Einer der grössten Popstars der späten Neunzigerjahre bringt mit "Better Man" sein Leben auf die Leinwand. Allerdings anders, als es Kinozuschauer gewohnt sind: Robbie Williams' Rolle im Film übernimmt ein Schimpanse.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Über "Better Man" (Kinostart am 2. Januar), dem Biopic über Robbie Williams, schweben zwei zentrale Fragen: warum jetzt? Und für wen soll das sein? Robbie Williams, ehemaliges Mitglied der Boyband "Take That", war Ende der Neunziger einer der grössten Popstars der Welt: Nummer-1-Hits, Rekord-Konzerte, Skandale und eine schlagzeilenträchtige Beziehung mit Nicole Appleton, Sängerin der Girlband "All Saints". Das ist mehr als 20 Jahre her. Seitdem verblasst sein Ruhm, die Rolle des Boyband-Sängers, der zum Megastar wird, nimmt heute Harry Styles ein. Überhaupt: In den USA konnte Williams nie Karriere machen, dort ist er weitgehend unbekannt.

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"Better Man", mit einem Produktionsbudget von mehr als 100 Millionen Dollar, ist also ein Risiko. Es gibt jede Menge Drogen, englische Schimpfwörter im Minutentakt, Musical-Einlagen und einen Schimpansen. In einem Interview sagte Robbie Williams einmal, er habe sich bei "Take That" wie ein Tanzaffe gefühlt, in seinem Biopic ist er einer. Nicht nur als Effekt für eine Szene, sondern im kompletten Film.

Ein Schimpanse bei "Take That"

Schauspieler Jonno Davis schlüpfte in den aus "Herr der Ringe" bekannten Anzug, die CGI-Spezialisten aus dem Reboot von "Planet der Affen" setzten die Bewegungen um. Stundenlang analysierten sie die Mimik von Williams und pflanzten sie in ein Schimpansen-Gesicht. Also sehen wir einen Affen, der mit "Take That" in knappen Kostümen tanzt, sich die Haare blond färbt oder mit Oasis Party macht. Das muss man sich erstmal trauen.

Das bleibt den ganzen Film über seltsam, fühlt sich aber nicht wie ein Fremdkörper an. Der Nebeneffekt: Es entfällt die immergleiche Frage, wie sehr der ausgewählte Schauspieler dem Original ähnelt und ob die Gesangsparts überzeugend sind. Stattdessen spricht sich Williams selbst und führt mit seiner selbstironischen und grossmäuligen Art durch den Film.

Dabei folgt "Better Man" dem typischen Narrativ einer Musiker-Biografie: Talentiertes Kind mit Vater-Komplex aus schwierigen Verhältnissen schafft den Durchbruch, bekommt alles, was es sich erträumt, verzockt es mit Drogen-Eskapaden und steht am Ende geläutert da.

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Gnadenlos ehrlich, visuell beeindruckend

Es gibt aber zwei Dinge, die "Better Man" von ähnlichen Filmen unterscheiden. Da wäre zum einen die gnadenlose Ehrlichkeit von Williams, der tief in seine Abgründe eintaucht, ohne sie zu schönen. Er ist ein grausamer Partner, ein nachlässiger Sohn, ein schlechter Freund. Den einfachen Weg, alles auf die Drogen, seine Depressionen zu schieben, geht er nicht. Er gibt unumwunden zu, "der Proll", "das Arschloch" zu sein, für das ihn viele halten.

Der zweite Umstand, der "Better Man" von der Schwemme der Musiker-Biopics in den letzten Jahren unterscheidet, ist die aussergewöhnliche visuelle Umsetzung des Films. Regisseur Michael Gracey, der auch schon die Elton-John-Biografie "Rocketman" drehte, nutzt die Geschichte von Robbie Williams als Grundlage, um seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Damit ist nicht nur gemeint, dass der Sänger als Affe auftritt. Williams landet in einem Moment in einem Meer aus Paparazzi unter Wasser, in einer anderen Szene verwandelt sich die Regent Street in London zu den Klängen seines Hits "Rock DJ" in einen Flashmob. Je weiter die Kamera sich zurückzieht, desto grösser wird die Menschenmenge. Sogar eine blutige Schlacht, die so auch in "Game of Thrones" hätte vorkommen können, gibt es nur dass in dieser Schlacht der Sänger gegen seine eigenen Ängste antritt.

Neben Robbie Williams sind alle Statisten

Das ist natürlich, neben all der Selbstkasteiung, eine riesige Ego-Show. Auch wenn Williams sich als Aussenseiter sieht, der die Rolle des "Tanzaffens" spielt, bleiben alle anderen im Film neben ihm nur Statisten. Die Mitglieder von "Take That" haben zusammen kaum zehn Zeilen Text in dem Film. Die Qualität ihrer Songs, die das Boyband-Genre auch für ein älteres Publikum öffnete, ignoriert er. Seine Halbschwester, mit der er aufwuchs, kommt im Film gar nicht vor. Nur seiner Mutter, seiner Oma und vor allem dem Vater gibt Williams mehr Raum. Der verlässt ihn, als er drei Jahre alt ist, um selbst erfolglos eine Karriere im Showbusiness zu starten, weckt aber seine Begeisterung für das Singen und Swing-Stars wie Frank Sinatra, Sammy Davis Junior und Dean Martin.

So bekommt Peter Williams am Schluss eine ganz eigene Würdigung, die nach Betrachtung der Originalszenen auf YouTube nie stattgefunden hat. Ohne zu viel zu verraten: Der geläuterte Popstar ist am Ziel seiner Kindheitsträume und vergibt seinem Vater.

Robbie Williams' Erfolge wirken grösser, die Abgründe tiefer. Manche Versäumnisse lassen sich im Nachhinein korrigieren. Vielleicht gilt das auch für den ausgebliebenen Erfolg in Amerika es wäre nicht die erste Biografie, die eine erlahmte Karriere neu startet. Der Ticketvorverkauf für Williams' Tour im nächsten Sommer in Europa ist schon gestartet.

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