Felix Neureuther hat eine alte Idee wieder auf die Agenda gehoben: Die Abschaffung des Super-G. Was würde das aber konkret für andere Disziplinen und für die Attraktivität des Weltcupzirkus bedeuten?

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Der Vorschlag liegt schon seit einer Weile auf dem Tisch. Jetzt, wo ihn aber ein grosser Name des Skirennsports nochmal in aller Öffentlichkeit präsentierte, erfährt die Debatte eine ganz neue Qualität.

Felix Neureuthers Forderung hat hohe Wellen geschlagen. Im Interview mit dem "Focus" hat der beste Rennfahrer Deutschlands für die Abschaffung des Super-G plädiert. Er sei schon länger dafür, sagte Neureuther.

Aber wäre die komplette Streichung einer ganzen Disziplin so einfach zu realisieren? Was wären die Alternativen für die Speed-Spezialisten? Und was sagen die Beteiligten? Eine Bestandsaufnahme.

Die Geschichte:

Der Super-G ist die jüngste der Einzeldisziplinen im Weltcup. Als eine Art Kombination aus Riesenslalom und Abfahrt feierte der Super Giant Slalom im Dezember 1982 bei den Herren seine Premiere im Weltcup. Sieger wurde beim ersten Rennen in Val d’Isère der Schweizer Peter Müller.

Der Super-G ist technisch deutlich anspruchsvoller als die Abfahrt und deshalb auch ein gutes Stück kürzer. Die höhere Anzahl an Toren, sowie der enger gesteckte Kurs sollen die Verbindung schaffen zwischen der reinen Speed-Disziplin und dem technisch hochwertigen Riesenslalom.

Bereits vor über zehn Jahren geriet der Super-G aber in die Diskussion, damals startete unter anderem der damalige FIS-Renndirektor Günter Hujara einen ersten Anlauf, die Disziplin zu kippen. Nach heftigen Protesten gerade der Österreicher, die in Hermann Maier den bis heute erfolgreichsten Super-G-Fahrer stellen und bei den Damen die erfolgreichste Nation, wurden die Pläne aber abgeschmettert.

Die Idee:

Der Super-G soll ersatzlos gestrichen werden. Die zweitschnellste Alpindisziplin ist nach Meinung vieler der Abfahrt zu ähnlich. Im Gegenzug soll die Abfahrt einer grundlegenden Modifikation unterzogen werden. "Man kann bei den Abfahrten das Tempo reduzieren, ein paar Richtungsänderungen mehr einbauen", so Felix Neureuther.

Der Terminkalender der Alpinen ist vollgepackt bis zum Anschlag, schon ab der Saison 2020/21 soll die Kombination abgeschafft werden.

Auch Verschiebungen und Absagen führen immer wieder zu massiven terminlichen Problemen, zumal die meisten Rennen an den Wochenenden stattfinden. Auch die Witterungs- und Schneeverhältnisse stellen bisweilen Probleme dar. Deshalb soll der Kalender zum einen verschlankt werden und zum anderen die Events verlagert.

Im Kalender-Entwurf ab 2020 stehen sieben Parallelbewerbe pro Geschlecht (Team und Einzel) im Programm, der erste soll als Team-Event gleich bei der Saisoneröffnung in Sölden steigen. Der Vorteil: Die Rennen können auch als City-Races ausgetragen werden, nachts und unter der Woche.

"Ich könnte mir vorstellen, dass so etwas funktioniert wie die Sprint-Abfahrt in zwei Durchgängen, wie sie jetzt bei den Damenrennen in Garmisch-Partenkirchen stattfinden soll, weil es spannend ist", sagt Neureuther. Dem ist allerdings auch klar, dass an den Abfahrts-Klassikern, deren Durchführung und der Resonanz sowie Vermarktbarkeit kaum zu rütteln sein dürfte. "Natürlich muss man Rücksicht auf das Zuschauerinteresse nehmen."

Die Alternativen:

FIS-Renndirektor Markus Waldner sieht ähnlich wie Neureuther eine Reform der Abfahrten als eine Möglichkeit an. Statt eines Rennens sollen die modifizierten Abfahrten wie der Slalom und Riesenslalom in zwei entsprechend verkürzten Durchgängen absolviert werden.

Waldner würde zudem noch mehr Parallel-Rennen sehen wollen und diese "richtig pushen. Sie kommen beim Publikum gut an, sind leicht verständlich - auch für Nicht-Insider. Die grosse Überlegung ist, eine eigene Weltcup-Kugel für die Parallel-Rennen

mit vier bis fünf Events pro Saison zu vergeben." Bisher sind die Parallelwettbewerbe eingebettet in die Slalomwertung, was nicht überall auf Gegenliebe stösst.

Die Reaktionen:

Vor zehn Jahren schwappte eine Welle der Ablehnung durch den Skizirkus. "So ruiniert man den Skisport, gute Wettbewerbe sollte man nicht wegtun, und schon gar nicht solche, die die Leute noch kapieren. Skifahren wird immer komplizierter, nicht nur für die Athleten. Wenn sie den Super-G abschaffen, dann müssen sie aufpassen, dass ihnen die Fahrer nicht verloren gehen", sagte Super-G-Dominator Maier damals.

Sein Landsmann Marcel Hirscher sieht das heute ähnlich. "Wenn sie den Super-G wegnehmen wollen, dann wäre das richtig krass. In meinen Augen ist das die schwierigste Disziplin. Die FIS sollte eher zwischen Abfahrt und Super-G mehr differenzieren", so Hirscher, "sonst fahren wir am Ende nur mehr Abfahrten - obwohl Super-G ja eigentlich Super Giant Slalom heisst."

Die (möglichen) Folgen:

Bei den sechs Super-G der Herren werden fünf Mal je 120.000 Schweizer Franken an Preisgeldern ausgeschüttet, in Kitzbühel gab es sogar 150.000 Franken zu verdienen. Macht in der Summe 750.000 Franken bei den Herren in diesem Winter. Bei den Damen gibt es in dieser Saison sieben Rennen und ein Preisgeld von insgesamt 864.000 Franken. Insgesamt stellt die FIS für alle 13 Super-G-Rennen der Saison also 1.614.000 Franken aus. Das ist eine Menge Geld, das dann für alternative Events bereitstehen könnte.

Der Wegfall des Super-G könnte aber auch konkrete Auswirkungen auf den Kampf um den Gesamtweltcup haben. Mit der Abfahrt gäbe es dann nur noch eine reine Speed-Disziplin, deren Spezialisten im Rennen um die grosse Kristallkugel den Technikern wohl deutlich unterlegen wären - weil es schlicht deutlich mehr Rennen im Slalom und Riesenslalom sowie den Parallelwettbewerben geben würde als Speed-Events.

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