Der Skisprungsport steht nach einem Manipulationsskandal um norwegische Athleten unter Druck. Ex-Bundestrainer Werner Schuster, der von 2008 bis 2019 Bundestrainer der Skispringer war, übt harte Kritik am norwegischen Verband.
Der Skandal um manipulierte Skisprunganzüge bei der Nordischen Ski-WM in Norwegen hat die Skisprungwelt erschüttert. Fünf norwegische Athleten wurden suspendiert, nachdem der norwegische Verband Manipulationen an den Anzügen eingeräumt hatte.
Noch während der nordischen Ski-WM hatte der norwegische Verband zugegeben, Anzüge manipuliert zu haben, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Wie genau die Norweger vorgegangen sind, darüber gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse. Ex-Bundestrainer Werner Schuster wagt im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" einen Erklärungsversuch: "Der Anzug darf an jeder Stelle nur drei oder vier Zentimeter weiter sein als der Körperumfang. Man kann das nicht in der Luft messen, nur vorher oder nachher. Deshalb wird vor dem Sprung die Anzugbeinlänge in einem Scanner gemessen. Der Athlet macht diese Kontrolle mit geschlossenen Beinen. Wenn man jetzt hier ein starres Band in den Anzug einführt, vom einen Knie über den Schritt bis zum anderen Knie, dann bekommt der Athlet beim Springen, im breiten V-Stil, eine ganz andere Fläche zusammen. Das ist unglaublich geschickt gemacht. Aber verboten!"
Schuster übt harte Kritik am norwegischen Verband
Zudem übt Schuster harte Kritik an den Norwegern, die seiner Meinung nach die Aufarbeitung des Falls gezielt erschweren. "Zwar sagt der norwegische Verband, er kooperiert mit der Fis, aber es geht schleppend voran, weil man den Eindruck hatte, sie haben immer nur das zugegeben, was man ihnen hundertprozentig beweisen kann", glaubt Schuster. Zudem hätten die Norweger am Mittwoch erklärt, sie hätten jetzt alle Anzüge an die Fis übergeben, um bei der Aufklärung mitzuarbeiten. "Das ist so, als ob ich eine Straftat begehe, die Indizien wegschaffe und der Polizei drei Tage später sage, sie kann den Tatort jetzt untersuchen", erklärt Schuster. "Es sind offenbar aber noch andere Dinge an den Anzügen aufgefallen. Das muss aufgeklärt werden."
Norwegens Skisprungdirektor Jan Erik Aalbu hatte die vorliegende Manipulation als eine "singuläre Dummheit" bezeichnet. Schuster äussert seinerseits Zweifel an dieser Einzelfalldarstellung und sieht in der norwegischen Skisprungkultur eine generelle Tendenz, die erlaubten Grenzen konstant auszureizen. Auch ehemalige Athleten wie Daniel-André Tande haben angedeutet, dass Manipulationen mehr zur Tagesordnung gehören, was Schuster als Spiegel der gesamten Skisprungszene interpretiert.
Schuster pocht darauf, dass die FIS ihre Strukturen modernisiert und mehr unabhängige Fachkräfte in Gremien wie das Materialkomitee einbindet, um zukünftiger Lobbyarbeit effektiv entgegenzuwirken. Er plädiert dafür, den Skisprungsport zukunftsfähig zu gestalten und einen Sanktionskatalog für Regelverstösse zu etablieren, denn auch ein kleiner Regelbruch dürfe nicht als Kavaliersdelikt abgetan werden. (bearbeitet von ska)
Verwendete Quelle
- "Sueddeutsche.de": „Das ist unglaublich geschickt gemacht. Aber verboten!“