Hollywoods Schauspiel-Elite, vereint auf einem Schnappschuss. Das Oscar-Selfie von Ellen DeGeneres ist eigentlich zu gut, um wahr zu sein. Während die Welt rätselt, ob Samsung seine Finger im Spiel hatte, nutzt "Simpsons"-Erfinder Matt Groening den Hype für seine ganz eigene virale Marketingkampagne.

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Es war dieser Moment, in dem ein ganzer Internetdienst für einige Minuten komplett zusammenbrach. Spätestens da zeichnete sich ab, dass Ellen DeGeneres etwas gelungen sein könnte, an dem sich die Republikaner der USA seit Jahren vergeblich versuchen: Präsident Obama zu verdrängen. Und sei es nur von seinem Spitzenplatz bei Twitter.

Bis zum Sonntagabend hielt der US-Präsident den Rekord der meisten Retweets aller Zeiten. Dann kam DeGeneres und mit ihr die Crème de la Crème der Schauspielerzunft. Ganz spontan, zumindest schien es erst einmal so, scharten sich während der 86. Oscar-Verleihung Meryl Streep, Angelina Jolie, Kevin Spacey und andere grosse Namen für ein Foto um die Moderatorin. Bradley Cooper drückte auf den Auslöser, DeGeneres twitterte das Ergebnis – und schon Minuten später war das Bild ein Meilenstein der Social-Media-Geschichte. Mehr als drei Millionen Mal wurde es bisher bei Twitter geteilt.

Spontane Aktion - oder geplanter Werbe-Gag?

Bis hierhin klingt das alles einfach wie ein Moment, den so nur Hollywood erschaffen kann. Wäre da nicht die Sache mit Samsung und dem Vorwurf des geplanten Marketing-Coups. Der koreanische iPhone-Konkurrent war einer der Hauptsponsoren der Academy Awards. 20 Millionen Dollar soll Samsung dem US-Sender ABC bezahlt haben – darin war die Ausstrahlung von Werbespots in den Pausen inbegriffen, aber auch das so genannte Product Placement. Sprich: Irgendwann während der Show sollte DeGeneres Samsung-Produkte ins Bild halten. Das tat sie auch, zum Beispiel genau in dem Moment, da sie ihr Gruppen-Selfie schoss.

Devil's Due Viral Kampagne
Devil's Due Viral Kampagne: Das Horror-Baby hatte mehr Fans als der Film, für den es werben sollte. © Screenshot YouTube

Samsung bestreitet, ABC oder die beteiligten Stars zu dem Bild angewiesen und sie dafür entlohnt zu haben. Doch zum Dank an DeGeneres spende man nun drei Millionen Dollar an Stiftungen ihrer Wahl, erklärte das Unternehmen kurz nach dem Aufkommen der Gerüchte. Vielleicht ja auch, weil unübersehbar war, dass die Moderatorin den ganzen Abend über ihr privates iPhone nutzte, ausgerechnet für das Selfie aber ein Samsung Galaxy zückte.

Die "Simpsons" und das virale Marketing

Auch Matt Groening glaubt daran, dass sich hinter dem vermeintlich harmlosen Foto ein Skandal verbirgt. Der Erfinder der "Simpsons" zeichnete eine eigene Version des Selfies. Es zeigt Bradley Cooper bei dem Versuch, Homer aus dem Bild zu drängen. "Endlich können wir die hässliche, wahre Geschichte hinter dem Oscar-Selfie erzählen. Lasst uns wieder Twitter lahmlegen", postete Groening unter dem Account von "HomerJSimpson". Das ist ein lustiger Kommentar zu den peinlichen Verwicklungen. Gleichzeitig ist es ein Paradebeispiel dafür, wie virales Marketing (jetzt eben für die "Simpsons") funktioniert: Gib den Menschen etwas, das sich zu teilen lohnt.

Sing it kitty
Sing it kitty: Die viral Strategie des britischen Mobilfunk-Anbieters Three ist einfach putzig. © Screenshot aus Spot von Wieden & Kennedy

Meister darin, Werbeinhalte zu produzieren, die sich wie ein Lauffeuer im Internet verbreiten, ist – Sie haben es bereits vermutet – Hollywood. Schon seit langem setzen Filmproduzenten auf überraschende, schockierende oder unterhaltsame Videos als Promotion. Besonders auffällig ist das im Horror-Genre. Erst kürzlich sprang ein Baby mit blutunterlaufenen Augen nichtsahnenden Passanten in New York aus seinem Kinderwagen entgegen. Der Clip davon, aufgenommen als Werbung für den Gruselstreifen "Devil’s Due", hat bis dato mehr als 43 Millionen Klicks bei YouTube. Damit stellt die virale Kampagne den Film bei weitem in den Schatten, denn der fiel bei Kritikern und Publikum durch.

Werbung durchs Hintertürchen

Auch bei viralen Kampagnen für J.J. Abrams' "Cloverfield", das Remake des Horror-Klassikers "Carrie" oder für Low-Budget-Produktionen wie "Paranormal Activity" überraschten die Macher mit Werbeclips mehr als mit dem fertigen Film. Erfunden hat die Traumfabrik die PR-Strategie freilich nicht, aber grosse Gefühle und Nervenkitzel gehören hier zum Handwerk. So setzt Hollywood die Massstäbe für virales Marketing auch jenseits der Filmbranche. Da ist es fast zynisch, dass mit dem Oscar-Selfie ausgerechnet in den heiligen Hallen des Dolby Theatre die Illusion eines werbefreien Momentes zerstört wurde.

Wenn der Entertainer Friedrich Liechtenstein im "Supergeil"-Spot von Edeka durch Supermarktreihen tanzt, ist sofort klar, was beworben werden soll. Die Frage, wie viel hier nun echt ist, stellt sich auch bei "Sing it Kitty" nicht. In dem Werbeclip der britischen Telefongesellschaft Three radelt ein kleines Mädchen mit ihrer Babykatze im Körbchen durch die Nachbarschaft, dazu schmettern beide den 80er-Hit "We Built This City". Kein Zuschauer wird hier Authentizität vermissen. Stattdessen klickt man auf den Link des beworbenen Unternehmens, um das eigene Gesicht in den Clip zu montieren, und teilt die Gute-Laune-Nummer mit Freunden online. Schon verbreitet sich die Botschaft wie ein Virus.

Kätzchen sind in, singende Mädchen süss, und den Song kennt eh jeder. Die Kombination setzt Emotionen beim Betrachter frei. In der Marketing-Theorie heisst es, keine Werbestrategie ziele so stark auf die Gefühle des Zuschauers ab wie virales Marketing. Dass das auch die Gefahr grosser Enttäuschungen birgt, lehrt nun der Fall Samsung.  © Glutamat

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