Maria Höfl-Riesch wird am Sonntag 40 Jahre alt. Wir haben uns mit ihr über ihre Trennung, aber auch über ihre Karriere, Superstar-Comebacks, den Sport im Klimawandel und die Situation des deutschen Skisports unterhalten.
Frau
Maria Höfl-Riesch: Ich wurde schon öfter im Scherz darauf angesprochen. Diese Comebacks werden teilweise ziemlich belächelt. Ich sehe keine Veranlassung dazu, nach zehn Jahren zurückzukehren. Das würde ich niemals machen.
Was halten Sie denn von den Comebacks der Superstars?
Ich kann es nicht verstehen. Ich finde es aber mutig und bewundernswert. Bei
Kam eine Rückkehr für Sie eigentlich nie infrage?
Nein. Ich hatte zum dritten Mal Olympia-Gold gewonnen und ich wusste, dass dies der richtige Moment ist. Es ist immer ein Risiko dabei, wenn man so ein Comeback wagt. Klar, viele bewundern einen dafür. Und wenn es gut laufen sollte, ist das eine Sensation. Aber die Chancen, dass es so läuft, sind nicht besonders gross. So realistisch muss man sein.
Am Sonntag feiern Sie Ihren 40. Geburtstag. Was löst die Zahl bei Ihnen aus?
Das ist ein Meilenstein. Das war auch bei meinem 30. Geburtstag so, weil der zufälligerweise das Ende meiner Karriere markiert hat. Und jetzt, zehn Jahre später, hat sich auch privat die Situation mit der Trennung von Marcus verändert. Deswegen ist es ein kleiner Neustart für mich.
Höfl-Riesch über ihre Trennung: Es ist für beide besser
Wie geht es Ihnen im Moment mit der Trennung nach 13 Jahren Ehe?
Es ist ganz okay. Wir waren lange zusammen und es ist immer schmerzhaft, wenn es dann auseinandergeht. Aber wir haben uns beide im Einvernehmen dazu entschieden, in dem Gedanken, dass es für uns beide besser ist. Im Moment sieht es danach aus, dass wir unsere Beziehung in eine Freundschaft umwandeln können.
Wie sehr nervt es, dass jetzt die Klatschpresse aus ihren Löchern kommt?
Die Berichterstattung ist nervig, aber da muss ich durch. Ich habe es ein bisschen unterschätzt, aber das geht wieder vorbei. Die Zeitung von morgen ist schon wieder interessanter. Oder die von nächster Woche.
Belastet Sie das zusätzlich oder haben Sie während der Karriere gelernt, damit umzugehen?
Meine Karriere war eine gute Schule. Als Marcus in mein Leben trat, hatte ich das erste Mal mit der Klatschpresse zu tun, später auch bei unserer Hochzeit. Und da lernt man, damit umzugehen. Und man lernt, dass es, so schlimm oder so nervig es sich in dem Moment anfühlt, auch schnell wieder vorbei geht.
Wie schauen Sie rund um Ihren Ehrentag nach vorne?
Ich blicke dem Ganzen positiv entgegen. Ich bin glücklich im Moment und freue mich, dass ich viele tolle Sachen machen kann. Ich bin einfach froh, dass ich mein Leben so gestalten kann, wie ich es gerne möchte.
Wie blicken Sie heute auf Ihre sportlichen Erfolge zurück?
Der Leistungssport war ein Grossteil meines Lebens. Von Kind auf habe ich mein ganzes Leben nach dem Skifahren ausgerichtet. Das ist eine lange Zeit, in der der Sport der Hauptinhalt meines Lebens war, um den sich alles gedreht hat. Das müssen viele im Sport machen und nicht bei allen endet es am Schluss so erfolgreich. Deswegen bin sehr dankbar, aber auch stolz und glücklich. Es waren aber nicht immer nur rosige Zeiten. Es steckte viel Kampf und Schmerz dahinter und den vergisst man nicht.
Wie haben Sie nach Ihrem Karriereende den Übergang ins "normale" Leben geschafft?
Direkt danach hatte ich genug zu tun. Da ich zum Schluss nochmal so erfolgreich war, hatte ich viele Möglichkeiten, habe viele Werbedeals gehabt, eine Kollektion entwickelt, für die ARD im Winter als Expertin gearbeitet. Ich hatte nicht die Zeit, in ein Loch zu fallen. Ich habe zudem immer geschaut, dass ich sportlich bleibe. Das ist wichtig, wenn man so lange Leistungssport gemacht hat. Von daher ist mir der Übergang gut gelungen.
Sie waren ja als Sportlerin in einen recht engen Plan gezwängt. Auf was haben Sie sich damals am meisten gefreut?
Die angenehmste Veränderung war tatsächlich, dass ich nicht mehr in so einem engen Zeitplan steckte. Dass ich mir meine Zeit einteilen konnte, dass ich auch mal ordentlich ausgehen, mit Freunden feiern und mal länger als zehn Tage am Stück Urlaub machen konnte. Das war alles jahrelang nicht möglich.
Höfl-Riesch und die Frage, was Erfolg ist
Was waren die grössten Herausforderungen?
Wirklich schwer ist mir nichts gefallen. Natürlich musste ich mich daran gewöhnen, dass Erfolg nicht mehr so messbar war. Man will ja irgendwie weitermachen in dem jungen Alter. Nur was ist dann Erfolg? Als ich auf dem Podest stand, war das Erfolg für mich. Nach dem Rücktritt war es dann, wenn ich als Expertin ein positives Feedback bekommen habe. Aber das ist nicht vergleichbar mit dem Glücksgefühl oder mit den Emotionen, die ausgelöst werden, wenn man im Sport erfolgreich ist. Aber alles zu seiner Zeit. Das gehört dazu, dass man lernt, damit umzugehen, dass es das in der Form nicht mehr gibt.
Haben Sie zwischendurch gezweifelt, dass der Rücktritt möglicherweise die falsche Entscheidung war?
Nein, überhaupt nicht. Natürlich gab es Rennen, bei denen ich war, bei denen Traumwetter herrschte mit einer Traumpiste, wo ich mir gedacht habe: 'Ach, eigentlich würde ich jetzt gerne runterfahren.' Aber es gab mindestens genauso viele Rennen, bei denen ich unten im Ziel stand und dachte: 'Zum Glück muss ich nicht mehr.' Es kam ein bisschen Wehmut auf, aber das heisst nicht, dass man es bereut, die Entscheidung getroffen zu haben.
Was erfüllt Sie heute beruflich?
Ich baue das Thema Keynotes und Vorträge aus. Das macht mir sehr viel Spass, weil ich merke, dass es die Leute interessiert, was ich zu erzählen habe. Über Erfolg oder mit Erfolgsdruck und Rückschlägen umzugehen. Das sind Learnings, die man ins normale Leben und in die Wirtschaftswelt transferieren kann. Und das mache ich zu verschiedenen Anlässen für diverse Firmen. Und ansonsten bin ich im Winter nach wie vor für Sponsoren im Ski-Weltcup unterwegs oder mache Skitage mit Gästen.
Es gab in Ihrer Karriere auch Rückschläge wie Verletzungen. Was haben Sie bei den genannten Themen vor allem gelernt?
Ich habe mir zweimal innerhalb von einem Jahr das Kreuzband gerissen und musste zweimal wieder ganz von vorne anfangen. Und das alles am Anfang meiner Karriere. An seine Stärken zu glauben und die negativen Gedanken so gut es geht auszublenden ist wichtig, wenn man unter Druck steht und viel von einem erwartet wird. Sich daran zurückerinnern, was man schon Gutes geschafft hat und wie man die Situation gemeistert hat. Man muss sein Ziel im Kopf haben und darf es nie aus den Augen verlieren. Gibt es Rückschritte, sollte man sich Zwischenziele setzen, die realistisch sind.
Konnten Sie mit Druck immer gut umgehen?
Ja, ich war mental auf der starken Seite. Auch wenn ich mal ein Rennen vergeigt habe, war ich am nächsten Tag meistens wieder da. Natürlich habe ich mich geärgert, wenn ich was verbockt habe. Aber dann kam die Analyse, woran es lag, und dann ging es weiter.
Höfl-Riesch als Trainerin?
Ist eine Trainerrolle nichts, was Sie sich vorstellen könnten?
Nein, weil mir das zu zeitintensiv und getaktet ist. Morgens um fünf auf dem Gletscher zu fahren hatte ich jahrelang und das brauche ich nicht mehr. Viele Ehemalige machen das, aber es sind oft die, die nicht so wahnsinnig erfolgreich waren. Vielleicht um irgendwelche Erfolge, die sie selbst nicht geschafft haben, als Trainer zu erreichen. Ich habe für dafür keine Motivation mehr.
Wie sehen Sie die Situation des Skisports? Die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit sorgen immer wieder für Diskussionen …
Den Klimawandel kann man nicht wegignorieren. Die Gletscher sind geschmolzen, es gibt immer weniger Schnee. Ich glaube trotzdem, dass das Skifahren durch moderne Beschneiungsanlagen nicht aussterben wird. In den vergangenen Jahren konnte man in niedrigeren Lagen immer noch gut Skifahren. Ich hoffe, dass es mit dem Klimawandel in Zukunft besser wird. Klar: Es ist eine spitze Zielgruppe, weil es sehr teuer geworden ist, weil es sich nicht mehr jeder leisten kann. Aber die Skigebiete sind voll und die Leute, die es sich leisten können, werden es weiterhin machen.
Was muss sich denn tun? Wer ist gefordert, um Verbesserungen herbeizuführen?
Es wird bereits alles Mögliche getan. Es gibt modernisierte Liftanlagen, die, je nachdem, wie viele Leute anstehen, ihre Geschwindigkeit anpassen. Es gibt Pistenbullys, die den Schnee so verteilen, dass er überall gleich hoch ist. Überall wird versucht, Energie zu sparen. Meiner Meinung nach ist das grösste Problem, und das zeigen Studien, die An- und Abreise. Das ist die grösste CO2-Belastung. Auf der anderen Seite spricht keiner davon, dass jede Woche hunderttausende von Menschen quer durch Deutschland in alle möglichen Fussballstadien fahren. Man muss die Kirche im Dorf lassen und sehen, dass es ein Freizeitvergnügen ist wie andere Dinge auch. Und eine gewisse Energie wird dafür benötigt. Und wenn wir das alles nicht mehr wollen, dann müssen wir uns zu Hause einsperren und ein Feuer anmachen.
Wie ist die sportliche Lage aus deutscher Sicht? Machen Sie sich Sorgen?
Das deutsche Team ist dünn aufgestellt. Bei den Herren ist Linus Strasser vorne dabei, bei den Damen Lena Dürr. Emma Aicher ist noch sehr jung, bei ihr könnte ich mir vorstellen, dass sie ihren Weg macht. Und im Speedbereich Kira Weidle-Winkelmann. Ich hoffe, dass im Nachwuchs das ein oder andere Talent nachkommt.
Würden Sie das als Krise bezeichnen oder ist das nur ein Warnschuss?
Solange immer irgendjemand vorne dabei ist, würde ich das noch nicht als Krise bezeichnen. Da hatten wir schon schlimmere Phasen. Aber natürlich ist die Erwartungshaltung eine andere.
Sport hat einen anderen Stellenwert als früher
Wie lockt man den Nachwuchs in den Skisport, vor allem, wenn er so teuer ist?
Es ist nicht unbedingt nur ein Problem des Skisports. Generell hat der Sport in Deutschland nicht mehr so einen Stellenwert wie es vor 20, 30 Jahren noch der Fall war. Da hat sich die Gesellschaft verändert. Die Interessen der Kinder und die der Eltern sind breiter gefächert. Es gibt nicht mehr die Sporthelden wie früher und natürlich überstrahlt der Fussball ganz viel. Deswegen finden es viele nicht mehr so erstrebenswert. Heute ist der Traumberuf eher Influencer anstatt Leistungssportler.
Ist der Skisport deshalb ein Auslaufmodell in Deutschland? Kann man das so hart sagen oder ist das zu hart?
Das ist zu hart. Der Breitensport auf gar keinen Fall, denn dafür sind die Skigebiete im Winter zu hoch frequentiert. Und beim Leistungssport muss wieder etwas nachkommen, aber es gab immer Phasen, in denen es schwieriger war. Das war auch zu meiner Zeit so. Ich hoffe, dass die Jugendlichen der Ehrgeiz und die Lust am Sport packt und dass sich das Bild wieder ändert.
Wie verbringen Sie denn Ihren Ehrentag?
Ich fahre am Freitag an den Gardasee, wo ich mit einer relativ grossen Gruppe von Freunden meinen Geburtstag feiern werde.
Haben Sie sich etwas vorgenommen für die nähere Zukunft? Was Sie unbedingt schon mal machen wollten?
Ich möchte unbedingt mit einem Expeditionsschiff in die Arktis oder Antarktis. Ich bin ein grosser Kreuzfahrt-Fan und Expeditionen habe ich noch nie gemacht. Es ist bestimmt faszinierend, durch Schnee und Eis zu schippern und so nah an Pinguinen und Eisbären zu sein. Das ist einfach ein wahnsinniges Naturerlebnis.
Über die Gesprächspartnerin
- Die frühere Weltklasse-Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch hat in ihrer Karriere 2010 und 2014 insgesamt drei olympische Goldmedaillen gewonnen, dazu den Gesamtweltcup 2010/11 und jeweils Gold bei der WM 2009 und 2013. Insgesamt konnte sie 27 Weltcup-Siege feiern. 2014 beendete sie ihre aktive Karriere.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.