Der polnische Regisseur Patryk Vega hat in seiner Heimat bereits mehrere Kassenschlager produziert, mit seinem neuesten Film ist ihm auch die internationale Aufmerksamkeit sicher: Das Biopic "Putin" ist technisch raffiniert, inhaltlich aber durchaus fragwürdig.
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Der Mann hinter dem Putin-Film, der jetzt in die deutschen Kinos kommt, ist Patryk Vega, eine in der polnischen Filmwelt illustre Erscheinung, nach eigener Einschätzung gar der "erfolgreichste Filmproduzent und Regisseur des Landes". In seiner Filmografie finden sich brutale Polizei-Thriller, Politsatire und ein Film über Sex in der Corona-Pandemie.
Er machte aus dem eigenen Lebenslauf das Action-Biopic "Invisible War" und sorgte 2021 für Aufsehen, als er mit einer Dokumentation Kinderhandel aufdeckte ("Eyes of the Devil"). Filmkritiker bescherten dem Mann mit dem markanten Schnauzbart und dicht tätowiertem Oberkörper bislang wenig Komplimente, bereits sieben Mal wurde ihm der "Wąż"-Award verliehen, ein polnisches Pendant zum Negativ-Preis 'Goldenen Himbeere'.
Film gibt Ausblick in das Jahr 2026
Nun hat sich Vega also Wladimir Putin vorgenommen, im Spielfilm-Format, Budget: 15 Millionen Dollar. In meist düsteren Bildern arbeitet sich Vega im Eiltempo durch die Biografie des russischen Machthabers, vom Kindesalter über seine Zeit beim KGB bis zur Ukraine-Invasion – inklusive Ausblick in das Jahr 2026. Um den Leinwand-Putin möglichst realistisch zu gestalten, scheute sein Team keine Mühe. "Wir haben uns damit etwa zwei Jahre beschäftigt und eine eigene Software dafür entwickelt", erklärt Patryk Vega beim Interview-Termin in Berlin.
"Du kannst nicht einfach eine künstliche Intelligenz nehmen, um eine Figur wie Putin für die Kinoleinwand zu erzeugen. Sondern um die Technik zu trainieren, brauchst du grosse Mengen echtes Foto- und Videomaterial in hoher Auflösung. Für einige Szenen haben wir ihn komplett am Computer generieren können, für andere hatten wir ein Putin-Lookalike, der seine Körpersprache analysiert und gelernt hat, sich wie er zu bewegen."
Vega lässt kaum ein Putin-Klischee aus
Tatsächlich sieht Vegas synthetischer Putin in den meisten Szenen ziemlich echt aus, an einigen Stellen gelingt ein fliessender Übergang von echten TV-Aufnahmen Putins hin zum Leinwand-Klon. Technisch ist das beeindruckend, inhaltlich hat der Film aber ein grosses Manko: die permanente Vermischung von Tatsachen und Spekulation.
Das beginnt schon bei der Geburt von Wladimir Wladimirowitsch, hier folgt Vega dem Gerücht, Putin sei das uneheliche Kind von Vera Putina, einer georgischen Frau, die ab Ende der 90er Jahre in der Öffentlichkeit behauptete, seine Mutter zu sein. Später wird Putin als Drahtzieher sowohl der Anschläge auf Moskauer Wohnblocks 1999, als auch der blutigen Geiselnahme im Musical-Theater Dubrowka 2002 dargestellt. Und sogar der Tod von Anatolij Sobtschak, einst Petersburger Bürgermeister und politischer Mentor Putins, geht in Vegas Version auf das Konto des heutigen russischen Präsidenten.
Überhaupt lässt Vega kaum ein Putin-Klischee aus, zeichnet ihn als skrupellosen Strategen, der auf seinem Weg in den Kreml Mafia-Methoden und Auftragskiller nutzt, um Kontrahenten auszuschalten. Möglich ist das alles, bewiesen davon nichts.
Vega interessiert sich vor allem für die Psyche Putins
Bei der Frage nach Quellen für seine Darstellung bleibt Vega dann auch etwas schmallippig. "Ein paar Journalisten und Putin-Experten" hätten ihm geholfen, mit der Frau eines Nato-Offiziers habe er gesprochen, mit einem im Irak stationierten General, doch konkrete Namen nennt Vega auch auf Nachfrage nicht. Er selbst habe Russland das letzte Mal 2020 besucht, als Tourist.
Eine seiner wichtigsten Quellen sei "eine Person, die Kontakt hatte zu einem Psychiater, mit dem sich Putin in den 70er Jahren über Sauerstofftherapie ausgetauscht hat". Und auch wenn diese Information nur aus zweiter Hand stammt, entwickelt Vega daraus mehrere Szenen, in der sich der Präsident in eine hyperbarische Kammer begibt, quasi als lebensverlängernde Massnahme.
Vega interessiert sich vor allem für die Psyche Putins. "Mir war es wichtig, den emotionalen Hintergrund zu zeigen, den Zuschauern eine Erklärung für Putins Handeln zu geben." Zu diesem Zweck stellt er Putin zwei Geisterfiguren zur Seite, die sein Gewissen widerspiegeln und ihn wie Dämonen zu bösartigen Taten treiben. Er wolle dem Publikum auf diese Weise einen Schlüssel zu Putins Seelenleben geben, sagt Vega.
Das so entstandene Psychogramm ist auch durchaus interessant – bleibt am Ende jedoch stets reine Mutmassung. Wirklich näher kommt man dem echten Herrscher im Kreml nicht. Das konnten schon eher die gut recherchierten Dokumentationen des Teams von Alexei Nawalny bewerkstelligen, etwa über Putins Milliarden-Residenz am Schwarzen Meer.
Patryk Vega dagegen hat einen Unterhaltungsfilm gedreht, mit guten satirischen Momenten und täuschend echtem Protagonisten, der Wahrheitsgehalt jedoch bleibt im Ungefähren.
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