Wenn King Charles III. im Deutschen Bundestag spricht, sind fast alle da. Der britische Monarch unterstreicht in seiner Rede die vielen Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Grossbritannien. An einer Stelle wird er politisch – und tut damit etwas, was bei seiner Mutter, Queen Elizabeth II., wohl undenkbar gewesen wäre.

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Vermutlich ist König Charles III. der einzige Brite, vielleicht sogar der einzige Mensch, der die Beatles und Kraftwerk in einem Satz nennt. Bei seiner Rede im Deutschen Bundestag nutzt der britische Monarch diese beiden Bands als Beispiel dafür, dass sich Deutschland und Grossbritannien gegenseitig für vielerlei Dinge Bewunderung schenken würden – abseits etwa vom Nachtleben Berlins, für das viele Briten in die deutsche Hauptstadt reisten.

Wenn der britische König in den Bundestag kommt, sind fast alle anwesend. Obwohl es zunächst nicht unbedingt danach aussieht. Etwa eine Stunde, bevor die Plenarsitzung an diesem Donnerstag für Charles' Rede unterbrochen wird, ist gut die Hälfte der Plätze belegt. Je näher 12 Uhr rückt, desto unruhiger wird es im Plenarsaal.

Die Besuchertribünen füllen sich immer mehr, überall klicken die Fotoapparate, werden die Fernsehkameras in Position gebracht. Dazwischen nehmen die Journalisten aus dem United Kingdom Platz und fachsimpeln über Charles' und Camillas Auslandsreise nach Berlin. Irgendwann muss Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) sogar um Ruhe bitten. Der Deutsche Bundestag ist nicht das britische House of Commons.

Dann kommen nach und nach immer mehr Mitglieder des Bundestags. Annalena Baerbock, Robert Habeck und Cem Özdemir (Grüne) nehmen Platz, auch Christian Lindner (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Friedrich Merz (CDU) sind da, auf der Tribüne sitzen die ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck und Christian Wulff. Vor dem Rednerpult wird extra Blumenschmuck drapiert.

Charles' spricht über den Krieg in der Ukraine – wäre bei der Queen undenkbar gewesen

Als König Charles III. mit Queen Consort Camilla, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schliesslich pünktlich den Plenarsaal betritt, klicken noch ein paar Fotoapparate mehr, werden noch ein paar Handyvideos zusätzlich gedreht. Ein historischer Moment – zwar ist es nicht Charles' erste Rede an diesem Ort. Bei seiner letzten zum Volkstrauertag 2020 war er aber noch Prince of Wales, Thronfolger. Jetzt ist er König.

Das bedeutet auch, dass seine Mutter, Queen Elizabeth II., nicht mehr lebt. Sie und ihre Liebe für Deutschland unterstreicht Charles gleich zu Beginn seiner Rede. 15 offizielle Reisen nach Deutschland habe die Queen im Laufe ihres Lebens gemacht, zum ersten Mal 1965, als unser Kontinent noch schwer gezeichnet vom Krieg gewesen war. Doch dieser Besuch sei ein entscheidender Moment in der Versöhnung zwischen Deutschland und Grossbritannien gewesen. "Meine Mutter wusste, welche enorme Errungenschaft diese Versöhnung bedeutete und mit ihren vielen Besuchen in Deutschland wollte sie ihren Beitrag dazu leisten", sagt Charles. "Vielleicht ist das der Grund, warum sie sich einen besonderen Platz im Herzen der Deutschen erobert hat."

Er hält einen Grossteil der Rede auf Deutsch, grammatikalisch perfekt und mit nur minimalem Akzent. Dass er so hervorragend Deutsch spricht, hat er vermutlich seinem Vater, Prinz Philip, zu verdanken. Dieser entstammte dem deutsch-dänischen Adel und sprach ebenfalls perfekt Deutsch.

Vielleicht ist auch schon seine Herkunft ein Grund dafür, dass König Charles die Gemeinsamkeiten und die Verbundenheit zwischen Deutschland und Grossbritannien immer wieder hervorhebt und betont. Im Namen seiner "family" – das Wort spricht er konsequent auf Englisch aus – bedankt er sich für die aussergewöhnliche Anteilnahme nach dem Tod seiner Mutter. "Meine family und ich waren zutiefst berührt von den Reaktionen aus Deutschland."

In seiner Rede lässt es der Monarch auch nicht aus, über den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Queen Elizabeth hätte sich wohl zu diesem Thema nicht geäussert; es ist durchaus ungewöhnlich, dass ein britischer König so politisch wird – und somit tut Charles etwas, was bei seiner Mutter undenkbar gewesen wäre. In den ersten Monaten seiner Regentschaft zeichnete sich bereits ab, dass Charles wohl nicht stets den Leitspruch der Queen übernehmen wird: "Never complain, never explain" ("Nie beschweren, nie erklären") wurde ihr zeitlebens zugeschrieben.

König Charles hingegen wird direkt und bescheinigt Deutschland und Grossbritannien eine "Führungsrolle bei der Unterstützung der Ukraine" im russischen Angriffskrieg und würdigt den "Entschluss Deutschlands, der Ukraine so grosse militärische Unterstützung zukommen zu lassen". Das sei "überaus mutig, wichtig und willkommen".

Standing Ovations nach der Rede

Der Krieg habe "unvorstellbares Leid über so viele unschuldige Menschen gebracht. Zahllose Leben werden zerstört und Freiheit und Menschenwürde brutal mit Füssen getreten". Charles unterstreicht: "Die Sicherheit Europas ist ebenso bedroht wie unsere demokratischen Werte. Aber wir können Mut schöpfen aus unserer Einigkeit zur Verteidigung der Ukraine, des Friedens und der Freiheit." Der Applaus nach diesem Satz dauert diesmal länger als sonst.

Überhaupt wird Charles' Rede immer wieder von Applaus unterbrochen – auch Queen Consort Camilla applaudiert – und von Gelächter, zum Beispiel, als er "Dinner for One" erwähnt. Der Sketch ist in Grossbritannien kaum bekannt und so hofft der König, dass dieser "kein korrektes Bild des modernen Grossbritanniens vermittelt". Am Ende der Rede, die etwa eine halbe Stunde dauert, gibt es Standing Ovations, ausnahmslos jeder im Plenarsaal steht auf.

Dann muss Charles direkt weiter. Er hat einen strengen Zeitplan auf seiner dreitägigen Deutschlandreise. Am Nachmittag besucht er unter anderem das Ökodorf Brodowin in Brandenburg, am Freitag geht es nach Hamburg. Dass Charles in seiner ersten Auslandsreise als König Deutschland besucht, hat Symbolcharakter. Bei seinem nächsten Staatsbesuch wird er dann auch offiziell zum König gekrönt sein.

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