Schauspielerin Franziska Steinhaus spricht im Interview über ihre Erfahrung mit Bodyshaming, die Diätkultur, in der wir leben und Fatshaming in der Medizin.

Ein Interview

Mit dem Titel "Panzer" widmet sich die aktuelle Episode von "Soko Leipzig" dem Thema Bodyshaming. Schauspielerin Franziska Steinhaus verkörpert in der Folge (Freitag, 21.15 Uhr, ZDF) die mehrgewichtige Lisa Kettler, die aufgrund von Gewichtsdiskriminierung ein zurückgezogenes und isoliertes Leben führt. Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht Franziska Steinhaus über ihre Erfahrungen mit Fatshaming, das Bewerten von Körpern und die Problematik, wenn Mehrgewichtigen Sichtbarkeit genommen wird.

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Frau Steinhaus, die aktuelle "Soko Leipzig"-Folge thematisiert das Thema Fatshaming – mit Ihnen in der Episodenhauptrolle der Lisa Kettler. Wie steht es Ihrer Meinung nach um die Sichtbarkeit dieses Themas in der TV-Landschaft?

Franziska Steinhaus: Glücklicherweise wird das Thema immer sichtbarer, wobei noch einige Schritte zu gehen sind. Ich würde mir natürlich wünschen, dass diese Schritte schneller vonstattengehen, aber ich nehme durchaus einen gewissen Fortschritt wahr.

Wie war die Zusammenarbeit mit dem "Soko"-Cast am Set? Immerhin ging es für Sie ja um ein sehr persönliches Thema, das hier in einen Krimi-Plot gehüllt wurde …

Die Zusammenarbeit war total herzlich. Es gab keine komischen Gefühle. Vielmehr herrschte viel Entspannung und Humor am Set, sodass ich mich direkt sicher und aufgehoben gefühlt habe. Ich konnte mich von Anfang an in die Rolle hineinfallen lassen, weil auch die klare Trennung zwischen mir und meiner Figur der Lisa verstanden wurde.

Hat es dennoch auch etwas Schmerzhaftes, eine solch tragische Rolle zu verkörpern?

Absolut. Man kommt schon ins Nachdenken. Indem man gewissermassen seinen Körper dieser Rolle zur Verfügung stellt, setzt man sich auch mit den Erfahrungen, die der fiktive Charakter machen muss, auseinander. Dabei denke ich etwa an das Bodyshaming und die Diskriminierung, die Lisa im Alltag oder im Job erfahren musste. In diesen Momenten erinnert man sich an die eigenen diskriminierenden Erfahrungen, die man erlebt.

Erleben Sie diese Erfahrungen häufig?

Leider ja. Es grenzt an Ironie, aber ausgerechnet an dem Tag, an dem ich die Zusage für den "Soko"-Dreh bekommen habe, habe ich selbst Bodyshaming erlebt. Ich bin mit der Strassenbahn gefahren und wurde von einer Frau beschimpft. Sie warf mir vor, wegen meines Körpers einen zu geringen Sitzplatz zu haben und hat mich entsprechend verbal angegriffen. Den genauen Wortlaut kann ich nicht mehr wiedergeben, jedoch erinnere ich mich daran, dass die Worte "fetter Hintern" fielen.

Wie haben Sie auf den verbalen Übergriff reagiert?

Ich war natürlich traurig und schockiert. Umso mehr zeigen solche Situationen, wie real Bodyshaming ist. Bodyshaming findet übrigens nicht nur mit Worten statt. Auch Gesten und Blicke sprechen eine deutliche Sprache.

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"Wir leben in einer absoluten Diätkultur, aus der wir uns befreien müssen"

Die Episode namens "Panzer" thematisiert unter anderem den gesellschaftlich verbreiteten Irrglauben, dass mehrgewichtige Menschen "einfach nur aufhören müssten, weniger zu essen". Was machen solche Reaktionen mit Ihnen persönlich?

Natürlich trifft mich das. Bodyshaming passiert, sobald ich das Haus verlasse. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht wegen meines Körpers bewertet werde. Unterhalte ich mich darüber beispielsweise mit Menschen, die schlanker sind, wird deutlich, dass sie diese Erfahrungen nicht machen – vor allem nicht in der Häufigkeit, in der ich Bodyshaming erlebe. In diesen Momenten wird deutlich, dass die Gesellschaft ein grosses Problem mit Körpern hat, vor allem, wenn diese mehrgewichtig sind.

Repräsentation ist diesbezüglich ein wichtiger Schritt – reicht es aus, das Thema Bodyshaming in Fernsehen, in der Werbung oder etwa auf Social Media präsent zu machen?

Vermutlich nicht, es muss noch viel passieren. Wir leben in einer absoluten Diätkultur, aus der wir uns unbedingt befreien müssen. Ich glaube zudem, dass viele Menschen nicht bereit sind, ihren Blickwinkel diesbezüglich zu erweitern. Mehrgewicht gilt in vielen Köpfen als ungesund und nicht schön – Schlagworte, die mir auch immer wieder begegnen. Dabei bemerke ich aber auch häufig Widersprüche.

Inwiefern?

Mir wurde beispielsweise schon einmal gesagt, ich sei hässlich, obwohl mein Gesicht ja ganz hübsch sei. Das widerspricht sich meiner Meinung nach. Ich denke, viele Menschen setzen Mehrgewicht mit Hässlichkeit gleich. An dieser problematischen Denkweise gilt es anzusetzen.

Wird Fat- beziehungsweise Bodyshaming also von der Gesellschaft gar nicht als Diskriminierungsform wahrgenommen?

Nicht wirklich. Wenn wir beispielsweise auf den gesundheitlichen Aspekt blicken, beginnt die Diskriminierung häufig schon seitens des Fachpersonals. Das bestätigt auch der Austausch mit anderen Mehrgewichtigen. Ein gebrochener Arm oder Zahnschmerzen werden oft als Aufforderung verstanden, darauf hinzuweisen, abnehmen zu müssen. Der medizinische Hintergrund wird also gewissermassen als Rechtfertigung für die ungefragten Ratschläge verwendet. Dazu kommt der gesellschaftliche Irrglaube, mehrgewichtige Menschen würden das Gesundheitssystem belasten.

Wäre eine logische Konsequenz von Fatshaming in der Medizin nicht aber vielmehr, dass die Betroffenen eher weniger zum Arzt gehen?

Ja, das ist es. Das zeigen auch immer wieder Gespräche mit anderen Betroffenen. Ich kenne Mehrgewichtige, die aus Angst vor Diskriminierung nicht zum Arzt gehen – das ist ein riesiges Problem. Auch ich stelle immer wieder fest, dass mir Arztbesuche schwerfallen, weil ich davon ausgehen muss, wegen meines Körpers bewertet zu werden.

"Solche vermeintlichen Ideale prägen eine riesige Masse"

Diskriminierung spielt auch im Internet eine grosse Rolle – was macht Hass im Netz mit Ihnen?

Glücklicherweise bin ich in den sozialen Medien bislang von übergriffigen Kommentaren weitestgehend verschont geblieben. Ich bekomme aber von mehrgewichtigen Schauspielkolleginnen oder Influencerinnen mit, wie heftig die Grenzüberschreitungen sein können. Auch wenn ich nicht persönlich in dem Kommentar angegriffen wurde, tun solche Erfahrungen natürlich weh, weil es ja ein allgemeiner Angriff auf alle Mehrgewichtigen ist.

Woher, denken Sie, kommt die Angst der Menschen, der von der Gesellschaft vorgegebene Normschönheit nicht zu entsprechen?

Diese Frage stelle ich mir auch immer. In diesem Zusammenhang spielen natürlich auch die öffentlich propagierten Schönheitsideale eine Rolle. Wenn ich etwa zurück an meine Schulzeit denke, gab es gerade das Schönheitsideal der 2000er Jahre. Solche vermeintlichen Ideale prägen eine riesige Masse und die Spätfolgen sind noch immer sichtbar. Das Internet und die sozialen Medien verschärfen dieses Problem natürlich nochmal mehr.

Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zu dem Begriff "Body Positivity"?

An sich finde ich den Trend gut. Es ist total wichtig, für Werte kämpfen zu können. Unser Körper ist etwas Wunderbares, er trägt uns durch das Leben und ist ein grosses Geschenk. Es sollte nicht immer nur darum gehen, sich zu bewerten und abzuwerten, sondern sich so zu lieben und gesehen zu werden, wie man ist. Ich würde mich also freuen, wenn einige Menschen eher neutral auf die Körper anderer blicken.

Wäre also "Body Neutrality" nicht viel erstrebenswerter?

Das wäre das Ziel, ja. Ich glaube, wir brauchen eine gewisse Neutralität, wenn es um den eigenen oder andere Körper geht. Denn um ehrlich zu sein, wird der Begriff "Body Positivity" häufig für falsche Zwecke missbraucht.

Trägt Ihrer Meinung nach die Modeindustrie eine Mitschuld an der Diätkultur, aus der auch häufig Essstörungen resultieren?

Absolut. Ich denke dabei auch an manche Modemarken, die ihre Plus-Size-Kollektionen aus den Filialen verbannen. Das bedeutet, Mehrgewichtige können häufig nur online Kleidung kaufen. Sich gewissermassen im Geschäft nicht erwünscht zu fühlen, ist absolut diskriminierend. Für mich als Mehrgewichtige bedeutet das, mir anders helfen zu müssen. Denn streng genommen kann ich nicht so am alltäglichen Leben teilnehmen, wie eine normschöne Person.

Zumal Mehrgewichtigen auf diese Weise ja erneut Sichtbarkeit genommen wird …

Richtig. Die Gesellschaft sieht uns nicht. Wir Mehrgewichtigen werden auf diese Weise immer unsichtbarer und isoliert. Das erschwert den Kampf um Sichtbarkeit sehr.

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