Als "Tatort"-Kommissar Leo Hölzer ermittelt Vladimir Burlakov seit mehr als vier Jahren in Saarbrücken. Für seine neueste Rolle ist der Schauspieler in die Vergangenheit gereist und für den Kinofilm "Münter & Kandinsky" in die Rolle des berühmten Malers geschlüpft.
Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 37-Jährige über seine Gemeinsamkeiten mit Wassily Kandinsky sowie seine Liebe zu Berlin und verrät, wie er sich das Ende seiner "Tatort"-Figur vorstellen könnte.
Herr
Vladimir Burlakov: Ich glaube schon, dass wir einige Parallelen haben – mal abgesehen von der Malerei, die ich überhaupt nicht beherrsche. Wassily Kandinsky hat sich selbst als sehr unruhigen Menschen beschrieben. Er hat auch gesagt, dass sein Herz immer Verschiedenes zur gleichen Zeit fühlt. Das ist etwas, das ich auch an mir selbst beobachte. Ich bin häufig hibbelig und muss immer etwas tun. In diesem Punkt kann ich mich schon sehr mit ihm identifizieren.
Gibt es denn einen Ruhepol in Ihrem Leben?
Auf jeden Fall. Wenn ich zu Hause oder im Urlaub bin und nicht an die Arbeit denken muss, komme ich schon runter. Aber das ist tatsächlich gar nicht so leicht für mich.
Wie war Wassily Kandinsky? Und was hat Sie bei der Recherche über ihn am meisten überrascht?
Zum Beispiel habe ich nicht gewusst, dass er seinen Berufswunsch, Maler zu werden, erst mit 30 Jahren wirklich verfolgt hat. Kandinsky lebte eine Zeit lang in Odessa, wollte aber immer zurück nach Moskau.
Er studierte unter anderem Nationalökonomie und das Rechtssystem der Syrjanen, ehe er seine Cousine (Anna Tschimiakin; Anm. d. Red.) heiratete. Mit ihr ging er dann 1896 nach München. Ebenso wenig war mir bekannt, dass Kandinsky hochgradig depressiv war. Dies hatte damit zu tun, dass seine Mutter seinen Vater und ihn für einen anderen Mann verlassen hatte.
Spiegelt sich dieses Trauma in seinen Werken wider?
Ja, die Trennung seiner Eltern soll sich damals in einer Gondel in Italien ereignet haben. Dadurch bildete er eine Assoziation, die ihn sein Leben lang begleiten sollte. Die Farbe Schwarz verwendete er in seinen Gemälden so gut wie nie, weil ihn die Dunkelheit der Tiefe des Wassers in jungen Jahren traumatisiert hatte.
Die Herausforderung, in die Rolle Kandinskys zu schlüpfen
Wie haben Sie sich ihm, vor allem seiner Sprache und seinem Habitus, genähert?
Das war eine Herausforderung, weil es von Kandinsky ja kein bewegtes Bild gibt. Auf der einen Seite mündete das in eine gewisse künstlerische Freiheit. Auf der anderen Seite war es am Anfang etwas gruselig, weil es nichts gab, das man imitieren konnte.
Natürlich fragte ich mich zwischenzeitlich: War das jetzt wirklich er oder bin das doch vielmehr ich selbst? Ich habe mich aber wie immer intensiv mit meinem Coach Bettina Lohmeyer vorbereitet. Unter anderem haben wir "Animal Work" genutzt, um uns der Figur, ihrem Gang und ihrer Körperlichkeit anzunähern. Auch Fotos haben geholfen. Manchmal habe ich ihm minutenlang in die Augen gestarrt und gehofft, dass sie mir etwas über ihn verraten. Insofern war das ein gutes Fundament.
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Würde man die Beziehung von Wassily Kandinsky und Gabriele Münter (1877-1962), die seine Schülerin war, heute als toxisch bezeichnen?
Sicherlich war das eine aus heutiger Sicht klassische toxische Beziehung. Letztlich hat das aber nichts mit dem Jahrzehnt oder dem Jahrhundert zu tun. Es war schon immer so: Wenn zwei Menschen weder mit noch ohne einander können und beide nicht den Mut aufbringen, einen Schlussstrich zu ziehen, dann entsteht eben mit der Zeit diese toxische Mischung. Kandinsky und Münter zogen das 14 Jahre lang durch. Das war schon "next level" (lacht).
Der Kinofilm thematisiert zum einen Kunstgeschichte und greift die Entstehung des "Blauen Reiters" auf, transportiert zum anderen aber eben auch diese dramatische Liebesgeschichte. Wäre der Stoff auch ohne die Lovestory filmreif gewesen?
Der Film heisst nicht ohne Grund "Münter & Kandinsky". Natürlich spielt die Beziehung dieser beiden Persönlichkeiten eine entscheidende Rolle. Letztlich sind auch Künstler ganz normale Menschen, die Beziehungen und Probleme haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die beiden in ihrer Kunst sehr bereichert und inspiriert haben. Es mag eine vage Behauptung sein, aber ich würde sagen, dass sich sowohl Wassily Kandinsky als auch Gabriele Münter künstlerisch anders entwickelt hätten, wenn sie nicht miteinander gewesen wären. Für sie gilt das umso mehr, da er schliesslich ihr Lehrer war.
Vladimir Burlakov verrät: Diese berühmten Maler hängen Zuhause an seiner Wand
Hängt bei Ihnen zu Hause mittlerweile ein Kandinsky?
Ich war zwar schon immer sehr kunstinteressiert, ein Kandinsky hängt bei mir aber nicht an der Wand – dafür aber ein Mark Rothko und ein Paul Klee. Letzterer war ja nicht nur ein Wegbegleiter Kandinskys, sondern auch ein guter Freund. Als das Angebot kam, in diesem Film mitzuspielen, war ich sehr froh, weil es schon um die Kunst geht, die ich selbst liebe.
Sagen Sie nicht, Sie haben einen originalen Klee an der Wand hängen …
Gott bewahre! Es sind Kunstdrucke. Im Schlafzimmer habe ich in der Tat nun auch ein paar kleine Kandinskys hängen und mittlerweile auch eines von Münter.
Mir fällt noch eine Parallele zwischen Wassily Kandinsky und Ihnen ein.
Ich bin gespannt. Welche wäre das?
Auch Sie haben in München gelebt – im Unterschied zu ihm sind Sie jedoch nach Berlin weitergezogen. Sie haben einmal gesagt, dass Sie in der Hauptstadt "mehr Luft zum Atmen haben". Trifft das nach wie vor zu?
Tatsächlich bin ich wesentlich lieber in Berlin, weil die Stadt in meinen Augen viel offener ist. Dort kann ich mich so frei bewegen, wie ich es gerne möchte. Du kannst tragen, was du willst, und sorgenlos in Cafés sitzen. Es ist einfach viel entspannter. Kürzlich hat mich meine Mama, die seit fast 30 Jahren in München lebt, in Berlin besucht und bestätigt, dass es zwei völlig unterschiedliche Welten sind. Aber natürlich hat auch München seine Vorzüge. Die Natur, der Englische Garten oder die Nähe zu den Alpen: All das mag ich auch. Insgesamt fühle ich mich in Berlin allerdings wohler.
"So ein dramatischer Serientod ist schon cool."
Noch besser ist die Luft vermutlich im Saarland …
Sie spielen auf meine Rolle im "Tatort" (Kommissar Leo Hölzer; Anm. d. Red.) an. Ja, das stimmt. Da wir im Sommer drehen, ist das für mich immer ein bisschen wie Urlaub. Die Stadt Saarbrücken ist relativ übersichtlich. Man kann zu Fuss alles bequem erreichen oder mal eben mit dem Fahrrad nach Frankreich fahren. Ich freue mich jedes Mal, wenn der nächste "Tatort" auf dem Programm steht.
Wann steht denn der nächste Saarbrücker "Tatort" an?
Meines Wissens gibt es zwar noch keinen Sendetermin, ich gehe aber davon aus, dass es ähnlich ablaufen wird wie bei den vergangenen Fällen. Demnach gehe ich von Januar 2025 aus.
Ende September haben sich Ihre Frankfurter Kollegen Janneke und Brix, gespielt von Margarita Broich und Wolfram Koch, im wahrsten Sinne des Wortes mit einem lauten Knall verabschiedet. Sie sind Opfer einer Autobombe geworden. Wie wollen Sie eines Tages von der "Tatort"-Bildfläche abtreten?
Darüber habe ich mir wirklich noch nie Gedanken gemacht. Aber da Sie mich nun fragen: So ein dramatischer Serientod ist schon cool. Wenn man eine Figur so lange gespielt hat und dann mit einem ordentlichen Knall abtritt, dann bleibt man bei den Fans erst recht in Erinnerung. Das hat schon was!
Im Interview mit unserer Redaktion haben Sie vor gut einem Jahr über die russische Bevölkerung gesagt: "Ob brainwashed oder nicht: Der grösste Teil ist für diesen Krieg." Hat sich dahingehend irgendetwas verändert?
Es hat sich insofern nicht viel verändert, als dass die Propaganda-Maschinerie im russischen Staatsfernsehen nach wie vor am Laufen ist. Auf alternative Medien zurückzugreifen, ist nicht ganz einfach.
Andere wollen das wiederum nicht, denken aber, dass sie blendend informiert wären. Nach wie vor haben ganz viele Leute – übrigens auch hier in Deutschland – nicht verinnerlicht, dass die Ukraine auch uns und unsere Werte verteidigt. Dass Putin diesen Krieg nicht gewinnt, ist auch so wichtig, weil andernfalls die komplette Sicherheitsordnung weltweit infrage gestellt werden würde. Daher kann ich nach wie vor nur dafür plädieren, dass sich die Leute besser informieren und mal über den Tellerrand blicken.
Abschliessend: Wie werden Sie dieses Jahr Weihnachten verbringen?
Mit meinem Freund. Im vergangenen Jahr sind wir an Weihnachten weggeflogen und haben unseren Urlaub genossen. Dieses Jahr werden wir zu dritt feiern – also mit unserem Hund.
Über den Gesprächspartner
- Vladimir Burlakov ist ein deutscher Schauspieler russischer Herkunft. Seit 2020 gehört er zur Riege der "Tatort"-Kommissare. Als Hauptkommissar Leo Hölzer ermittelt der 37-Jährige gemeinsam mit Schauspielkollege
Daniel Strässer in Saarbrücken.
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