Zum Beginn der Internationalen Filmfestspiele gibt es ein Ständchen für Kosslick. Jurypräsidentin Juliette Binoche freut sich über die Frauen im Wettbewerb. Und über allem schwebt die Frage, wie es mit dem Kino weitergeht.
Die Berlinale rückt die Frauen in den Fokus - zumindest schon mal auf einem T-Shirt. Zum Beginn des Filmfestivals trug Jurymitglied Rajendra Roy einen Spruch auf dem Oberteil: "The Future of Film is Female" - "die Zukunft des Films ist weiblich". Das war auch Festivaldirektor Dieter Kosslick wichtig. Immerhin holte er bei seiner letzten Berlinale so viele Regisseurinnen wie noch nie in den Wettbewerb.
Tatsächlich sind in diesem Jahr 7 von 17 Wettbewerbsfilmen unter weiblicher Regie entstanden. Das ist noch immer nicht die Hälfte, aber mehr als zuletzt in Cannes oder Venedig. Auch den Ehrenbär bekommt mit Charlotte Rampling eine Frau. Für die diesjährige Jurypräsidentin Juliette Binoche ist der Frauenanteil im Wettbewerb "ein gutes Zeichen": "Das ist ein guter Schritt nach vorn."
Das Politische im Privaten
Die Internationalen Filmfestspiele Berlin gehören zu den wichtigsten Festivals der Welt. Ein Markenzeichen: die Förderung des politisch engagierten Kinos. Diesmal sucht die Berlinale das Politische im Privaten.
Und so erzählt bereits der erste, direkt nach der Gala gezeigte Wettbewerbsfilm eine private Geschichte. "The Kindness of Strangers" von der dänischen Regisseurin Lone Scherfig spielt im Winter in New York. Eine Mutter haut mit ihren Kindern vor dem gewalttätigen Ehemann ab. In der anonymen Millionenmetropole trifft sie auf hilfsbereite Fremde.
Der Film hat einige nette, ironische Momente. Insgesamt pendelt er aber etwas unentschlossen zwischen Suppenküche und Notunterkunft, Designerhandtasche und Kaviar. "The Kindness of Strangers" zeigt New York fast als Dorf, in dem sich alle immer wieder treffen. Eigentlich gibt es genug Potenzial für Gefühlskino, aber so richtig berührend wird es nicht. Die Charaktere wirken etwas zu selbstlos.
Lone Scherfig jedenfalls sieht sich verpflichtet, Filme über Themen zu machen, die ihr dringlich erscheinen - in diesem Fall das Miteinander der Menschen. "Mir ist es gerade in unserer Zeit wichtig, auch zu sagen: "Ja, die Welt ist komplizierter geworden, aber es gibt Licht am Ende des Tunnels"", sagte sie in Berlin.
Wehmut über Kosslicks Abschied
Zur Weltpremiere am Abend kamen Gäste wie Iris Berben, Andie MacDowell, Wim Wenders und Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) mit seiner Partnerin, der Schauspielerin Natalia Wörner. Bei vielen Gästen war ein wenig Wehmut über Kosslicks Abschied zu spüren - der 70-Jährige leitete die Filmfestspiele fast zwei Jahrzehnte lang. Moderatorin Anke Engelke und Sänger Max Raabe brachten Kosslick bei der Eröffnungsgala daher noch ein Ständchen.
Ob "The Kindness of Strangers" einen Preis verdient hat, entscheidet am Ende die Jury. Unter den 17 Wettbewerbsfilmen sind auch Beiträge von drei deutschen Regisseuren. Gleich an diesem Freitag geht Nora Fingscheidt mit "Systemsprenger" ins Rennen, am Samstag kommt Fatih Akins Horrorfilm "Der Goldene Handschuh".
Debatten wird es aber nicht allein um die Filme geben, das hatte Direktor Dieter Kosslick schon vorab klar gemacht. Der 70-Jährige leitet die Berlinale zum letzten Mal. Für Diskussionen wird diesmal auch ein US-Unternehmen sorgen. Mit Isabel Coixets "Elisa y Marcela" läuft ein Film des Streamingdienstes Netflix im Wettbewerb.
Das wäre in Cannes nicht möglich gewesen, in Venedig dagegen schon. Aber warum eigentlich der Hickhack um Regeln zu Netflix? Streamingdienste produzieren immer mehr Filme, die sie schnell online stellen. Dort kann man sie gegen Bezahlung sehen, oft aber nicht im Kino. "Roma", der Gewinnerfilm aus Venedig, zum Beispiel lief nur kurze Zeit in wenigen Kinos.
Die Kinobetreiber ärgert das, weil sie um ihr Geschäftsmodell fürchten. Die Besucherzahlen in Deutschland sind zuletzt ohnehin drastisch gesunken. Dass Kosslick nun einen Netflix-Film im Wettbewerb zeigt, wird also zwiespältig aufgenommen. Kosslick betont, dass "Elisa y Marcela" in Spanien ins Kino kommen soll.
Wie hält es die Berlinale mit dem Kino?
"Die Berlinale muss sich entscheiden: Will sie ein Kinofilmfestival sein oder ein Fernsehfilmfestival?", sagt Christian Bräuer vom Verband AG Kino - Gilde deutsche Filmkunsttheater. Im Raum schwebt also während des Festivals auch die K-Frage: Wie hält es die Berlinale mit dem Kino? Und wie geht es in der Branche weiter?
Erstmal gibt es nun einigen Glamour mit Stars wie Catherine Deneuve, Diane Kruger und
Kritiker überstehen den Marathon mit viel Kaffee, Schokolade und kurzen Nickerchen zwischendurch. Viele Fans stehen schon morgens in der Kälte an den Absperrungen, um irgendwann einen Blick auf einen Star oder ein Autogramm zu ergattern. Das spricht gegen das gern beschworene Ende des Kinos. Jurymitglied Sebastián Lelio glaubt fest an ein Überleben der Kinos: Der Tod des Kinos sei schon oft erklärt worden. Aber alle wissen: Bisher hat es überlebt. (dpa / mg)
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