Mit einer ARD-Doku kehrt Influencer Fynn Kliemann zurück in die Öffentlichkeit. Der Film beleuchtet die Zeit nach dem Maskenskandal und zeigt, dass es bei der einstigen "männlichen Pippi Langstrumpf" auch ums Geld ging.
Es gibt eine Szene in der Dokumentation der ARD, die deutlich zeigt, was
"Das ist ein riesen Ego-Ding", so Mulder. Kliemann sagt daraufhin, dass sein ganzes Selbstwertgefühl von aussen komme. Er könne das Handy nicht weglegen. Er müsse die Kommentare lesen, selbst wenn sie schlecht sind. Seine Freundin sagt dazu: "Ich finde es einfach richtig dumm."
Fynn Kliemann war für einige Jahre so etwas wie der Samariter unter den Influencern. "Ein erwachsener Junge, der die richtigen Werte vertrat" oder "die männliche Pippi Langstrumpf", heisst es am Anfang des einstündigen Films "Fynn Kliemann – Ich hoffe, ihr vermisst mich" (in der ARD-Mediathek). "Man mochte ihn", sagt Promi-Koch Tim Mälzer, der in ihn investiert hat.
Ein rastloser junger Mann, der mit Musik begann, sich zum Youtube-Heimwerker entwickelte, Kunst machte und sogar einen Bauernhof nach sich benannte: "Kliemannsland”. Sein Image: Alles irgendwie do-it-yourself, öko, non-profit, vordergründig unkommerziell.
Damit schaffte er es auch ausserhalb der Social-Media-Welt zu Bekanntheit. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen engagierte ihn, er tingelte von Talkshow zu Talkshow, war einer im Kreis der jungen Coolen, der "Guten", die als moralisch integer gelten –
Nicht ganz so faire Masken aus Bangladesch
Ausgerechnet einer aus dieser Clique (und Podcast-Partner von Olli Schulz) sorgt 2022 mit einem Bericht dafür, dass auf einmal alles aus ist. Jan Böhmermann berichtet in seiner Sendung "ZDF Magazin Royale" über die Geschäfte Fynn Kliemanns. In der Hochphase der Corona-Pandemie verkauft der Heimwerker-König Masken, angeblich fair produziert in Europa.
Der Shitstorm ist gewaltig, Fynn Kliemann macht es noch schlimmer, indem er in wirren Videos auf seinen Social-Media-Kanälen alles bestreitet und auf andere schiebt. Er taucht ab, zumindest für die breite Öffentlichkeit, abseits seiner Fans.
Mit "Fynn Kliemann – Ich hoffe, ihr vermisst mich" versucht der Content Creator seine Rückkehr, vielleicht sogar eine Art Rehabilitation. Monatelang liess er sich von einem Team der ARD für die Dokumentation begleiten. Es ist ein interessanter, ein vielschichtiger Film geworden, der Kliemann bei seinen neuen Projekten begleitet, vor allem aber auf seinem Weg zurück in die Öffentlichkeit.
Die Macher begehen dabei nicht den Fehler, zwanghaft Eingeständnisse oder eine Entschuldigung aus dem Youtuber herauszukitzeln. Denn das ist natürlich das Erste, worauf sich alle nach Erscheinen des Films gestürzt haben. Zeigt Kliemann Reue, bedauert er, was er getan hat? Und ist der Mensch vor der Kamera echt oder nur eine Inszenierung?
Wahnsinn kapitalistisch denken
Wahrscheinlich weiss Fynn Kliemann das selbst nicht so genau. In der Dokumentation gibt er sich die meiste Zeit als das grosse Kind, als das er in den sozialen Medien bekannt ist. Der kopfüber in der Schaukel hängt, einfach mal den Schweissbrenner irgendwo dran hält und unter den Funken wegzuckt. Der loslegt und mit viel Stolpern und Scheitern ans Ziel gelangt.
Dass das alles nicht ganz so naiv ist, blitzt immer wieder kurz auf. Etwa, wenn er im Videomeeting die Veröffentlichung seines neuen Albums koordiniert, in seinem Haus in Frankreich. In anderen Szenen ist er auf seinem Bauernhof oder einem ausgebauten Hausboot, spricht davon, dass er das in seinen Videos Gelernte nun Unternehmen anbietet. "Du hast keine Kohle – das ist natürlich Quatsch", sagt er einmal in dem ARD-Film.
"Um diesen ganzen Wahnsinn vorzubereiten, musst du auf der anderen Seite natürlich auch kapitalistisch denken." Dass er das verschwiegen hat, sei sein Fehler; dass er sich selbst als hundertprozentigen Moralisten dargestellt hat, erhaben über alles. Wer eine Utopie verkauft, fällt umso tiefer, wenn er sie nicht erfüllen kann. Einfach, weil das niemand kann.
Fynn Kliemann war so etwas wie der Poster-Boy für ein alternatives Leben, das er für alle seine Anhänger vorlebte, die selbst nicht so mutig oder konsequent sind. Der sie daran teilhaben liess. Dass das, wie alles in den sozialen Medien, auch ein Geschäft ist, wollten viele nicht wahrhaben und reagierten gnadenlos. Für Kliemann geht es nicht nur darum, sein Leben zurückzubekommen, sondern auch seine finanzielle Grundlage.
Die Folge des Skandals ist, dass ihn nun alle sehr viel misstrauischer betrachten werden als vorher. Vielleicht ist die Dokumentation ein Versuch, sein Bild in der Öffentlichkeit zu ändern. Vielleicht aber auch nur, genauso weiterzumachen, weil im Internet nichts schlimmer ist, als nicht mehr stattzufinden. Oder wie es Fynn Kliemann sagt: "Wie bitter das ist, wenn dir keiner mehr zuhört."