Best of 2023: Das waren die besten Streaming-Serien und -Filme des Jahres

Eigentlich scheint sich für Lena (Kim Riedle) und ihre Kinder Jonathan (Sammy Schrein) und Hannah (Naila Schuberth) zu Beginn der Netflix-Serie "Liebes Kind" alles zum Guten zu wenden – endlich. Nach einer gefühlten Ewigkeit in der Gefangenschaft eines gesichtslosen Unterdrückers glückt zunächst Lena und ihrer Tochter die Flucht. Doch die Realität hält ihre ganz eigenen Prüfungen parat.

Wer auf leichte Unterhaltung aus ist, sollte wohl eher einen Bogen um "Liebes Kind" machen. Die Serie taucht ohne Hemmungen in die kaputten Leben der Hauptcharaktere ein. Versagensangst, enttäuschte Hoffnungen und Psychosen – die Miniserie geht an die Nieren. Doch die Mischung aus Entführungsthriller, kriminalistischem Rätselraten und Familiendrama überzeugt auf ganzer Linie.

Klaus Barkowsky (Aaron Hilmer) hat grosse Ziele: Er will die Reeperbahn rocken. Und tatsächlich kommt der dauergrinsende Sunnyboy auf der Hamburger Vergnügungsmeile der 1980er Jahre gut an. Schon bald scharen sich in "Luden - Könige der Reeperbahn" (bei Prime Video) einige Frauen um den Charmeur und treiben für ihn im ältesten Gewerbe der Welt Geld ein.

Auf der Reeperbahn geht es hart zu: Konflikte werden mit den Fäusten ausgetragen. Die Macher der sechsteiligen Amazon-Serie setzen den ganz eigenen Kosmos des legendären Strassenzuges mit detailgetreuen Kulissen um. Weil auch das Ensemble gross aufspielt und der Plot Überraschungen bereithält, darf sich "Luden" als eines der Serien-Highlights 2023 rühmen.

Im April 2017 war die Euphorie bei Borussia Dortmund gross: Das Team rechnete sich im Champions-League-Viertelfinale gegen die AS Monaco gute Chancen auf ein Weiterkommen aus. Doch bei der Anreise vom Mannschaftshotel zum Signal Iduna Park folgte der Schock: Mehrere Sprengsätze detonierten, beschädigten den Mannschaftsbus und verletzten den Abwehrspieler Marc Bartra.

"Der Anschlag - Angriff auf den BVB" (bei WOW) von Christian Twente ist mehr als nur eine chronologische Aufarbeitung des Attentats. Der Dokumentarfilm wirft auch einen kritischen Blick auf die Ermittlungen der Polizei und die umstrittene Verschiebung der Champions-League-Partie auf einen Tag nach dem Anschlag. Unter anderem kommt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke zu Wort.

Von den USA ist in der HBO-Serie "The Last of Us" nicht mehr viel übrig. Schon der Titel lässt vermuten, dass die Protagonisten der Videospiel-Adaption einige der wenigen Menschen sind, die in der Postapokalypse überhaupt noch leben. Regiert wird das Land, nachdem ein parasitäres Pilzvirus der Zivilisation den Garaus gemacht hat, längst von einer faschistoiden Anführer-Riege.

Inmitten der Postapokalypse wird Ex-Soldat Joel (Pedro Pascal) eine gefährliche Aufgabe übertragen: Er soll die 14-jährige Ellie (Bella Ramsey) aus einer repressiven Quarantäne-Zone schmuggeln. Dieser riskante Roadtrip steht im Mittelpunkt der spannend erzählten und grandios bebilderten HBO-Weltuntergangsserie. Selten sahen Endzeitwelten derartig überwältigend aus.

Eva (Katharina Stark) steht 1963 im Wirtshaus ihrer Eltern hinter der Theke und lebt im behüteten und finanziell prosperierenden Umfeld des Wirtschaftswunders. Doch dann wird die Übersetzerin für den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess engagiert – und mit den Gräueln der Nazi-Herrschaft und den kaum fassbaren Taten der Angeklagten konfrontiert.

Das bedrückende Thema des industrialisierten Massenmordes an Juden wirkt sich auch auf die Stimmung des dritten deutschen Disney-Originals "Deutsches Haus" aus. Mitunter unfassbar traurig taucht die fünfteilige Dramaserie in die Schicksale der Opfer ein und zeigt gleichzeitig schonungslos die Grausamkeit der Nazis und deren selbstgefälliges Auftreten vor Gericht.

Michael Fassbender redet im Netflix-Film "Der Killer" als namenloser Auftragsmörder so gut wie gar nicht, abgesehen von einigen Kommentaren aus dem Off. Stattdessen lässt die titelgebende Figur Taten sprechen. Für das Publikum heisst das, man sieht dem Killer vor dem Bildschirm gebannt bei dessen penibel geplanter und mit höchster Akkuratesse durchgeführten Arbeit zu.

Wäre da nicht ein verhängnisvoller Fehler bei einem Auftrag in Paris, man könnte von einer perfekt geölten Tötungsmaschine sprechen. Das alles inszeniert David Fincher ("Sieben") mal furios, mal nüchtern beobachtend, aber stets faszinierend. Dass "Der Killer" sich vom konventionellen Actionkino abhebt, macht den Thriller mit Michael Fassbender umso sehenswerter.

Cowboy Django (Matthias Schoenaerts) kennt nur ein Ziel: Rache. Sieben Jahre nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs will er diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die seine Familie auf dem Gewissen haben. Dann erfährt der wortkarge Revolverheld, dass seine Tochter Sarah (Lisa Vicari) überlebt hat. Doch die will von Django zunächst nichts wissen.

Deshalb versucht Django, sich mit seiner Kampfkraft an die Seite von Sarahs Verlobten John (Nicholas Pinnock, M.) zu stellen und seine Schuld gutzumachen. Von Rassismus über Gier bis zu fundamentalistischem Terror: Die Sky-Serie "Django" greift grosse Themen der Gegenwart auf und kleidet sie in eine hochspannende Geschichte, die ohne die ganz grosse Heldenverehrung auskommt.

Auf den ersten Blick haben Handwerker Danny (Steven Yeun) und Selfmade-Unternehmerin Amy (Ali Wong) nichts gemeinsam. Sie eint einzig die Unzufriedenheit mit ihrem Leben und ihrer Zukunftsperspektive. Als beide auf einem Parkplatz aneinandergeraten, setzt sich eine fatale Spirale in Gang.

Aus dem Zoff auf dem Parkplatz entwickelt sich eine sich hochjazzende Tour de Force, die die schlimmsten Seiten an Danny und Amy hervorbringt. Vor dem Bildschirm verfolgt man das schwarzhumorige Treiben in der südkoreanischen Netflix-Serie "Beef" wahlweise amüsiert, bestürzt und schockiert. Die perfide Psychoanalyse war die wohl grösste Serienüberraschung des Jahres.

Ein Vierteljahrhundert hat Dwight Manfredi (Sylvester Stallone) hinter Gittern abgesessen – und Loyalität bewiesen. Weil er seinen Chef, einen Mafiaboss, nicht verpfiffen hat, erhofft sich Manfredi einen ranghohen Posten in seiner New Yorker "Familie". Doch die Uhren ticken mittlerweile anders, und der Ex-Häftling landet im provinziellen Tulsa in Oklahoma.

Der wortkarge Held und der eher langsame Erzählstil lassen hinter "Tulsa King" (Paramount+) eine eher altmodische Serie erwarten. Doch die Macher beweisen mit pointierten Dialogen ein gutes Näschen. Seine Fäuste darf Stallone nur dann fliegen lassen, wenn es wirklich nötig ist. Vielmehr übt sich "Tulsa King" in spannenden und toll ausstaffierten Beobachtungen menschlicher Begegnungen.

Endlich hat es für Mila (Friederike Kempter) mit einem Partner an ihrer Seite geklappt. Bo (Madieu Ulbrich) ist nicht nur gutaussehend, sondern auch äusserst belesen. Der Lovedroid der Marke Tender Hearts wurde genau darauf programmiert. Während Mila mit dem KI-gesteuerten Roboter zunächst gut zurechtkommt, reagiert ihr Freundeskreis skeptisch.

Ist eine Liebesbeziehung zwischen Mensch und Maschine zum Scheitern verurteilt? Und welchen Wert hat Privatsphäre, wenn Entwickler im Hintergrund am perfekten (Roboter-)Partner werkeln? Die Sky-Serie "Tender Hearts" arbeitet sich mit einem Mix aus Feingefühl, absurder Alltagskomik und tiefgründigen Aspekten an Fragen wie diesen ab.

Nach ihrem Umzug in die kleine Gemeinde Española in New Mexico öffnen Asher (Nathan Fielder) und Whitney (Emma Stone) ihre Pforten für das Publikum des Spartenkanals HGTV (Home & Garden TV). In "The Curse" (bei Paramount+) ist nicht nur Unterhaltung ihr Ziel, die beiden wollen auch gesellschaftliche Botschaften, etwa Antirassismus, Nachhaltigkeit und Kapitalismuskritik vermitteln.

Doch im schwarzhumorigen Genremix "The Curse", der gängige DIY-Shows durch den Kakao zieht, wartet bedeutend grösseres Unglück auf das Pärchen: Für eine Szene seiner Show schenkt Asher einem kleinen Mädchen einen Geldschein und holt ihn sich danach wieder zurück. Das Mädchen belegt ihn daraufhin mit einem Fluch – und die TV-Stars stolpern von einem Unheil ins nächste.

Im Drama "A Good Person" bricht das Leben von Allison (Florence Pugh) von einem Moment auf den anderen völlig auseinander. Bei einem schlimmen Verkehrsunfall, bei dem die junge Frau am Steuer sitzt, sterben die Schwester ihres Verlobten Nathan (Chinaza Uche) und deren Ehemann. An eine Hochzeit ist danach nicht mehr zu denken, stattdessen steht Allison alleine da.

Ihren seelischen Schmerz betäubt Allison so lange mit Tabletten, bis sie vor den Scherben ihrer Existenz steht. Ausgerechnet Nathans Vater Daniel (Morgan Freeman) erweist sich als grosse Stütze. Das behutsam inszenierte Drama von Regisseur Zach Braff ("Scrubs - Die Anfänger") überzeugt mit zwei grandiosen Hauptdarstellern.