Die Ausreise des emeritierten Königs Juan Carlos verstärkt die Debatte um die Zukunft der spanischen Monarchie. Welche politische Rolle das Königshaus spielt - und wie wahrscheinlich es ist, dass die Monarchie gar ganz abgeschafft wird.

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Es gab Zeiten, da war die spanische Krone die mächtigste der Welt, in diesen Tagen sieht die Lage der Casa Real weitaus weniger glanzvoll aus: In der vergangenen Woche hatte der ehemalige König Juan Carlos Spanien verlassen, spanische Medien berichteten teilweise von einem Aufbruch in Richtung Portugal, andere spekulierten über einen Aufenthalt in der Dominikanischen Republik.

Mittlerweile sei der 82-Jährige jedenfalls an einem Privatstrand in Abu Dhabi angelangt, vermeldete am vergangenen Freitag die Zeitung ABC, die in Angelegenheiten der spanischen Monarchie als gut vernetzt gilt. Und hier, zwar nicht unbedingt am Strand, aber doch in den Arabischen Emiraten, liegt einer der Ursprünge, die wohl zu dem fluchtartigen Aufbruch des "rey emérito" - so sein offizieller Titel - geführt haben.

Es geht um Schmiergeld in Millionenhöhe, das Juan Carlos erhalten haben soll, weil er den Grossauftrag des Schnellzuges Mekka nach Medina an die spanische Industrie vermittelte. Er selbst erklärte seinen Aufbruch mit dem Versuch der Ehrenrettung der spanischen Krone, und zumindest sein Nachfolger Felipe VI. bedankte sich bei seinem Vater für dessen Unterstützung, damit den Palast zu stärken.

Der spektakuläre Abschied von Juan Carlos ist aber nicht allein eine boulevardeske Erzählung der Royals, sondern erweckt eine Diskussion um den Zustand der spanischen Monarchie. Regelmässig wenden sich im Land Proteste gegen die Monarchen, zuletzt durch lautes Töpfeschlagen von spanischen Balkonen. "Corona Ciao", riefen sie im März - und meinten dabei nicht das Virus, sondern die spanische Krone.

Experte: "Für viele ist die Monarchie ein Symbol für das, was faul ist"

"Für viele ist die Monarchie ein Symbol für das, was insgesamt faul ist in diesem Land und seiner Politik", sagt Peter A. Kraus, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Augsburg. Kraus ist selbst deutsch-katalanisch, hat vielfach zur Politik Spaniens publiziert und kennt die Komplexität der Konflikte, welche sich um das Land und seine Monarchie ranken.

"Spanien ist eine Demokratie, die massiv unter ihrer Vergangenheit leidet", fasst er zusammen. Dass es in Spanien nie eine aktive Bewältigung der Vergangenheit gegeben habe, weder der Imperialgeschichte noch der Franco-Diktatur, wirkt sich auch auf die heutigen Proteste aus.

König Juan Carlos führte Spanien nach Franco in die Demokratie

Als der spanische Diktator General Francisco Franco 1975 starb, übergab er die Regentschaft direkt an König Juan Carlos, welcher die Spanier in den Jahren darauf in die Demokratie führte. Allein aus diesem Grund bleibt der emeritierte König eine historische Figur - und steht symbolisch einerseits für den Siegeszug der Demokratie, andererseits aber auch für ein politisches System, das direkt aus der Diktatur erwachsen ist.

Heute sei die Monarchie eher als Belastung aus der Vergangenheit anzusehen - eine Malaise, die für die gesamte Politik in Spanien gelte, so Kraus. Im vergangenen Jahr hatte es Ministerpräsident Pedro Sánchez nicht geschafft, eine Regierungskoalition zu bilden, es gab Neuwahlen, der katalanische Konflikt verstärkte sich und erstmals gewann auch in Spanien eine rechtspopulistische Partei an Aufwind.

"Gleichzeitig veranstaltet das Establishment eine Dauerfiesta auf Kosten der Bevölkerung - und das zu obskuren und teilweise kriminell anmutenden Bedingungen", beschreibt Kraus die Wirkung der spanischen Eliten auf die Bevölkerung. Mittendrin im Getümmel: die spanische Krone.

Vor allem Basken, Katalanen und Republikaner fordern Abschaffung

Dabei könnte der Eindruck entstehen, König Felipe VI. arbeite hart daran, das angeknackste Bild des spanischen Königshauses zu retten - seiner Schwester Christina entzog er einst den Titel der Herzogin von Palma, als diese der Korruption angeklagt wurde, selbst schlug er das finanzielle Erbe seines Vaters aus. So ganz scheint ihm dies aber nicht zu gelingen, immerhin rückt auch seine eigene Regentschaft in den Fokus der Debatte.

Die "Süddeutsche Zeitung" betitelte die spanische Monarchie als "Spaltpilz", die "Frankfurter Allgemeine" kommentierte, Felipe müsse "endlich Brücken bauen". Die spanische Monarchie könnte eigentlich eine einende Rolle spielen, so sieht das auch Kraus - doch was der spanische König initiiere, sei nicht nur sehr wenig, sondern komme eben auch sehr spät.

Die Menschen, die sich gegen die Krone wenden, eint der Protest gegen diese Institution und wofür sie sinnbildlich steht: "Die Kontinuität der Kräfte des alten Establishments im neuen Establishment und auch die Korruption, die der spanischen Politik schon seit langem anhaftet und systemisch ist", sagt Kraus.

Dabei ist der König nicht überall unbeliebt, denn in weiten Teilen der Bevölkerung gebe es nach Kraus noch immer eine "Nostalgie nach vergangener Grösse" - und auch diese wird eben mit der spanischen Krone verknüpft. Hier werde die Monarchie wie ein "Götzenheiliger bei der Wallfahrt vor sich hergetragen" - es gehe nicht mehr darum, wer etwas mache oder wie, sondern um die Krone als Symbol der spanischen Nation. Genau aus diesem Grund fordern andere ihre Absetzung: Allen voran die Basken, die Katalanen und alle Republikaner im Land.

Kann man die spanische Krone einfach abschaffen?

Würde das denn überhaupt so einfach gehen, die spanische Krone abzuschaffen? "Ohne eine neue Verfassung ist die Absetzung der Monarchie nahezu unmöglich", sagt Kraus.

Erstens müsste es dafür eine Mehrheit im Parlament geben, die sich mit dem aktuellen Parteienverhältnis nicht finden würde, da die Monarchiebefürworter in der Überzahl sind. Zweitens wäre das Ganze ein sehr aufwendiger Prozess, das Vorhaben müsste in mehreren Schritten politisch bestätigt werden und letztlich in einem Referendum bestehen.

Experte: Konflikte erinnern an Spanischen Bürgerkrieg

Die Konflikte, die Politikwissenschaftler Kraus heute in Spanien beobachtet, erinnern ihn an die des Bürgerkrieges von 1936, auch in ihrer Komplexität. Die Situation der spanischen Politik und ihrer Monarchie dabei auf ein Aufbegehren der Bürger gegen ein korruptes Establishment zu reduzieren, wäre zu kurz gegriffen.

Der Spanien-Experte sieht das Land in einer "absolut schwierigen Gemischlage, die auch keine Lösung in naher Zukunft erwarten lässt". Trotz oder gerade aufgrund der belastenden Situation, in der sich Spanien und seine Monarchie gerade befinden.

Über den Experten: Prof. Dr. Peter A. Kraus ist Professor für Politikwissenschaften an der Universität Augsburg. Der Deutsch-Katalane wurde in Barcelona geboren und hat vielfach zur Politik Spaniens publiziert.

Verwendete Quellen:

  • Peter A. Kraus (Prof., Dr. phil., Dipl.-Soz. Vergleichende Politikwissenschaft / Institut für Kanada-Studien Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät Universität Augsburg)
  • Dpa
  • AFP
  • ABC.es "El primer viaje del Rey Juan Carlos fue el lunes de Vigo a Abu Dabi"
  • SZ.de: Die Monarchie ist ein Spaltpilz für Spanien
  • FAZ.net: Felipes letzte Chance
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