Nahezu alle Regierungen dieser Welt haben sich in den vergangenen Tagen mit der Ukraine solidarisch erklärt und den von Wladimir Putin vor einer Woche begonnenen russischen Angriffskrieg scharf verurteilt. Das gilt auch für die Mitglieder der europäischen Königshäuser, die sich offiziell zwar nicht politisch äussern dürfen, zuletzt aber klare Zeichen gesetzt haben. Von Grossbritannien über Norwegen bis nach Monaco: Die Royals sprechen in Zeiten des Krieges dieselbe Sprache. Und nicht immer sind dafür Worte nötig.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen des Autors bzw. des zu Wort kommenden Experten einfliessen. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

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Dass Schweigen manchmal erstaunlich laut sein kann, hat Queen Elizabeth II. dieser Tage eindrucksvoll bewiesen. Ursprünglich wollte die Regentin am Mittwoch auf Schloss Windsor einen Empfang für 500 Diplomaten geben. Dieser Termin wurde jedoch kurzfristig ausgesetzt – und zwar nicht aufgrund der jüngsten Corona-Infektion der 95-Jährigen. Hinter der Absage steckt wohl etwas ganz anderes, wie Michael Begasse auf Nachfrage unserer Redaktion erläutert.

"Die Queen ist eine sehr weise Frau. Hätte dieser Empfang stattgefunden, wäre auch der russische Botschafter dabei gewesen. Sie hätte ihm die Hand reichen müssen, das Foto wäre um die Welt gegangen. Und es wäre von russischer Seite medial ausgeschlachtet worden", ist sich der Adelsexperte sicher.

Stattdessen machten Fotos die Runde, auf denen eine wieder genesene Königin zu sehen ist, die im Homeoffice ihrer täglichen Arbeit nachgeht. Ein deutliches Statement, ohne ein Wort gesagt oder geschrieben zu haben – untermauert mit einem Kleid in Grün, der Farbe der Hoffnung.

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Wie ist das Verhältnis zwischen der britischen Königin und dem Kremlchef?

Wie das Verhältnis zwischen der Queen und Kremlchef Wladimir Putin grundsätzlich ist, geht daraus allerdings nicht hervor. Kennen sich die beiden überhaupt persönlich? Die Antwort lautet: Ja. Wie uns Begasse bestätigt, begegneten sich die Königin und Putin in der Vergangenheit mindestens dreimal. Eines dieser Treffen ist dem Adelsexperten bis heute ganz besonders im Gedächtnis geblieben.

Denn: Diese Anekdote aus dem Jahr 2003 zeigt wohl, wie die Queen über den Kremlchef denkt. "Damals war Putin im Buckingham Palast zu Gast, er übernachtete sogar dort. Anstatt der Majestät mit Respekt gegenüberzutreten, liess er sie geschlagene 15 Minuten lang warten – ohne eine Entschuldigung vorzubringen", erinnert sich Begasse. Elizabeth II. habe, obwohl sie eine grosse Abneigung gegen schlecht erzogene Menschen hat, zunächst keine Miene verzogen. Eine Antwort liess dennoch nicht lange auf sich warten, wie der Adelsexperte zu berichten weiss: "Als Putin dann endlich zu dem offiziellen Termin erschien, wurde er erst einmal von einem Spürhund angeknurrt. Und wie reagierte die Queen? Sie beugte sich zu dem Hundeführer rüber und sagte: 'Hunde haben einen sehr guten Instinkt.'"

"W & C": William und Kate sprachen als Privatpersonen

Es sind diese kleinen, teils auch versteckten Botschaften, mit denen royale Staatsoberhäupter ihre Haltung zum Ausdruck bringen können. Viel mehr ist ihnen nicht gestattet, verrät Begasse: "In allen europäischen Monarchien, die ja keine absoluten Monarchien sind, liegt die politische Macht bei der Regierung beziehungsweise beim Parlament. Dementsprechend verkündet das royale Staatsoberhaupt nur das, was die politisch gewählten Regierungen beschlossen haben. Eigene Meinungen sind daher eigentlich ein No-Go."

Und wenn sich die Royals dann doch auf eine Seite schlagen wollen, dann kommt es auf die Formulierung an – sowie auf die Frage, in welcher Funktion sie sich zu Wort melden. Prinz William und seine Ehefrau Kate etwa entschieden sich dieser Tage dazu, ihr Statement über die sozialen Netzwerke als Privatpersonen zu kennzeichnen.

Ihren Post, in dem sie an ein gemeinsames Treffen mit Wolodymyr Selenskyj aus dem Oktober 2020 erinnerten und erklärten, dass sie an der Seite des ukrainischen Präsidenten und aller Ukrainer stünden ("während sie tapfer für diese Zukunft kämpfen"), unterzeichneten William und Catherine mit den Initialen "W & C". Für diesen Schritt werden der Herzog und die Herzogin von Cambridge im Netz gefeiert.

Prinz Charles und die Herzogin von Cornwall

Britisches Thronfolgerpaar zeigt emotional seine Solidarität mit Ukraine

Prinz Charles und die Herzogin von Cornwall haben am Mittwoch eine ukrainisch-katholische Kathedrale in London besucht. Die Gedanken und Gebete des Thronfolgerpaares, "so unzureichend sie auch sein mögen", seien bei der ukrainischen Gemeinschaft.

Williams Bruder Harry und dessen Frau Meghan, die seit ihrem Abschied vom Königshaus keine offizielle Funktion mehr haben, müssen von solchen diplomatischen "Tricks" keinen Gebrauch machen. Auf der Webseite ihrer Wohltätigkeitsorganisation Archewell nannten sie das Kind beim Namen, indem sie auf den "Verstoss gegen internationales und humanitäres Recht" hinwiesen.

Der Appell der in den USA lebenden Sussex-Familie: "Prinz Harry und Meghan, der Herzog und die Herzogin von Sussex, und wir alle bei Archewell stehen an der Seite des ukrainischen Volkes. Wir ermutigen die globale Gemeinschaft und ihre Anführer, dasselbe zu tun."

Die Royal Family und ihre moralische Verantwortung auf Grundlage der Vergangenheit

Klar Stellung bezogen hat auch Prinz Charles, ohne dabei den Namen "Putin" in den Mund zu nehmen. "Das ist seine Form von Fingerspitzengefühl. Charles spricht nicht als künftiger König, aber auch nicht als Privatmann", erläutert Begasse. Der 73 Jahre alte Thronfolger machte in seinem Statement unter anderem deutlich, dass in der Ukraine demokratische Werte "auf die skrupelloseste Weise" attackiert würden. "Wir sind solidarisch mit all jenen, die sich brutaler Aggression widersetzen", sagte der Sohn der britischen Königin bei einem Besuch in Southend-on-Sea.

So unterschiedlich die Zwischentöne der Reaktionen aus London auch sein mögen, laut Begasse gibt es einen gemeinsamen Nenner: "Ob Königin Elizabeth II., Prinz Charles oder die neue Generation der Royal Family um William und Kate - die britischen Royals, insbesondere die jungen, wissen genau, welche moralische Verantwortung sie auf Grundlage ihrer eigenen blutigen Vergangenheit für die Zukunft haben."

Damit verweist der Adelsexperte auf die koloniale Historie der Briten, die erst 1997 mit der Rückgabe Hongkongs an China abgeschlossen war und die man daher nicht ausser Acht lassen dürfe: "Wie viele Menschen sind im Namen eines Königs oder einer Königin von England umgebracht oder unterjocht worden? Für die britischen Royals gibt es keine Alternative zu Europa und zu einer friedlichen Mitgliedschaft in der Weltgemeinschaft. Sie haben aus ihrer Geschichte gelernt – und sie lernen immer noch."

Fürst Albert II. von Monaco lässt Geld der Oligarchen einfrieren

Reaktionen zur russischen Invasion der Ukraine sind seit Kriegsbeginn nicht nur aus Grossbritannien, sondern auch von nahezu allen anderen europäischen Königshäusern zu vernehmen. Während das norwegische Kronprinzenpaar Haakon und Mette-Marit in Oslo an einem Friedensgottesdienst teilnahm und symbolisch Kerzen entzündete, brachte das niederländische Königspaar Willem-Alexander und Máxima sein "tiefes Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine" zum Ausdruck.

Eine Ausnahmestellung nimmt indes Monaco ein. Albert II. kündigte Ende Februar in einer offiziellen Mitteilung an, das Geld russischer Oligarchen, die im Fürstentum bekanntlich alles andere als selten anzutreffen sind, einzufrieren. Diese Sanktion des Fürsten könnte nach Ansicht Begasses eine wichtige strategische Rolle einnehmen: "Die Megareichen werden merken, dass sie nicht willkommen sind und dass ihr Geschäft vielleicht doch nicht mehr so gut läuft wie ursprünglich angenommen. Als Politikwissenschaftler bin ich der Auffassung, dass Putin nicht durch das Volk, sondern durch die Oligarchen gestürzt werden könnte."

Die Hoffnung auf ein baldiges Ende von "Putins Krieg" vereint alle gekrönten Häupter Europas von Grossbritannien über Norwegen bis Monaco. Ob dabei Sanktionen, Oligarchen, mahnende Worte oder mit einem sehr guten Instinkt ausgestattete Hunde das Zünglein an der Waage sein werden, ist letztendlich zweitrangig.

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