In "Führer und Verführer" verkörperte Fritz Karl (56) in diesem Jahr Adolf Hitler, am 19. September ist der österreichische Schauspieler im ZDF-Film "Überväter" als Vater mit klassischem Rollenverständnis zu sehen. Im Interview warnt der siebenfache Vater vor den Gefahren für Kinder in den sozialen Medien und erklärt, warum es an der Zeit ist, die Figur "Adolf Hitler" zu entdämonisieren.
Herr
Fritz Karl: Für mich sind "Überväter" im Prinzip Helikopterväter, die ihren Kindern wahnsinnig viel abnehmen und ihnen bei ihrer Selbständigkeit eigentlich im Weg stehen. Ich versuche, bei meinen eigenen Kindern genau das nicht zu tun. Meiner Meinung nach sollte man seine Kinder eher auf ihrem Weg begleiten. Vielleicht ist es ein grundsätzliches Problem. Wir leben in einer Zeit, in der wir es verlernt haben, selbst Verantwortung zu übernehmen.
Haben es Männer heutzutage schwerer, ihre Rolle als Vater zu finden?
Es betrifft nicht nur die Männer. Ich kann mich noch an die "Halbe-halbe"-Bewegung in Österreich in den 90ern erinnern, mit der um eine gleichmässigere Aufteilung im Haushalt geworben wurde. Zumindest in den Kreisen, in denen ich mich bewege, ist das klassische Rollenbild schon längst aufgebrochen. Ich glaube aber, dass es Eltern heutzutage generell schwer haben, ihre Rolle zu finden beziehungsweise richtig mit ihren Kindern umzugehen. Durch die Smartphones und durch Social Media wird doch enorm ins Familienleben eingegriffen.
Sie selbst sind Vater von sieben Kindern. Zwischen Ihrem jüngsten und Ihrem ältesten Sohn liegen 20 Jahre. Wie verschieden sind Ihre Kinder aufgewachsen?
Mittlerweile bin ich sogar schon Grossvater. Es war in der Tat interessant zu sehen, in welch unterschiedliche Welten meine Kinder hineingeboren worden sind. Meine grossen Kinder sind in einer Zeit aufgewachsen, in der es zwar schon Handys, aber noch keine Smartphones gab. Die haben ihre Pubertät natürlich noch ganz anders erlebt als meine aktuell pubertierenden Kinder.
Fritz Karl: Kinder "sind Sklaven ihrer Smartphones"
Welche Unterschiede stellen Sie im Alltag fest?
Wenn sich Jugendliche heutzutage verabreden, kann das schonmal drei Stunden oder mehr dauern – und dann ist immer noch nicht klar, ob sie sich wirklich treffen werden oder nicht (lacht). Das ist unglaublich. Bei mir und auch noch bei meinen grossen Kindern war das früher nicht so. Da hat man sich einfach verabredet. Und entweder man war da, oder man war nicht da. Nach zehn Minuten Wartezeit ist man eben gegangen. Die Kinder von heute sind zwar ständig live miteinander verbunden, kriegen es aber häufig dennoch nicht hin, sich zu treffen. Sie sind Sklaven ihrer Smartphones. Sie sind nicht nur süchtig, sondern auch immer und überall erreichbar.
Das klingt, als hätten Sie Mitleid mit der Jugend von heute …
Nun ja, was hatten wir damals bitteschön für eine Freiheit? Wir waren einfach nicht erreichbar. Es gab Festnetz und – wenn man Glück hatte – unterwegs vielleicht mal eine Telefonzelle. Die Eltern mussten sich auf ihre Kinder verlassen können. Heute haben die Eltern das Bedürfnis, ihre Kinder ständig anzurufen oder ihnen zu schreiben. Sie können ihre Kinder sogar tracken. Eine schreckliche Zeit.
Es ist vielleicht doch nicht so leicht, seine Kinder, wie Sie es ausdrücken, "eher auf ihrem Weg zu begleiten". Können Sie sich in Ihre Figur Mathi hineinversetzen, der so seine Probleme mit seinem Sohn Luca hat?
Natürlich, denn auch ich habe ja meine Probleme mit dieser Entwicklung. In jeder Familie wird ständig um Smartphones, Bildschirmzeit et cetera gestritten. Da sind wir kein Einzelfall. Was das "Begleiten" von Kindern angeht, möchte ich aber klarstellen, dass es ebenso falsch ist, sich gar nicht zu kümmern. Das meine ich nicht. Ich versuche, mich schon dafür zu interessieren, was meine Kinder machen und was sie sich anschauen. Es ist wichtig, mit ihnen darüber zu reden. Denn viele Dinge und Meinungen, die ihnen über Instagram, TikTok und Co. zugespielt werden, sind hanebüchen. Die Kinder werden gebrainwashed. Das ist nichts anderes als Propaganda – und da schliesst sich der Kreis zu meinem anderen Film "Führer und Verführer".
In diesem Film geht es um die Beziehung des "Führers" Adolf Hitler zu dem "Verführer" Joseph Goebbels, dem damaligen Reichsminister für Propaganda.
Ja, und im Kern geht es darum, wie Propaganda funktioniert. Das Smartphone ist ein perfektes Tool, um Menschen zu beeinflussen und zu leiten. Während die Rechten die sozialen Medien längst für ihre Zwecke nutzen, werden diese von anderen Parteien nach wie vor eher stiefmütterlich behandelt. Unsere Aufgabe ist es daher, den Kindern frühzeitig zu vermitteln, immer wachsam zu sein.
Sie spielen in "Führer und Verführer" den Hitler. Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, diese Figur darzustellen?
Neben dem Buch und den mitwirkenden Personen habe ich Wert auf die Frage gelegt, wie Adolf Hitler in diesem Film dargestellt werden soll. Entweder wird er kabarettistisch dargestellt – so wie von Charlie Chaplin oder später von Helge Schneider –, oder man zeigt ihn als schreienden, R-rollenden Dämonen. Eigentlich ist das total falsch. Denn wie soll man einem Menschen heute erklären, dass damals ein ganzes Volk auf einen solchen Typen hereingefallen ist? Mir war es wichtig, Hitler mal so zu zeigen, wie er auch von Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, etwa von Traudl Junge (eine der Sekretärinnen von Adolf Hitler; Anm. d. Red.), beschrieben wurde.
Wie wurde Adolf Hitler von Zeitzeugen beschrieben?
Als ruhig sprechender Mensch mit einem österreichischen Akzent, der häufig bis 4 Uhr in der Früh in seinem eigenen Privatkino gesessen, Sahnetorte gegessen und dann bis 14, 15 Uhr geschlafen hat. Nichts davon entschuldigt natürlich seine Taten. Aber es ist wichtig zu wissen, dass er seine Minister natürlich nicht andauernd angeschrien hat. Von seinen Reden kennen wir meistens nur die letzten fünf Minuten. Unsere Dokumentationen setzen sich aus den Bildern der "Wochenschau" und von Leni Riefenstahl zusammen. Wir sind also auf Propagandamaterial angewiesen. Aus meiner Sicht war es an der Zeit, diese Figur zu entdämonisieren.
Riefenstahl-Debatte: Fritz Karl stimmt Sandra Maischberger zu
Sandra Maischberger hat kürzlich mit Blick auf den von ihr produzierten Film "Riefenstahl" mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, dass sie Leni Riefenstahl für "eine durch und durch überzeugte Faschistin und Nationalsozialistin" halte. Hätten Sie das auch so formuliert?
Ja, das hätte ich.
Man kennt Sie auch aus der Serie "Falk", in der Sie einen Anwalt und Spitzenkoch ohne Restaurant in einem gespielt haben. Mit Ihrer Frau Elena Uhlig haben Sie zudem ein Kochbuch veröffentlicht. Wie regelmässig kochen Sie gemeinsam?
Kochen nimmt bei uns einen grossen Stellenwert ein. Im Moment habe aber ich die Küche in Beschlag genommen. Fertigprodukte gibt es bei uns nicht. Wir versuchen, unseren Kindern etwas mitzugeben und ihnen die Freude am Zubereiten frischer Gerichte zu vermitteln. Genau das haben mir schon meine Eltern mitgegeben.
Gelingt es Ihnen denn, dass Ihre Kinder hin und wieder das Smartphone gegen den Kochlöffel tauschen?
Ja, es funktioniert sogar sehr gut. Tatsächlich kochen alle meine Kinder. Sogar meine 14- und 16-Jährigen zaubern schon richtig gute Sachen. Es ist so wichtig, Respekt vor Lebensmitteln zu haben. Der Salat wächst schliesslich nicht im Supermarkt, sondern auf dem Feld.
Sind Sie eine Patchwork-Familie?
Zu gewissen Festen und Feiertagen kommen wirklich alle zusammen – das kann ich nicht leugnen. Bei unserem familiären Sommerfest, das wir einmal im Jahr veranstalten, waren wir in diesem Jahr 45 oder 50 Personen.
Über den Gesprächspartner:
- Fritz Karl ist ein österreichischer Schauspieler. Ende der 90er wurde der in Gmunden geborene Darsteller durch die Serie "Julia – Eine ungewöhnliche Frau" im gesamten deutschsprachigen Raum einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Über Filme wie "Höhenangst", "Jennerwein" an der Seite von Christoph Waltz und "Eine folgenschwere Affäre" stieg er in den folgenden Jahren zum Charakterdarsteller auf. In der Serie "Falk" verkörperte er einen exzentrischen Anwalt und ehemaligen Gastronomen. Fritz Karl ist siebenfacher Vater und mit seiner Schauspielkollegin Elena Uhlig verheiratet. Mit ihr veröffentlichte er 2022 das Buch "Hot Cuisine: Einfach französisch kochen".
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.