Los Angeles - Die Verleiher der Golden Globes, die ihre Trophäenshow gerne als "Hollywoods Party des Jahres" preisen, behalten damit in dieser Saison wohl Recht. Denn nur zwei Tage nach der Globe-Gala am 5. Januar suchten verheerende Feuer den Raum Los Angeles heim. Mindestens 28 Todesopfer, mehr als 15.000 zerstörte Gebäude, ganze Wohnviertel in Schutt und Asche. An Party-Stimmung ist nicht mehr zu denken, doch an dem Motto "The Show Must Go On" hält die Entertainment-Metropole eisern fest.
Die wegen der Brandkatastrophe zweimal verschobenen Oscar-Nominierungen stehen am Donnerstag an, die 97. Verleihung der Oscars soll wie geplant am 2. März in Hollywood über die Bühne gehen. Und schon am 2. Februar steigt die Grammy-Show - mit Spendenaufrufen für die Opfer der Feuer, betonen die Verleiher der Musikpreise.
Flucht vor dem Flammenmeer
Auch andere Preis-Shows haben nach Aufschüben nun neue Termine, doch von Normalität ist Hollywood himmelweit entfernt: Tausende haben ihre Häuser verloren, auch der gebürtige Deutsche und langjährige Wahlkalifornier Eric Braeden, Star der US-Seifenoper "The Young and the Restless" ("Schatten der Leidenschaft"). Mit seiner Villa in Pacific Palisades verbrannten fast alle seiner Besitztümer.
"In ganz kurzer Zeit war das ein Flammenmeer", erzählt der 83-Jährige im dpa-Interview über die Flucht mit seiner Frau aus dem Haus. In höchster Eile hätten sie ihre Pässe, andere wichtige Papiere und ein paar Bilder gerettet, mehr nicht. "So sah Nachkriegsdeutschland aus", sagt der 1941 bei Kiel geborene Hollywood-Schauspieler über die völlig zerstörten Nachbarschaften.
Mehr als 40 Jahre lang lebte er in dem grünen Villenviertel am Westrand von Los Angeles. Braeden schwärmt von tollen Gartenpartys am Pool. Vorerst ist der Emmy-Preisträger mit seiner Frau in einer leerstehenden Wohnung von Bekannten in Santa Monica untergekommen. Er kenne mindestens 20 Betroffene, darunter Kollegen, die ihre Häuser verloren hätten.
Dreharbeiten gehen weiter
Für Braeden, mit bürgerlichem Namen Hans-Jörg Gudegast, der auch in dem Oscar-Hit "Titanic" (1997) mitspielte, geht wenigstens eine Routine weiter. Die Dreharbeiten zur Kultserie "The Young And The Restless", in der er den rücksichtslosen Industriellen Victor Newman spielt, sind schnell wieder angelaufen.
Auch der gebürtige Münchner Michael Keller (53), der seit über 30 Jahren als Audioingenieur in Hollywood arbeitet - und 2023 für das Biopic "Elvis" in der Sparte "Bester Ton" für einen Oscar nominiert war - hat das "Palisades"-Feuer miterlebt. "Zum Glück einen halben Kilometer davon weg", erzählt Keller. Sein Haus in Sherman Oaks steht noch. "Aber wenn du mal eine Rauchwolke siehst, die zehn Kilometer hoch ist, dann bleibt auch das Herz stehen". Auch er hat Freunde und Bekannte in der Filmbranche, die alles verloren haben.
Tausende Branchenmitarbeiter sind betroffen
Der Wiederaufbau wird Jahre dauern. "Bestimmt sechs Monate, bis überhaupt mal der ganze Schutt und Müll weg ist", befürchtet Keller. Hollywood-Studios sind nicht abgebrannt, aber zwei Grossbrände haben in Wohngebieten eine zerstörte Infrastruktur hinterlassen, tausende Branchenmitarbeiter sind betroffen - in einer Filmmetropole mit ohnehin schon teuren Mieten und knappem Wohnraum, die sich noch nicht von der Corona-Pandemie und dem anschliessenden Streik der Drehbuchautoren und Schauspieler erholt hat.
Keller, der als Mischtonmeister an zig grossen Studiofilmen mitwirkte, von "Green Lantern" über "Suicide Squad" bis zu "Elvis" und "Flash", spürt die Folgen für die gebeutelte Branche. Im letzten Jahr habe er gerade mal zwei Wochen gearbeitet. "Es ist der absolute Horror und ich habe mich jetzt auch arbeitslos gemeldet", sagt Keller.
Probleme in Hollywood
Schon länger krankt Hollywood daran, dass grosse Filmproduktionen in andere US-Bundesstaaten oder ins Ausland abwandern, angelockt von Steuervergünstigungen. Keller und Braeden sehen die Produktionsflucht als grosses Problem für den Standort. Auch sein Sohn, Regisseur und Drehbuchautor Christian Gudegast, habe seinen neuesten Film "Criminal Squad 2" dank enormer Steuerentlastungen in Spanien gedreht, erzählt Braeden.
Der kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom hatte im vorigen Herbst einen stärkeren Steuererlass für Hollywood in Aussicht gestellt. Doch in der Branche fragt man sich nun, ob nach den teuren Grossbränden diese Millionensummen aus der Staatskasse noch zur Verfügung stehen werden.
Viele Spenden
In der "Stadt der Engel" zeigen sich derzeit viele spendabel. Allein die Walt Disney Company hat nach Ausbruch der Brände 15 Millionen Dollar als Soforthilfe für Betroffene versprochen. Stars greifen in die eigene Tasche, darunter Oscar-Preisträger Leonardo DiCaprio und Sängerin Beyoncé.
Im Rahmen der 67. Grammy-Gala sollen Spenden für die Opfer gesammelt werden. Auch die Oscar-Show solle dafür genutzt werden, die Film-Community zu unterstützen und die Helfer im Kampf gegen die Feuer zu ehren, teilte Academy-Geschäftsführer Bill Kramer laut der "Los Angeles Times" mit.
Könnten die Oscars ausfallen?
Der US-amerikanische Bestsellerautor Stephen King plädiert angesichts der Brände dafür, die geplante Oscar-Verleihung im März abzusagen. Er verstehe, dass die Oscars eine Feier des Lebens seien "und die Show weitergehen muss, bla-bla-bla, und so weiter und so fort", schrieb der 77-Jährige auf der Online-Plattform Bluesky. Das mache alles bis zu einem gewissen Grad Sinn. "Aber für mich fühlt es sich trotzdem an, als würde Nero Geige spielen, während Rom brennt. Oder in diesem Fall, als würde man extravagante Kleidung tragen, während L.A. brennt."
Academy-Mitglied Keller, der über die Oscar-Kandidaten mit abstimmen darf, hält eine Absage der Show für höchst unwahrscheinlich, auch weil durch die weltweite Übertragung der Show für die Film-Akademie "wahnsinnig viel Geld mit drinsteckt".
Keine Absage, nur Aufschübe
Eine Absage gab es in der langen Academy-Geschichte nie, Show-Verzögerungen erst wenige Male. Nach einer Flutkatastrophe im Los Angeles musste die Verleihung 1938 um eine Woche verschoben werden. 1968 fand die Feier zwei Tage später als zunächst geplant statt. Grund war die Beisetzung des ermordeten Bürgerrechtlers Martin Luther King.
Wegen eines Attentats auf US-Präsident Ronald Reagan wurde die Show 1981 um einen Tag verschoben. Reagan überlebte den Anschlag schwer verletzt. Wegen der Corona-Pandemie wurde die Vergabe 2021 in einem deutlich kleineren Rahmen auf Ende April verschoben. © Deutsche Presse-Agentur
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