Am 24. Februar hat sich der Beginn des Krieges in der Ukraine zum dritten Mal gejährt. Angesichts des Jahrestages zieht UNICEF, das Kinderhilfswerk der UN, eine traurige Bilanz.
Andrii umarmt seine Mutter ganz fest. Der Zehnjährige aus Cherson, einer Stadt im Süden der Ukraine, hat sein ganzes Leben lang nichts anderes als Krieg erlebt. Im letzten Winter verlor er seinen Vater, seitdem muss Andrii sein Leben ohne ihn führen. "Ich mag es wirklich nicht, ohne Papa zu leben", sagt er. "Aber Mama tut alles für mich, sie versucht, dafür zu sorgen, dass es mir gut geht. Und ich versuche, sie im Gegenzug zu unterstützen."
Laut einer Befragung von UNICEF hat jedes fünfte Kind in der Ukraine seit der Eskalation vor drei Jahren einen nahen Angehörigen oder einen Freund verloren. Durch solche tiefgreifenden Verluste und die über allem schwebende Not des Krieges sind die Enwicklung und das Wohlergehen der ukrainischen Kinder in den kritischen Phasen ihres Lebens stark beeinträchtigt.
UNICEF sieht Kinder in der Ukraine in Gefahr
Laut UNICEF ist das Leben von 7,5 Millionen Kindern in der Ukraine in Gefahr. Dieses dritte Jahr des Krieges in der Ukraine war für Kinder noch tödlicher als das Vorjahr. Die Zahl der getöteten und verletzten Kinder stieg 2024 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 50 Prozent. Seit Februar 2022 wurden mehr als 2.520 Kinder getötet oder verletzt. Dies sind lediglich die von den Vereinten Nationen verifizierten Fälle; die tatsächliche Zahl ist vermutlich höher.
Die ersten Lebensjahre sind entscheidend
Kleinkinder in der Ukraine kennen oft nichts anderes als den Krieg. Das ist grade für sie besonders gefährlich, denn die Erfahrungen der ersten drei Lebensjahre beeinflussen ihre Gesundheit ein Leben lang. Auch die Fähigkeit zu lernen kann durch solche schwerwiegenden Erfahrungen in den ersten Lebensjahren deutlich beeinträchtigt werden. Eltern berichten, dass sie sich körperlich und seelisch erschöpft fühlen. Dies wiederum wirkt sich auf das Familienleben aus. Die Grundversorgung, auf die Kleinkinder und ihre Eltern angewiesen sind, wurde durch den Krieg unterbrochen.
"Tod und Zerstörung prägen bereits viel zu lange das Leben der Kinder in der Ukraine", sagt UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. "Dieses Ausmass an Gewalt verursacht unermessliche Angst und Not. Die Gewalt beeinträchtigt jeden Aspekt im Leben eines Kindes."
Wenn der Krieg zum Alltag wird
So wie andere Kinder ohne lange zu überlegen das Alphabet aufsagen können, weiss Andrii genau, was er zu tun hat, wenn er die Granaten nahen hört: "Es ist beängstigend, wenn eine Granate pfeift. Dann muss man sich schnell auf den Boden fallen lassen. Wenn eine Drohne kommt, musst du im Zickzack laufen - so hat sie weniger Chancen, dich zu treffen."

Viele Teenager, die sich ohnehin in einer komplexen Lebensphase befinden, geben an, dass sie sich oft so traurig und hoffnungslos fühlen, dass sie ihren üblichen Aktivitäten nicht mehr nachgehen können. Bei Mädchen sind diese Gefühle häufig noch präsenter.
Die Isolation durch den Krieg verschärft die Lage weiter
Die psychischen Herausforderungen für Kinder und junge Menschen in der Ukraine verschärfen sich durch die Isolation. Viele Kinder verbringen viele Stunden in Kellern und verpassen dadurch die Möglichkeit, sich mit Gleichaltrigen auszutauschen und zu lernen. Rund 40 Prozent der Kinder lernen ausschliesslich online oder mittels eines Hybridkonzepts aus Präsenz- und Online-Unterricht. Die Auswirkungen auf das Lernen sind tiefgreifend: Im Durchschnitt ergibt sich ein Bildungsrückstand von zwei Jahren im Lesen und von einem Jahr im Rechnen.
"Kinder müssen gemäss dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten immer vor den Auswirkungen des Krieges geschützt werden", sagt Russell. "Mehr als alles andere benötigen die Kinder in der Ukraine einen dauerhaften Frieden und die Chance, ihr Potenzial voll auszuschöpfen."
UNICEF ist in der Ukraine im Einsatz und versorgt unter anderem Kinder und Familien mit sauberem Trinkwasser, Winterkleidung und Medikamenten.
Verwendete Quellen:
- UNICEF-Pressemitteilung (englisch): One in five children in Ukraine has lost a relative or friend since the escalation of war three years ago