Nachdem ein bearbeitetes Foto von Prinzessin Kate für Furore gesorgt hatte, machte der Kensington-Palast die Krebserkrankung der 42-Jährigen öffentlich. Experte Oliver Zöllner kritisiert übergriffige Sensationsgier von Medien und Publikum, hält die Kommunikationsstrategie der Royals aber für aus der Zeit gefallen.

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Alles begann Anfang des Jahres: Am 17. Januar gab der Kensington Palast bekannt, dass sich die Prinzessin von Wales am Vortag einer "geplanten Bauchoperation" in einer Londoner Klinik unterzogen habe. Der Zeitplan sah vor: Kate werde sich zehn bis 14 Tage im Krankenhaus erholen, und dann ihre Genesung zuhause fortsetzen. Es sei "unwahrscheinlich", dass sie ihre öffentlichen Aufgaben vor Ostern wahrnehmen werde.

Eigentlich war Kate damit bis Ostern aus der Öffentlichkeit abgemeldet, doch die lange Abwesenheit der Ehefrau des Prinzen von Wales, William, sorgte in den sozialen Netzwerken und den Medien für Spekulationen. Die Presse schrieb von der "verschwundenen Prinzessin" und fragte: "Wo ist Kate?"

Irgendwann kam eine Antwort, die auf den ersten Blick harmlos wirkte: Der Kensington Palast veröffentlichte ein Foto von Kate Middleton mit ihren drei Kindern George, Charlotte und Louis. Auf einer Veranda lächeln sie in die Kamera – Kate in der Mitte, ihre Kinder um sie herum. Das Foto erschien pünktlich zum britischen Muttertag. Es sollte das Signal senden: "Alles in Ordnung." Doch das Foto löste genau das Gegenteil aus: Ein PR-Desaster.

Video-Statement zur Krebsdiagnose

Denn kurz nach der Veröffentlichung stellte sich heraus: Das Bild wurde bearbeitet, erkennbar war das beispielsweise an der Nahaufnahme von Charlottes linkem Ärmel. Statt des Signals "Kein Grund zur Sorge" waren die Spekulationen angeheizt um das, was der Kensington-Palast zu verschleiern suchen könnte.

Kate entschuldigte sich auf "X" für "jegliche Verwirrung". Sie schrieb: "Wie viele Amateur-Fotografen experimentiere ich manchmal mit Bildbearbeitung." Wenige Tage dann danach: Ein Video-Statement, in dem die Prinzessin ihre Krebsdiagnose öffentlich macht.

Darin sagt Kate, auf einer Bank im Garten sitzend: "Im Januar unterzog ich mich in London einer grossen Bauchoperation, und damals ging man davon aus, dass ich nicht an Krebs erkrankt sei. Die Operation war erfolgreich. Bei Tests nach der Operation wurde jedoch festgestellt, dass Krebs vorhanden war." Sie bittet um "Zeit, Raum und Privatsphäre".

Dass sich die 42-Jährige offenbar so in die Ecke getrieben fühlte, die Öffentlichkeit über ihre Erkrankung zu informieren, stösst auch auf Kritik. So sagte beispielsweise die Königshausbeobachterin Jennie Bond gegenüber dem Fernsehsender "Sky News", die Entscheidung der Veröffentlichung sei wahrscheinlich wegen des Drucks getroffen worden. "Und ich finde, dass Kate niemals das Gefühl hätte haben sollen, dass es deswegen notwendig ist, sich vor eine Fernsehkamera zu setzen und sich zu ihrer Gesundheit zu äussern", sagt die Royal-Expertin. Das sieht auch Kommunikationswissenschaftler Oliver Zöllner so.

Seit Jahren im Fadenkreuz der Presse

Zöllner weist allerdings darauf hin, dass es wenig Schriftliches zur Kommunikationsstrategie der Royals gibt, vieles basiere auf stillen Übereinkünften zwischen Palastverwaltung und Medienunternehmen. Einiges bleibe daher Spekulation. Jedoch ist auch er sich sicher: "Der seit Wochen anhaltende mediale Druck und die immer wilder ins Kraut schiessenden Spekulationen bis hin zu Verschwörungserzählen scheinen Prinzessin Catherine dazu veranlasst haben, nun mit einer eigenen Erzählung an die Öffentlichkeit heranzutreten."

Prinzessin Catherine befinde sich seit vielen Jahren im Fadenkreuz der Presse. Das Foto von Kate und ihren Kindern habe die Debatte um die rätselhaften Fragen, was mit ihr los ist, ursprünglich stilllegen und beruhigen sollen.

"Durch die Bearbeitung ist Vertrauen verloren gegangen."

Oliver Zöllner, Kommunikationswissenschaftler und Medienethiker

Dass das Königshaus mit dem Foto die Debatte beruhigen wollte, schliesst Medienethiker Zöllner beispielsweise aus ähnlichen Ereignissen in der Vergangenheit: "2013, nach der Geburt des ersten Sohnes George, gierten die Medien und die Öffentlichkeit nach einem Foto des Neugeborenen", sagt Zöllner. Zwei Wochen nach der Entbindung hätten William und Catherine ihren Nachwuchs schliesslich in einem inszenierten Foto gezeigt. "Es zeigt die junge Familie auf dem Anwesen der Familie Middleton in Bucklebury – mit der Story eines vorgeblich spontanen Schnappschusses aus der Hand von Michael Middleton, Catherines Vater", sagt Zöllner.

Diesmal sei die "Beruhigung" jedoch misslungen. "Denn durch die Bearbeitung ist Vertrauen verloren gegangen", sagt Zöllner. Die Bild-Bearbeitung habe die Frage aufgeworfen, wie vertrauenswürdig das Königshaus als Quelle noch sei, meint Zöllner. Mehrere internationale Agenturen hatten das Bild zurückgezogen und mit einer sogenannten "kill notice" belegt. Mehrere Medienhäuser attestierten dem Palast im Nachgang ein Vertrauensproblem.

"Die Bilder verlieren für Nachrichten- und Bildagenturen sowie für Medienhäuser den dokumentarischen Wert. Hier hat das Königshaus absolut Vertrauen verspielt. Das ist schon eine grössere Krise", meint Zöllner.

Kommunikationsstrategie ist aus der Zeit gefallen

Die sehr zurückhaltende Kommunikationsstrategie des Königshauses hält der Experte für aus der Zeit gefallen. "Seit Jahrzehnten hatte die Familie Windsor eine stillschweigende Übereinkunft mit der Presse: Das, was wir euch geben, damit könnt ihr quasi machen, was ihr wollt, aber darüber hinaus geht es nicht. Diese Vereinbarung ist im Zeitalter der Social Media ein Stück weit hinfällig geworden", beobachtet Zöllner.

Der Kensington-Palast habe in einer feuerwehrartigen Situation im Nachhinein versucht, die Situation zu retten. "Er hat aber nie wirklich die Nachrichtenlage bestimmt und geht immer noch davon aus, er sässe sozusagen am längeren Hebel. Diese Machtlage hat sich inzwischen verkehrt. Das passt nicht mehr in die Gegenwart", analysiert der Experte.

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Soziale Medien bieten Raum für Spekulationen

Denn die sozialen Medien würden permanent Raum für Spekulationen bieten – der grösser werde, wenn das Königshaus ein Informationsvakuum entstehen lasse. Der Kensington-Palast hatte in einer ersten Ankündigung mitgeteilt, dass Kate für ihre Genesung bis nach Ostern eine Pause einlegen werde. Der lange Aufenthalt in der Klinik (13 Tage) und die noch längere Regenerationsphase hatten die Gerüchte jedoch weiter angeheizt.

"Die sehr hungrige Öffentlichkeit verlangt inzwischen nach sehr viel mehr", meint Zöllner. Ob das gerechtfertigt ist, sei eine ganz andere Frage. "Catherine, die Prinzessin von Wales, hat natürlich ein Recht auf Privatsphäre und Persönlichkeitsschutz. Sie ist nicht verpflichtet, ihre Erkrankung, welche Erkrankung es auch immer sein mag, in der Öffentlichkeit zu präsentieren", erinnert Zöllner.

Wie weit reicht der Privatsphärenschutz einer Prinzessin?

Jedoch sei die Prinzessin, anders als der durchschnittliche britische Bürger, eine öffentliche Person und eine der wesentlichen Repräsentanten des Landes und des Königshauses. "Hier ist es ein schwieriger Balanceakt und eine feine Abwägung, die man treffen muss. Wie weit reicht der Persönlichkeits- und Privatsphärenschutz des Individuums Prinzessin Catherine? Und ab welcher Stelle greift das übergeordnete öffentliche Interesse an einem zentralen Mitglied der königlichen Familie?", erklärt der Experte.

Hier gebe es keine eindeutige Linie, die man ziehen könnte. "Aber egal, wo man sie zieht: Es ist wichtig, offen damit umzugehen und auch seine Gründe dafür darzulegen, wieso man zum Beispiel nicht jedes Detail teilt", sagt Zöllner.

Kate

Von der Planung bis zur Veröffentlichung: So lange soll Herzogin Kate für Videobotschaft gebraucht haben

In einem Video auf Instagram verkündete Herzogin Kate, dass sie an Krebs erkrankt ist. Sie soll bereits vor etwa zwei Wochen beschlossen haben, sich öffentlich über ihre Erkrankung zu äussern. (Photocredit: picture alliance / ASSOCIATED PRESS/Uncredited)

Neue Vereinbarung mit den Medien

Seiner Meinung nach braucht der Kensington Palace eine neue Vereinbarung mindestens mit den britischen Medien. "Er muss verabreden, was heutzutage angemessen ist an Informationen und Informationsbedürfnissen – und auch, was nicht", sagt Zöllner.

Dabei hat der Medienethiker nicht nur Kate selbst im Blick – sondern auch ihre Kinder. "Was bedeutet es für sie, wenn sie in zehn oder 20 Jahren vielleicht grausige Details rekonstruieren können, wie ihre Mama damals so schwer erkrankt war?", fragt der Experte. Jeder Mediennutzer müsse sich fragen, woher er das Recht auf Informationen in einer so privaten und intimen Frage wie einer Krebserkrankung nehme und seine eigene Sensationsgier überdenken. "Es ist immer noch ein Mensch, der dort möglicherweise sehr schwer erkrankt ist", sagt Zöllner.

"Zwar haben sich die medialen Bedingungen geändert, aber es wiederholt sich eine Geschichte, die für die beiden heutigen Prinzen William und Harry bis heute sehr traumatisch ist."

Oliver Zöllner, Kommunikationswissenschaftler und Medienethiker

In Teilen fühlt er sich an den Fall von Prinzessin Diana erinnert. Sie starb 1997 nach einer Verfolgungsjagd mit Paparazzi in Paris. William und Harry waren damals zwölf und 15 Jahre alt.

"Zwar haben sich die medialen Bedingungen geändert, aber es wiederholt sich eine Geschichte, die für die beiden heutigen Prinzen William und Harry bis heute sehr traumatisch ist", sagt Zöllner. Es sei Aufgabe der Medien und des Publikums, daran mitzuwirken, dass sich solche überbordende Sensationsgier nicht wiederhole.

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Oliver Zöllner ist Kommunikationswissenschaftler und Medienethiker an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Er hat unter anderem die Hintergründe der Verbreitung des berühmten ersten öffentlichen Fotos von Prinz George wissenschaftlich erforscht. Nachzulesen ist dies in seinem Buchbeitrag „Das Picknick von Bucklebury: ein Genrebild erfolgreicher Herrschaftsdiskurse im Medienzeitalter“ von 2019.

Verwendete Quellen

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