Es sollte das Epos des Jahres werden, eine Musiker-Biografie, wie sie noch nie dagewesen ist. Und "Bohemian Rhapsody" ist ... genau das. Tatsächlich kommen bei diesem Film nicht nur Queen-Fans auf ihre Kosten.
Eine Nase zuckt. Ein Wecker klingelt. Die Kamera folgt einem Mann, wie er sich anzieht, seine Katzen streichelt, ins Auto steigt, sich hinter einer Bühne selbst anfeuert, um bereit zu sein für den vielleicht wichtigsten Auftritt seines Lebens.
Schnitt.
Ein pferdegesichtiger Gepäckabfertiger am Flughafen Heathrow lässt mehrere Koffer vom Band fallen, so sehr haben ihn die Aufkleber aus aller Welt in den Bann gezogen. Er sehnt sich nach einem anderen Leben.
Sein Traum sollte wahr werden.
Zehn Jahre Chaos bis zum Kinostart
Viel turbulenter als bei "Bohemian Rhapsody" kann es bei einer Kinoproduktion wohl kaum vonstatten gehen. Es brauchte zehn Jahre, drei Hauptdarsteller, zwei gefeuerte Regisseure und zwei Wechsel des Drehbuchautors, bis der Queen-Film endlich fertig war.
Schon 2008 wurde gemunkelt, dass es ein Biopic über
Der schmiss drei Jahre später hin - und offenbarte erst 2016, warum: Es habe künstlerische Differenzen mit den drei verbliebenen Queen-Mitgliedern darüber gegeben, wie die, nun ja, schlüpfrigeren Phasen in Freddie Mercurys Leben darzustellen seien.
"Der Typ war wild, er führte ein extremes Leben", sagte Cohen in einem Interview. Der Band sei es aber darum gegangen, eine familienfreundliche Version ihrer Geschichte zu erzählen. Queen warfen Cohen ihrerseits vor, sich selbst in den Mittelpunkt gespielt zu haben.
Nach Cohens Aus stand das gesamte Projekt auf der Kippe, weil auch keiner der bevorzugten Regisseure zu gewinnen war. Als Regisseur wurde Dexter Fletcher ("Kick-Ass") engagiert, warf jedoch 2014 das Handtuch - ebenfalls wegen kreativer Differenzen, diesmal mit Produzent Graham King.
Als neuer Hauptdarsteller war
Ende 2016 wurde Bryan Singer ("X-Men") als Regisseur für "Bohemian Rhapsody" engagiert. Und ein Jahr später gefeuert. Inzwischen war wenigstens ein neuer Hauptdarsteller gefunden: Rami Malek, der für seine Serien-Hauptrolle in "Mr. Robot" einen Emmy kassiert hatte.
Malek wollte Freddie Mercurys Essenz auf Leinwand bannen
Malek bereitete sich akribisch auf seine Rolle vor. "Ich habe ihn studiert und überlegt, was seine Essenz ausmacht", sagte der Schauspieler in einem Interview mit der amerikanischen "Elle". "Man verfällt ab einem gewissen Punkt in Panik und arbeitet wie im Fieberwahn."
Für den charakteristischen Überbiss trug Malek eine Zahnprothese, sein Gesang wurde mit Originalaufnahmen von Mercury und dem Gesang eines Imitators gemischt. Für den Höhepunkt des Films - das Live-Aid-Konzert im Wembley-Stadion 1985 - wurde die Bühne komplett nachgebaut, das komplette Konzert mehrere Male durchgespielt.
"Nach einem Durchgang lag ich auf dem Boden und habe versucht, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu kriegen", beschrieb Malek. "Ich dachte, ich werde bewusstlos. Am Ende war ich ein paar Kilo leichter."
134 Minuten Musik, Pomp und Pathos
Fast zweieinhalb Stunden lang erzählt "Bohemian Rhapsody" die Geschichte einer der grössten Rockbands aller Zeiten - mit Pomp und Pathos, Glitzer und einer ordentlichen Prise Koks.
Recht schnell rauscht der Film durch die ersten Jahre von Queen, widmet sich dann aber hingebungsvoll der Entstehung ihres ersten Nummer-eins-Albums "A Night At the Opera" (1975). Hier wird spürbar, mit welcher Liebe zum Detail (Münzen auf der Trommel für einen besonderen Klang) Queen ihre Songs komponierten - und wie viel Vision, Ringen und Arbeit darin steckten.
Wieder im Zeitraffer ziehen die Jahre an der Weltspitze vorbei, die legendären Konzerte in den USA, in Montreal und São Paulo. Es sind Sequenzen wie diese, die man sich ruhig hätte sparen können, um sich stärker auf die Schlüsselszenen der Bandgeschichte zu konzentrieren: Mercurys vorübergehender Bruch mit den Kollegen, seine Solo-Versuche, sein Absturz, die AIDS-Diagnose, das Comeback beim Live-Aid-Konzert.
Fantastische Besetzung und Musik mit Gänsehautgarantie
"Bohemian Rhapsody" will alles und schafft viel. Die Besetzung ist nahezu unschlagbar. Ben Hardy als Roger Taylor und Joseph Mazzello als John Deacon könnten authentischer nicht wirken. Gwylim Lee kommt in seiner Darstellung
Lucy Boynton brilliert als Mercurys grosse Liebe Mary Austin, der der Sänger bis an sein Lebensende tief verbunden blieb. Aaron McCusker spielt seinen Lebensgefährten Jim Hutton, mit dem Mercury seine letzten Lebensjahre teilte. Und Allen Leech als mediengeiler Manager Paul Prenter jagt einem Schauer über den Rücken.
Neben Freddie ist Queens Musik der wahre Star in "Bohemian Rhapsody". Dem Film gelingt, was eine Musiker-Biografie ausmachen sollte: Sie feiert die Kunst und deren Schöpfer.
Schnitt ins Wembley-Station.
Ein Mann in knallengen Jeans bereitet sich hinter der Bühne auf das Konzert seines Lebens vor.
Und zieht die ganze Welt in seinen Bann.
Verwendete Quellen:
- Pressevorführung von "Bohemian Rhapsody"
- Rolling Stone: "Sacha Baron Cohen Explains Departure From Freddie Mercury Biopic"
- Hollywood Reporter: "Bryan Singer Fired From Directing Queen Biopic After On-Set Chaos"
- Billboard.com: "The Long and Bumpy Ride to Bring the Freddie Mercury Biopic 'Bohemian Rhapsody' to the Screen Isn't Over"
- The Telegraph: "Is Bohemian Rhapsody doomed? The very, very frightening history of the Freddie Mercury biopic" (Registrierung erforderlich)
- Elle.com: "All Eyes—and Ears—Are on Rami Malek"
- Mirror.co.uk: "Anita Dobson finds Gwilym Lee 'totally irresistible' as husband Brian May's young double"
- The Sun: "How Mary Austin was the woman who none of Freddie Mercury’s male lovers could match and remained loyal to him to the end"
- Metro.co.uk: "Why Sacha Baron Cohen and Ben Whishaw refused to play Freddie Mercury in Bohemian Rhapsody"
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