Wenn das eigene Kind plötzlich verschwindet, "bricht von einem auf den anderen Moment Panik aus", sagt Jessica Schwarz. Die Schauspielerin spielt im Thriller "Lillys Verschwinden" eine verzweifelte Mutter auf der Suche nach ihrer Tochter.

Ein Interview

"Lillys Verschwinden" dreht sich um das Schicksal eines fünfjährigen Mädchens, das im Familienurlaub verschwindet, während die Eltern in einer Tapas-Bar zu Abend essen. Ist sie weggelaufen? Wurde sie entführt? Die Geschichte erinnert in Teilen an den Fall der 2007 im Portugal-Urlaub verschwundenen und bis heute vermissten "Maddie McCann".

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An der Seite von Heino Ferch spielt Jessica Schwarz die Hauptrolle in dem TV-Zweiteiler (am 17.02. und 19.02. jeweils um 20.15 Uhr im ZDF). Inzwischen lebt die Schauspielerin in Portugal und betreibt dort mit ihrem Mann ein Glamping-Hotel ("glamouröses Camping"). Im Interview mit unserer Redaktion spricht die 47-Jährige über Herausforderungen in der Wahlheimat, Diskussionen am Set mit Heino Ferch und die Lehren aus ihrer "The Masked Singer"-Teilnahme.

Frau Schwarz, in "Lillys Verschwinden" spielen Sie eine Mutter, deren Kind plötzlich im Urlaub verschwunden ist. Wie gross ist die Verantwortung, wenn man solch eine sensible Rolle verkörpert?

Jessica Schwarz: Beim Lesen des Buches fühlte ich mich direkt an zwei Situationen erinnert. Zum einen an das Verschwinden der Tochter unseres Regisseurs Thomas Berger, der sein Kind mal auf einem Marktplatz in Palma de Mallorca verloren hatte. Und zum anderen an die Sorgen innerhalb meiner eigenen Familie, als mein Neffe auf einem Jahrmarkt in Michelstadt verschwand. Letztendlich hatte er sich nur hinter einem Karussell versteckt. Doch ich spürte in diesem Moment sofort die brutale Urangst, die binnen weniger Sekunden in einen schiesst.

Beschreiben Sie bitte einmal die Angst, die Sie damals empfunden haben.

Von einem auf den anderen Moment bricht Panik aus. Man fragt sich, wie man das Kind unter diesen Hunderttausenden Beinen nur wiederfinden soll. Ist es einfach nur weggelaufen? Hat es jemand mitgenommen? Der Verstand schaltet sich aus und man weiss nicht, wie man vorgehen soll. Darunter mischt sich die Versagensangst. Man befasst sich mit der Frage, ob man besser hätte aufpassen können. Mit Blick auf den Film kommt erschwerend hinzu, dass Lilly in einem anderen Land verschwunden ist. Die Option, einfach mal eben eine Durchsage zu machen, fällt quasi weg.

Der Zweiteiler weist Parallelen zum Fall Maddie McCann auf, die 2007 verschwand – in einer Ferienanlage in Portugal. Diente die reale Geschichte als Vorlage?

Natürlich habe ich diesen Fall vor 18 Jahren mitbekommen und verfolgt – ebenso wie andere Fälle. Ich denke da zum Beispiel an Rebecca (gilt seit 2019 als vermisst; Anm. d. Red.) oder an Jakob von Metzler (wurde 2002 entführt und ermordet). Das sind Geschichten, die einen wahnsinnig beschäftigen. Und da sind wir wieder beim Thema Verantwortung. Allein 2023 sind mehr als 16.500 vermisste Kinder zwischen 0 und 13 Jahren gemeldet worden. Die Aufklärungsrate liegt bei über 90 Prozent und in den meisten Fällen tauchen die Kinder auch wieder auf. Aber natürlich gibt es auch das, dass die Kinder nicht wieder auftauchen oder tatsächlich einem Verbrechen zum Opfer gefallen sind. Damit in einem fremden Land umzugehen, ist durch den Fall Maddie McCann inspiriert. Aber auch andere Fälle weisen ähnliche Strukturen auf.

Inwiefern?

Zum Beispiel, was die Zusammenarbeit von Angehörigen mit der Polizei betrifft. Hierbei spielt Vertrauen eine grosse Rolle. Wartet man als Elternteil zu Hause oder ergreift man selbst die Initiative, etwa über die Medien oder heutzutage über Social Media? Wir zeigen in diesem Zweiteiler, dass es nahezu unmöglich ist, die Ruhe zu bewahren und einfach nur abzuwarten.

Wie lange hat Sie die Auseinandersetzung mit diesem intensiven Thema über die Dreharbeiten hinaus beschäftigt?

Mich hat das Thema schon sehr nachhaltig berührt. Es hat zwei, drei Wochen gedauert, bis ich mich wieder davon lösen konnte. Normalerweise sollten die Leute um einen herum sofort eine Erleichterung spüren, sobald die Dreharbeiten abgeschlossen sind. Bei diesem Projekt hat es länger gedauert – ähnlich wie damals bei "Romy" (ein Fernsehfilm aus dem Jahr 2009, in dem Jessica Schwarz die Romy Schneider verkörperte; Anm. d. Red.). Doch zum Glück wurde ich im Kreis meiner Liebsten wieder gut aufgefangen.

Social-Media-Verbot für Kinder? Nicht bei Jessica Schwarz

Was halten Sie von der Entwicklung, dass Kinder heutzutage mit Smartphones und Social Media aufwachsen?

Pleasure and pain! Natürlich ist es eine grosse Verantwortung, einem Kind ein Handy zu übergeben. Es ist schwer zu kontrollieren, wie viel Zeit es damit verbringt und was es damit anstellt. Auf der einen Seite sollte man dem Kind schon vertrauen, auf der anderen Seite traut man da draussen niemandem über den Weg. In Australien wurde kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das Kindern unter 16 Jahren die Nutzung von Social Media verbieten soll.

Wie stehen Sie dazu?

Es ist ein schwieriges Thema. Ich persönlich komme noch aus einer Zeit, in der man seine Jugend draussen mit Freunden verbracht hat. Anrufen galt damals als zu teuer. Stattdessen habe ich mich auf mein Fahrrad gesetzt, wenn ich Freunde treffen wollte. Dafür bin ich heute sehr dankbar. Am Ende geht es meiner Meinung nach aber nicht um Verbote, sondern vor allem um die eigene Verantwortung. Was kann ich meinen Kindern als Elternteil bieten, damit die Handy-Inhalte nicht so interessant sind wie das, was ich ihnen biete?

Sie leben seit ein paar Jahren mit Ihrem Mann in Portugal. Wie wird dort aktuell über den Fall Maddie berichtet?

Tatsächlich bekommt man hier hin und wieder etwas mit. Ich meine, dass im vergangenen Jahr noch einmal ein grosses Seegrundstück abgesucht wurde. Ausserdem habe ich mitbekommen, dass sich die Polizei wohl bei den McCanns entschuldigt hat. Dinge wie diese greifen die Medien in Portugal immer mal wieder auf. Grundsätzlich konsumiere ich aber eher deutsche Medien, da mein Portugiesisch leider nicht gut ist.

Woran liegt es? Fehlt am Ende die Zeit?

Ich kann es leider nicht nur darauf schieben, auch wenn mein Leben immer viel von mir will. Wenn es nach der Sprache gegangen wäre, hätte ich vielleicht doch besser nach Spanien ziehen sollen. Spanisch liegt mir irgendwie besser (lacht). Ich versuche es auch in Portugal immer mal wieder mit Spanisch, komme damit aber nicht wirklich weiter. Jedenfalls bin ich an Portugiesisch dran, es ist aber kompliziert. Abgesehen von diesem Problem fühle ich mich hier wahnsinnig wohl. Zuletzt waren wir drei Monate lang gar nicht zu Hause. Wir waren viel in Deutschland unterwegs und vier Wochen lang im Urlaub auf den Philippinen. Nach anderthalb Jahren, die ich quasi durchgearbeitet habe, brauchte ich mal eine Auszeit.

Was Jessica Schwarz in Portugal am meisten vermisst

Eine Auszeit von der Schauspielerei?

Wenn ich nicht drehe, arbeite ich in unserem Hotel. Die meisten Dreharbeiten absolviere ich im Winter. Sobald diese abgeschlossen sind, beginnt hier schon die Saison. Wir sprechen da von einer 7-Tage-Woche, da wir fast alles selbst machen. Andersherum ist es übrigens genauso: Sobald die Urlaubssaison in Portugal endet, beginnen für mich die Dreharbeiten. Der Alltag in Portugal fühlt sich aber wunderbar an. Ich liebe den Himmel, das Wetter und die Menschen hierzulande. Ich bin wirklich angekommen! Auf der anderen Seite vermisse ich auch ganz viel.

Was vermissen Sie am meisten?

Die sozialen Kontakte. Das liegt einfach daran, dass wir viel Zeit mit Arbeit verbringen. Mittlerweile haben sich ein paar gute Kontakte ergeben. Ich glaube, das wird unser Leben hier noch ein bisschen angenehmer machen. Man braucht einfach soziale Kontakte. Daher freue ich mich auch schon auf die Berlinale, wo ich sicherlich viele Freunde wiedersehen werde.

Ihr Instagram-Kanal mutet an wie ein Reise-Blog. Scheint die portugiesische Sonne etwa nicht stark genug oder warum bereisen Sie so viele Länder?

Wenn man in Michelstadt an einem sehr zentralen Platz wohnt und aufwächst, hat man mitunter schon das Bedürfnis, dem Ganzen zu entfliehen. Das Reisen wurde mir von meinen Eltern mit in die Wiege gelegt, die bereits in den 70ern den afrikanischen Kontinent oder andere ferne Länder wie Jamaika bereisten. Das war ziemlich untypisch für diese Zeit. Heute nutzen wir Urlaube vor allem, um als Familie Zeit mit uns zu verbringen. In Portugal sind wir mit Blick auf unser Hotel und die Gastronomie immer von Menschen umgeben. Und mal ehrlich: Was kann schöner sein, als die Unterwasserwelt der Philippinen mit ihren Korallen, Walhaien und Sardinenschwärmen zu erkunden?

Jessica Schwarz bei "The Masked Singer"

Vielleicht im Feuersalamander-Kostüm bei "The Masked Singer" zu performen?

Ich glaube, mit TV-Formaten bin ich erstmal durch (lacht). Ich bin durch und durch Schauspielerin und muss gestehen, dass ich lieber drehe. Aber ich liebe auch die Musik. Es war toll, bei "The Masked Singer" dabei zu sein und mit den Coaches zu arbeiten. Tatsächlich konnte ich dabei auch viel für meine Rollen mitnehmen. Zum Beispiel wusste ich vorher nicht, was man alles tun kann, wenn die Stimmbänder mal gereizt sind.

Was war für Sie die grösste Herausforderung?

Dass ich mit niemandem darüber sprechen durfte. Meine Mutter und meine Schwester haben mir häufig gesagt, dass ich da unbedingt mal mitmachen sollte, weil ich schon immer gerne gesungen habe. Und dann habe ich mitgemacht, durfte aber nichts verraten. Ich bin jemand, der gerne viel und über alles redet. Alles in allem war es ein sehr spezielles Abenteuer, das ich nicht missen möchte.

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Dreh mit Heino Ferch: "Hatten unsere Diskussionen"

Sie waren das erste Mal bei "The Masked Singer" dabei und standen zuletzt zum ersten Mal mit Heino Ferch vor der Kamera. Er spielt in "Lillys Verschwinden" Ihren Ehemann Robert Bischoff. Wie lief die Zusammenarbeit?

Heino ist ein grossartiger Kollege. Obwohl er so erfahren ist, war es auch für ihn gar nicht so leicht, sich dieser hochemotionalen Thematik zu nähern. In der Zusammenarbeit mit ihm hat mir besonders gut gefallen, dass wir zwar unsere Diskussionen hatten, diese aber immer in der Bewunderung füreinander austragen konnten. Wir sind ganz warm und herzlich auseinandergegangen. Viele Zuschauer haben bereits zu mir gesagt, dass wir ein tolles Paar abgeben. Das freut mich natürlich, denn darum ging es letztendlich.

"Tolles Paar" hin oder her: Den ersten Filmkuss in dem Zweiteiler geben Sie nicht Heino Ferch, sondern Felix Klare (spielt den Niklas Grothe) …

Das stimmt allerdings, ist aber kein Problem: Felix und ich kennen das schon. Alle, die hinter den Monitoren sassen, sagten danach: "Jetzt wollen wir auch knutschen."

Über die Gesprächspartnerin

  • Jessica Schwarz ist eine deutsche Schauspielerin und Synchronsprecherin. Ihre TV-Karriere startete sie in den 90ern als VIVA-Moderatorin. Als Darstellerin wurde Schwarz mit Filmen wie "Das Parfum" oder "Buddenbrooks" bekannt. 2024 belegte Schwarz bei "The Masked Singer" den sechsten Platz.
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