Die Olympischen Spiele 2022 in Peking standen auch deshalb in der Kritik, weil ihnen wenig Nachhaltigkeit vorgeworfen wurde. Viele Sportstätten mussten neu gebaut werden, so auch die Skisprungschanze. Zwei Jahre später hat sich bewahrheitet, was viele Kritiker schon vorab befürchtet haben. Die Schanze wird kaum genutzt.
Nochmal Peking? Nein danke! Stefan Horngacher hatte seine Absichten schon vor der Abfahrt zum Flughafen klar formuliert. "Nicht gerne", sagte der Bundestrainer der deutschen Skispringer damals in China, würde er an den Ort der hochumstrittenen Olympischen Winterspiele von 2022 zurückkehren: "Es ist ziemlich weit und ziemlich kalt." Und das waren nur zwei von Pekings Problemen.
Knapp drei Jahre später hat sich Horngachers Wunsch erfüllt, der Männer-Weltcup machte seitdem einen weiten Bogen um China. Die Skispringerinnen allerdings bestreiten am Wochenende die ersten Weltcups überhaupt auf den sündhaft teuren Schanzen von Zhangjiakou. Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme: Was ist das Erbe jener Spiele, die unter extremen Corona-Bedingungen stattfanden und damals schon auch wegen der Kunstschneemassen als die unnachhaltigsten der Geschichte gelabelt wurden?
Niemand springt auf der wohl teuersten Skisprungschanze der Welt
Bleiben wir bei den Schanzen. "Ich mag sie wirklich und freue mich auf den Weltcup", sagt Katharina Schmid. Deutschlands Topspringerin holte 2022 Einzel-Silber. Seitdem tat sich herzlich wenig auf der futuristischen Anlage, die mit geschätzten knapp 100 Millionen Euro Baukosten die teuerste je gebaute ist.
Die (Inter-)Continental-Cups am vergangenen Wochenende unter Beteiligung der frühzeitig angereisten deutschen Frauen - Schmid gewann beide Springen - waren die ersten internationalen Wettbewerbe seit Olympia. Es lief wie damals: Eiskalt, fast menschenleer, nur schlechter organisiert. "Erhaltene Zusagen wurden leider nicht eingehalten", schimpfte Bundestrainer Heinz Kuttin.
Fünf Olympiaspringen, nie ein Männer-Weltcup: Das ist herzlich wenig für die vielen Millionen Dollar. In anderen Sportarten sieht es nicht viel besser aus: Die Sportstätten in Peking selbst wie das riesige Vogelnest-Stadion und der "Water Cube", beides Relikte der Sommerspiele 2008, oder das Eisschnelllauf-Stadion werden weiter genutzt. An den Aussenposten weit ausserhalb Pekings aber sieht es mau aus.
Sowohl in Zhangjikou - dort war für geschätzte bis zu fünf Milliarden Euro der Bereich für Skispringen, die nordischen Sportarten oder Biathlon errichtet worden - als auch in Yanqing - hier kosteten die Sportstätten für Bob/Rodeln sowie Alpin-Ski bis zu zwei Milliarden Euro - fanden kaum noch Weltcups statt. Die Bobs mühten sich noch einmal nach China, aufgrund der logistischen Herausforderungen aber in Magerbesetzung. Biathleten kreuzten nie mehr in Zhangjiakou auf, alpine Rennen gab es nur unterklassig.
Milliarden in den Wind geblasen?
3,9 Milliarden Dollar soll Olympia 2022 gekostet haben, Experten gehen aber vom zehnfachen Betrag aus - Peking könnte damit sogar die bodenlosen Sotschi-Winterspiele (29 Milliarden Dollar) übertreffen. Wurden diese Summen in den eisigen Wind geblasen? Mitnichten, so zumindest die offizielle Lesart.
"Chinas Wintersport-Industrie hat ein rapides Wachstum erlebt", zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua den Sportökonomen Wang Xueli. Das gesteckte Breitensport-Ziel, 300 Millionen Chinesen auf Ski zu bringen, sei längst und vor allem durch Olympia erreicht worden.
Nur: Die teuersten Anlagen - Eiskanal wie Schanzen - sind für den Freizeitgebrauch ungeeignet. Und das bleibt das grösste Problem von Winterspielen. Von den elf Olympia-Sprunganlagen der vergangenen vier Jahrzehnte hat lediglich Lillehammer (1994) eine nennenswerte Weltcup-Nachnutzung erlebt, der Rest: Trümmerfelder (Sarajevo 1984), Ruinen (Turin 2006) oder Milliardengräber, die berüchtigten Weissen Elefanten.
Es wäre eine charmante Idee, beispielsweise die drei asiatischen Olympia-Orte Sapporo (Japan/1972), Pyeongchang (Südkorea/2018) und Peking (2022) zu einer Mini-Tournee zusammenzufassen. Es ist unrealistisch - abseits von Sapporo fehlt der (sport-)politisch-finanzielle Wille.
Immerhin Stefan Horngacher wird das freuen. (sid/bearbeitet von ska)
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