Die härteste Gegnerin war einst ihre "böse" Schwiegermutter: An diesem Sonntag wurde Michiko, die Ehefrau des emeritierten Kaisers Akihito, 90 Jahre alt. Gegenüber unserer Redaktion erläutert RTL-Adelsexperte Michael Begasse, warum Michiko für das Kaiserreich und vor allem für die weibliche, japanische Bevölkerung eine in vielerlei Hinsicht besondere Persönlichkeit ist.

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Mit ganz viel Respekt und Anerkennung für ihre Verdienste denken die Japanerinnen und Japaner an diesem Sonntag an ihre emeritierte Kaiserin. Fast 30 Jahre lang, bis zur Abdankung ihres Mannes Akihito (90) im Jahr 2019, hatte Michiko dieses Amt inne.

Ihren 90. Geburtstag darf die Mutter des aktuellen Kaisers Naruhito (64) in ihrer kaiserlichen Residenz verbringen. Dort war sie am 6. Oktober gestürzt und hatte sich einen Bruch des rechten Oberschenkels zugezogen. Eine Woche vor ihrem runden Ehrentag wurde sie aus der Klinik entlassen.

"Obwohl Michiko rund drei Jahrzehnte Kaiserin im einzigen existierenden Kaiserreich der Welt war, ist über sie hierzulande kaum etwas bekannt", sagt Michael Begasse. Auf Anfrage unserer Redaktion ordnet der RTL-Adelsexperte ihr Wirken und Schaffen ein. Genauso einzigartig wie die Monarchie im Land der aufgehenden Sonne sei auch Michikos Karriere in diesem Kaiserhaus.

Kaiserin Michiko: Bürgerliche, Christin und Intellektuelle

Begasse nennt drei wesentliche Gründe, warum die 90-Jährige aus Sicht der Bevölkerung eine ausserordentlich besondere Persönlichkeit war und heute noch ist. Der Experte spricht von einem "Dreiklang", der in den 1950ern, als sich Akihito und Michiko kennengelernt hatten, so rein gar nicht zur Kaiserfamilie passen wollte: "Erstens ist die frühere Kaiserin eine Bürgerliche. Zweitens ist sie nach christlichem Glauben erzogen worden. Dazu muss man wissen, dass in Japan der Shintoismus die Hauptreligion ist. Und drittens ist sie eine hochintelligente Frau, die in Harvard und Oxford studiert sowie ein abgeschlossenes Studium hat."

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Vor dem Hintergrund sei die Hochzeit des Paares im April 1959 ein Riesenskandal gewesen. Die Frau an der Seite des Kaisers hatte zu der damaligen Zeit öffentlich nicht gross in Erscheinung zu treten, sondern lediglich die Aufgabe, für Nachwuchs zu sorgen. Mit der Erziehung der Kinder hatten die Eltern im japanischen Kaiserhaus wiederum nichts zu tun – bis Michiko mit dieser Tradition brach. "Sie hat durchgesetzt, dass sie ihre drei Kinder (Kaiser Naruhito, Prinz Akishino und Prinzessin Nori; Anm.d.Red.) selbst erziehen durfte. Damit sorgte sie damals für einen Eklat am kaiserlichen Hof", erläutert Begasse und ergänzt: "Wir reden hier von einer Zeit vor 60, 70 Jahren – also keineswegs vom Mittelalter. Michikos Schicksal zeigt ganz klar, wie brutal die in der kaiserlichen Familie geltenden, strengen Regeln für jede Frau sind – ob eingeheiratet oder hineingeboren."

Begasse: "Bis heute haben Frauen in der japanischen Kaiserfamilie einen schlechten Stand"

Nach wie vor gilt in Japan die männliche Thronfolge. Aus diesem Grund wird Naruhitos Tochter, die 22-jährige Aiko, auch niemals den Chrysanthementhron besteigen. Auf Rang eins der Thronfolge steht mit Kronprinz Fumihito (58) der jüngere Bruder Naruhitos, gefolgt vom Neffen des Kaisers, Hisahito (18).

"Bis heute, im Jahr 2024, haben Frauen in der japanischen Kaiserfamilie einen schlechten Stand", weiss der Adelsexperte zu berichten. Politische Ambitionen, die Thronfolgeregelung zu ändern, gebe es im Moment nicht. "Dafür gibt es keine Mehrheit. Bereits der Rücktritt des damaligen Kaisers Akihito war eine Besonderheit. Es musste eigens die Verfassung geändert werden, damit seine Frau und er überhaupt in die royale Rente gehen durften."

Ihre härteste Gegnerin war ihre "böse" Schwiegermutter

Blickt man den beiden 90-Jährigen – Akihito wird am Tag vor Heiligabend 91 – heute in die Augen, lässt sich erahnen, dass die Liebe letztendlich gesiegt hat. Auch der Adelsexperte kommt zu diesem Schluss – allerdings nicht, ohne auf den steinigen Weg bis dorthin hinzuweisen.

Auf ihre härteste Gegnerin sei Michiko innerhalb der eigenen Familie getroffen, die grösste Hürde sei nämlich ihre "böse" Schwiegermutter gewesen: die frühere Kaiserin Kōjun (verstarb 2000 im hohen Alter von 97 Jahren). "Akihitos Mutter hat Michiko zu keiner Zeit als Schwiegertochter und künftige Kaiserin akzeptiert. Dadurch geriet Akihitos Ehefrau irgendwann in eine depressive Phase, verlor zwischenzeitlich sogar ihre Stimme", blickt Begasse zurück.

Der Michiko-Boom

Dass diese royale Lovestory ein Happy End haben sollte, ist zu einem Grossteil der Stärke und dem Durchhaltevermögen der zierlichen Ex-Kaiserin zu verdanken. Begonnen hatte die Liebesgeschichte übrigens auf einem Tennisplatz. Dort hatten sich die beiden passionierten Tennisspieler und Musiker – er ein leidenschaftlicher Cellist, sie eine talentierte Klavierspielerin – einst kennengelernt.

In der Bevölkerung avancierte Michiko mit der Zeit zum Vorbild einer ganzen Generation, vor allem in der weiblichen Gesellschaft. "Damals wurde sogar ein neues Wort kreiert: der Michiko-Boom. Die Japanerinnen setzten grosse Hoffnungen in diese junge Frau, weil sie so anders war und trotzdem bis heute immer ihren Weg gegangen ist. Sie hat versucht, für andere Frauen in die Bresche zu springen.

Gelungen ist ihr das allerdings leider nur ansatzweise", erklärt der Aldelsexperte. Die Beliebtheit der nun 90-Jährigen sei bis heute spürbar. Michiko sei eine lebende Ikone und eine Art moralische Instanz für die junge Gesellschaft. "Für jungen Menschen ist die frühere Kaiserin nicht einmal mehr die Oma, sondern die Uroma des Landes, die man mit ganz viel Respekt betrachtet." Eine Frau, deren Gesichtszüge ganz viel Wärme und Milde transportieren. Wenn sie eines Tages nicht mehr sein sollte, so Begasse, werde die Trauer im Land gross sein.

"Die Beziehung des japanischen Volkes zu ihrer Monarchie ist nicht vergleichbar mit dem royalen Geschehen in Europa"

Zu Michikos 90. Geburtstag wird es in Japan laut des royalen Experten keinerlei Boulevard-Berichterstattung geben: "Wir werden niemals erfahren, wie sie ihren Ehrentag genau verbracht oder welchen Kuchen sie vielleicht gegessen hat. Grundsätzlich werden in Japan rund um die Kaiserfamilie zwar Fakten berichtet, aber damit hört es auch schon auf", erklärt Begasse, der das asiatische Land persönlich besucht hat.

Die Beziehung des Volkes zu ihrer Monarchie sei nicht vergleichbar mit dem royalen Geschehen in Europa. Ein Bad in der Menge, so wie bei König Charles in Berlin im vergangenen Jahr, habe es in Japan noch nie gegeben. Den Grund dafür liefert der Adelsexperte mithilfe einer historischen Anekdote: "Als Japan nach dem Zweiten Weltkrieg kapitulieren musste, hielt der japanische Kaiser Hirohito (1926-1989; Anm d.Red.) eine Radioansprache. Damals fielen reihenweise Japanerinnen und Japaner in Ohnmacht, weil die Bevölkerung den Kaiser für einen Gott hielt. In diesem Moment hatte also Gott zu ihnen gesprochen."

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