Es müssen Regeln her", fordert Neureuther.

Auf der Streif lauert die Gefahr nahezu überall

Diskutiert werden ein Verbot der Carbon-"Stutzen" oder -Einlagen, dickere Rennanzüge, Airbags nicht nur für den Rücken, sondern auch für den Kopf, und grössere Skischuhe. Das Problem: Erst am Rande der WM in Saalbach-Hinterglemm (4. bis 16. Februar) soll es einen Runden Tisch geben, einen weiteren beim Weltcup-Finale im März in Sun Valley.

Für Kitzbühel kommt derlei zu spät. Auf der Streif, von oben bis unten abgesichert mit Kilometern von Netzen und Planen, lauert die Gefahr nahezu überall: Mausefalle, Steilhang, Hausbergkante, Traverse. Als er im vergangen Jahr das erste Mal dort runter sollte, habe er "die Hosen voll" gehabt, bekannte die deutsche Nachwuchshoffnung Luis Vogt, aber die Strecke mache ja trotzdem "Spass".

Im Gegensatz zu Kollege Jacob Schramm ist Vogt bislang auch immer heil unten angekommen. (sid/bearbeitet von ms)

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