Ein neuer Batman streift ab 1. Dezember durch Gotham und erstmals auch durchs deutsche Free-TV. Und das tut Robert Pattinson so düster und gebrochen wie noch kein Bruce Wayne vor ihm.
"Am dunkelsten ist die Nacht vor der Dämmerung", wusste Harvey "Two-Face" Dent (Aaron Eckhart, 56) schon in
"Ich bin Vergeltung" - darum geht es
Seit zwei Jahren schon durchstreift eine Fledermaus die dunkelsten Gassen Gothams, um für Recht und Ordnung in der scheinbar von Grund auf korrupten Stadt zu sorgen. Doch auch ein milliardenschwerer Superheld wie Bruce Wayne kann nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein. Und an die grösste Mafia-Familie von Carmine Falcone (John Turturro, 67) gibt es selbst für ihn kein Herankommen. So wird sein Kampf gegen das Verbrechen zunehmend zum frustrierenden Strohfeuer für den Recken, der sich selbst als "Vergeltung" bezeichnet.
Doch dann erscheint ein mysteriöser Killer namens Riddler (Dano) auf der Bildfläche, der gerne in Rätseln spricht. Der Psychopath hat es vornehmlich auf die Spitzenpolitiker der Stadt und auf die ranghöchsten Polizeibeamten abgesehen. An den stetig blutigeren Tatorten hinterlässt er Briefe, die an Batman adressiert sind. Mit jedem weiteren Opfer muss Bruce Wayne nicht nur feststellen, dass ausschliesslich auf Commissioner James "Jim" Gordon (
"Die Spur des Pinguins"
Seit es in Comic-Verfilmungen mindestens um das Schicksal gesamter Galaxien oder gar von Multiversen gehen muss, ist es gar nicht mehr so einfach, zu überraschen. Matt Reeves tut es, indem er die andere Richtung einschlägt und seinen Protagonisten in eine beklemmende, realitätsnahe Kriminalgeschichte in bester Film-Noir-Tradition schmeisst. Statt Humphrey Bogart sinniert
Der hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Sünder Gothams auf ganz eigene Weise zur Rechenschaft zu ziehen. Parallelen zu
Und keine Sorge: Auf nervenaufreibende Action-Sequenzen muss dennoch nicht verzichtet werden. Zwar kann "The Batman" keinen Comic-Bombast à la Marvel bieten. Dafür die vielleicht rasanteste Verfolgungsjagd seit "Brennpunkt Brooklyn" aka "The French Connection". Inszenatorisch ist der Film ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Selten war das Hässliche so schön.
Generation Telegram
Dass Reeves nicht davor zurückscheut, schwere Themen in dafür untypische Filmgenres zu stecken, ist seit der "Planet der Affen"-Neuauflage bekannt. Teil zwei der Sci-Fi-Reihe inszenierte er wie einen knallharten Kriegsfilm, Teil drei zeitweise gar wie ein KZ-Drama. Bei "The Batman" widmet er sich durch die Figur des Riddler dem Thema Radikalisierung, etwa über soziale Netzwerke oder Foren im Netz. Er zeigt, was passiert, wenn die falschen Leute meinen, das Gesetz in die eigene Hand nehmen zu müssen. Zuweilen auf eine Art, die neben "Sieben" sogar an "Saw" erinnert. Und er wirft die Frage auf: Ist es überhaupt möglich, abseits der Polizei der Richtige dafür zu sein?
Diese Frage beginnt auch zusehends am Fledermausmann zu nagen. Ein Stück weit verherrlicht jeder Superheldenfilm das Prinzip der Selbstjustiz. So wie beinahe jeder Rachethriller und quasi alle Filme der jüngsten Vergangenheit von Liam Neeson (72). Wie weit heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Und was tun, wenn sich das augenscheinlich Gute als so korrumpiert wie die Unterwelt herausstellt? Oder, wie es schon in "Watchmen" hiess: "Wer überwacht die Wächter?"
Reeves Film schlägt mit diesen fatalistischen Gedankenspielen in dieselbe Kerbe, wie es 2019 der Oscar-prämierte "Joker" mit
Harte Schale, unsicherer Kern
Dass dies gelingt, ist Robert Pattinson zu verdanken. Sein Batman-Anzug mag selbst Grosskaliber aufhalten. Doch steckt darin ein zutiefst verunsicherter junger Mann, der jederzeit selbst auf die schiefe Bahn geraten könnte. Auch bei seinem Bruce Wayne hängt der tragische Tod der Eltern als Damoklesschwert über der fragilen Psyche. Bisher befanden sich die Fledermausmänner der Kinogeschichte vornehmlich in der vierten Phase der Trauerbewältigung, Depression. Pattinson hingegen steckt noch mitten in der zweiten fest - Wut.
Auf seine Gegner schlägt er stets einmal mehr als notwendig ein. Was dazu führt, dass sich selbst die Geretteten vor ihm fürchten und um Gnade winseln. Auch als Bruce Wayne scheut er das soziale Leben wie der Teufel das Weihwasser und giftet gar Alfred (Andy Serkis, 60) an - also den einzigen Menschen, den er als Familie bezeichnen darf. Manch einem Zuschauer ist das wohl zu "emo". Speziell, wenn er mit schwarz umrandeten Augen wie Robert Smith (65) von The Cure herumläuft oder "Something In The Way" von Nirvana dudelt. Vielleicht aber hilft es, sich in diesen Momenten "The Batman" nicht als "Origin-Story", sondern als "Coming of Superhelden-Age" vorzustellen.
Beinahe in den Schatten wird Pattinson aber von Paul Dano als Riddler gestellt. Wo Batman noch mit seiner Psyche hadert, ist in der des Schurkens etwas unwiderruflich zerbrochen. Ausgerechnet Milchgesicht Dano spielt den Psychopathen so furchteinflössend, dass sich seine Performance nicht vor jenen von Heath Ledger (1979-2008) oder eben Joaquin Phoenix als Joker verstecken muss. Und dafür erhielten bekanntlich beide einen Oscar.
Sehr gut, wenn auch vielleicht nicht Oscar-verdächtig, ist auch
Fazit:
Es stimmt: Die Nacht ist am dunkelsten vor der Dämmerung. Das zeigt die bockstarke Tour de Force, die "The Batman" geworden ist. Denn am Ende der spannenden, mit drei Stunden aber etwas zu langen Kriminalgeschichte im Film-Noir-Stil geht nicht nur endlich die Sonne über Gotham auf - und mit ihr eine rosige Zukunft für weitere Teile mit Robert Pattinson. Auch dämmert Bruce Wayne aka Batman seine vielleicht wichtigste Erkenntnis: Nicht Vergeltung ist das, was die meisten Menschen wollen. Sondern Hoffnung. (stk/spot) © spot on news
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.