Auch 2025 wird Steven Gätjen bei den Oscars dabei sein und am roten Teppich mit den Hollywood-Stars sprechen. Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt uns der Moderator unter anderem von seinem lustigsten Oscar-Erlebnis und welche Filme er vorne sieht.

Ein Interview

Herr Gätjen, Sie sind seit einigen Tagen in Los Angeles und die verheerenden Brände sind nicht so lange her. Wie ist aktuell die Stimmung in der Stadt der Engel?

Mehr News über Filme & Serien

Steven Gätjen: Ich habe am Donnerstag eine österreichische Mutter getroffen. Sie lebte mit ihren Söhnen bis zu den Feuern in den Pacific Palisades und musste jetzt eine Wohnung in Venice beziehen. Ich habe mir das vor Ort angeguckt und etwas in dieser Dimension noch nicht gesehen. Das sieht aus und das meine ich gar nicht despektierlich wie eine Filmkulisse. Wo Häuser standen, steht nichts mehr, die Zerstörung ist unfassbar. Das Spannende ist die Solidarität, die hier herrscht. Das haben wir auch von der Dame, mit der wir gesprochen haben, erfahren. Sie hat uns von der Unterstützung innerhalb der Gemeinde erzählt und wie der Staat Kalifornien, die Stadt Los Angeles, die ganzen Brandopfer unterstützt und ihnen hilft, neue Wohnungen zu finden. Sie selbst besitzt zum Beispiel nichts mehr ausser ein Paar Schuhe und die Klamotten, die sie getragen hat. Sonst hat sie alles verloren. Sie hat es schön gesagt: Das ist wirklich eine Stadt der Engel, weil die Zuneigung und die Unterstützung grossartig sind. Ich glaube, das wird auch eine Rolle bei den Oscars spielen.

Conan O'Brien wird die Oscars moderieren. Ist das eine gute Wahl?

Ich finde Conan O'Brien grundsätzlich total gut. Er ist ein schneller, sehr lustiger und guter Moderator, der jahrzehntelang Late Night gemacht hat. Das machst du nicht, wenn du nicht gut bist. Er könnte das für die Oscars werden, was Ricky Gervais für die Golden Globes war. Ein paar Hollywood-Insider haben mir gesagt, dass es spannend zu sehen sein wird, wie politisch seine Moderationen sein werden, denn Hollywood ist total liberal und demokratisch. Der Hollywood-Insider hat gesagt, man müsse sich immer überlegen: Was will der Saal sehen? Der will politisch scharfe Kommentare hören. Aber was will das Publikum vor dem Fernseher? Das will nach dieser Wahl und nach diesen Feuern nichts Politisches hören. Ich bin also gespannt, wie mutig Conan O'Brien sein wird. Auf der anderen Seite finde ich gut, dass sie sich für ihn entschieden haben, weil er nicht im Hollywood-Business ist. Er kann jedem auf den Schlips treten, genauso wie Ricky Gervais, weil er von niemandem abhängig ist. Er hat selbst keine Show mehr, sondern einen erfolgreichen Podcast. Das nimmt ihm dann vielleicht auch in irgendeiner Art und Weise die Gefahr von Abhängigkeit. Ich glaube, es könnte gut werden.

"Der Film "Emilia Pérez" hat durch den Skandal um die Hauptdarstellerin auch ein bisschen Rückenwind verloren."

Steven Gätjen

Es wurden einige musikalische Acts angekündigt. Braucht es bei den Oscars Musik oder lenkt sie nur von den Nominierten ab?

Ach, das ist diese klassische Diskussion. War ja früher auch bei "Wetten, dass..?" so. 20 Millionen schalten ein, dann kommt ein Musik-Act und nur noch 10 Millionen gucken sich diese Performance an. Ich finde, wenn eine Musiknummer gut gemacht ist, kann sie eine Entertainment-Show aufwerten. Von fünf nominierten Songs gibt es immer ein oder zwei Lieder, die man toll findet. Damals waren Lady Gaga und Bradley Cooper unfassbar gut oder Eminem mit 8 Mile. Das sind Meilensteine. Natürlich kannst Du auch nicht einen nominierten Song auswählen und die anderen dann nicht. Ich glaube, es kommt immer auf die Inszenierung an. Je knalliger, desto besser. Wenn ein langsamer Song nicht richtig für Stimmung sorgt, kann das die Show runterziehen. Aber grundsätzlich finde ich, dass sie das in der Vergangenheit immer super gemacht haben.

Nicht nur Conan O'Brien ist dieses Jahr eine spannende Wahl, sondern die Oscars allgemein. Vor allem in den Kategorien "Bester Schauspieler" und "Beste Schauspielerin". Das ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wer wird Ihrer Meinung nach in den Top-Kategorien gewinnen?

Die beste Nebendarstellerin wird Zoë Saldaña, das Ding ist durch. Der beste Nebendarsteller wird zu 100 Prozent Kieran Culkin. Ich glaube, da gibt es keine Diskussionen, denn sie haben alles gewonnen und sind in dieser Community beliebt. "Bester Film" wird spannend. Ich kann mir gut vorstellen, dass "Konklave" eine Chance hat. Ich würde mich sehr freuen, weil er aus all diesen Filmen ein ganz besonderer ist. "Wicked" bekommt einen zweiten Teil. "The Brutalist" ist sehr speziell. "Anora" hat eine Chance. "Emilia Pérez" hat natürlich durch den Skandal um die Hauptdarstellerin auch ein bisschen Rückenwind verloren. Deswegen ist es vielleicht die Chance für "Konklave". Beim besten Darsteller hätte ich eigentlich auf Adrien Brody getippt, er hat bei den SAG Awards aber gegen Timothée Chalamet verloren. Also ist das Rennen offener geworden. Ich könnte mir auch vorstellen, dass ein Ralph Fiennes von "Konklave" einer, der so beliebt ist, der seit Jahrzehnten gute Arbeit abliefert und zum dritten Mal nominiert ist gewinnen könnte, der "Lucky Number Three". Mit Scott Orlin, der wieder mit mir am Teppich sein wird, habe ich über die Kategorie "Beste Schauspielerin" gesprochen und er meinte, dass seit ihrer Dankesrede bei den Golden Globes Demi Moore die grosse Favoritin ist. Sie wird das Ding machen.

Sie haben "Emilia Pérez" erwähnt. Die spanische Schauspielerin Karla Sofía Gascon wurde als beste Schauspielerin nominiert, geriet aber wegen hasserfüllter Tweets in die Nachrichten. Hätte das Konsequenzen für ihre Nominierung haben müssen?

Die Tweets hatten es auf jeden Fall in sich. Sie kamen aber Ende Januar, nachdem die Nominierung bekannt gegeben worden ist, heraus. Im Nachhinein jemandem die Nominierung abzuerkennen, ist natürlich hart. Aber das ist das Oscar-Game. Wenn man sich in "Konklave" anguckt, wie intrigant eine Papstwahl sein könnte: Genau so ist dieses Hollywood-Game auch. Mit Sicherheit hat da ein anderes Studio recherchiert, um irgendetwas zu finden - und dann kam das heraus. Das soll jetzt gar nicht die Dimension der Tweets schmälern. Es ist schlimm, was sie geschrieben hat. Was daran so schade ist: Nicht nur sie trägt die Konsequenzen, sondern auch der gesamte Film und alle daraus Nominierten. Jeder Wähler, der überlegt, ob er für den Film stimmen sollen, wird sich daran erinnern, dass Karla Sofia Gascon diese Tweets abgegeben hat. Das ist im Prinzip der Super-GAU für einen Film, der so viele Nominierungen hat.

"The Brutalist" hat KI benutzt, beispielsweise, um den ungarischen Akzenten von Adrien Brody authentischer klingen zu lassen. Der Aufschrei in den sozialen Medien danach war gross. Was sagen Sie dazu?

Ich weiss nicht, ob da nicht schon wieder aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird. Es ist ja keiner zu Schaden gekommen. Ich finde, grundsätzlich sollten im Internet, in den sozialen Medien nur noch Klarnamen genutzt werden. Es ist eine Frechheit, dass Leute sich hinter irgendwelchen Pseudonymen verstecken können, dann werden sie gesperrt und dann machen sie das nächste Pseudonym. Ich bin der Meinung, dass in der Welt, in der wir leben, in der wir uns technisch und kommunikativ so schnell und so rasant entwickeln, alles gekennzeichnet sein muss, wenn irgendwo KI genutzt wird oder nicht. Und das gilt nicht nur für den Film, sondern das gilt vor allem auch für die Nachrichten.

Wem drücken Sie persönlich die Daumen?

Ich würde mich freuen, wenn "Konklave" von Edward Berger mehr Chancen eingeräumt bekommt, als er vielleicht momentan hat. Das ist von vorn bis hinten ein grossartig inszenierter Film mit einer unfassbar spannenden Geschichte über etwas, was wir alle schon über Jahrzehnten mitbekommen haben. Weisser oder schwarzer Rauch steigt auf im Vatikan, aber wie sieht's hinter den Kulissen aus? Ich finde die Kostüme beeindruckend und Ralph Fiennes super. Da würde ich mich sehr freuen, wenn der ein oder andere Überraschungs-Oscar herausspringt. Darüber hinaus fand ich "September 5" auch beeindruckend.

"Ich habe vor Jahren einen Schauspieler mit jemand anderem verwechselt."

Steven Gätjen

Sie stehen schon seit dem Jahr 2000, mit kleinen Unterbrechungen, am roten Teppich. Was war bisher Ihr lustigstes Oscar-Erlebnis?

Ach, das ist eine gute Frage. Auch wenn ich das jetzt schon sehr lange machen darf, ist jede Oscarverleihung etwas Besonderes, weil dieser Kick, den man am roten Teppich kriegt, einfach was ganz Besonderes ist. Ich glaube, das Schönste ist einfach, immer wieder nette Kolleginnen und Kollegen zu treffen und das gemeinsam zu geniessen. Die unerwarteten Überraschungsgäste sind immer ein Highlight. Letztes Jahr waren das zum Beispiel Bastian Schweinsteiger und Roger Federer, die auf einmal vor mir standen. Vor Jahren war es Bully, der auf einmal am Mikrofon auftauchte. Als Heidi Klum und Seal noch ein Paar waren, kamen noch Matthew Broderick und Sarah Jessica Parker hinzu. Es entstand eine Konversation zwischen diesen vier Menschen und man stand daneben und hörte ihnen eigentlich nur noch zu.

Und was war bisher Ihr unangenehmstes Oscar-Erlebnis?

Da passiert eigentlich jedes Jahr irgendwas. Man verwechselt Namen. Ich habe in einem Jahr zu Sandra Bullock etwas gesagt, was ihr nicht so gut gefallen hat. Die Managerin hat mich direkt angeraunzt. Vor Jahren habe ich einen Schauspieler mit jemand anderem verwechselt. Das ist natürlich unangenehm, wenn das im Gespräch auffällt. Mir ist mal während eines Interviews, weil ich so viel Technik an meiner Smokinghose getragen habe, mein Kummerbund und mein Reissverschluss aufgegangen und meine Hose heruntergerutscht. Das war extrem unangenehm, aber zum Glück hat mein Gegenüber das nicht gesehen, weil eine Hecke davor stand. Aber ich habe auf einmal gemerkt, dass mir ein bisschen frischer an den Beinen wird. Da musste ich ganz schnell meine Hose wieder hochziehen. Ich bin gespannt, was mir dieses Jahr wieder für ein Fauxpas passiert.

Wie sieht eigentlich Ihr Arbeitstag an dem Oscar-Sonntag aus? Haben Sie eine bestimmte Tradition oder Rituale, die Sie jedes Jahr durchziehen?

Ja, ich gehe meistens morgens früh ins Hotelgym, fahre ein bisschen Fahrrad und schwitze mich aus. Dann mache ich ein riesengrosses Frühstück mit Scrambled Eggs und French Toast und haue mir richtig den Magen voll, weil ich weiss, dass ich den Rest des Tages meistens nichts esse. Danach ziehe ich mich an und wir fahren zum roten Teppich. Im Prinzip bin ich dort von 11 Uhr bis 16 Uhr, wenn die Verleihung beginnt. Dann gehe ich in unseren kleinen Container, kommentiere die Verleihung, gehe danach nochmal auf den roten Teppich und nehme die Highlights für den nächsten Tag auf ProSieben auf. Dann ist es irgendwann ungefähr neun oder zehn Uhr. Anschliessend gehe ich mit der Crew, die ich sehr schätze, irgendwo noch einen schönen Burger essen. Im Bett ärgere ich mich dann über die eine oder andere Frage, die ich hätte besser oder anders stellen können oder über die Leute, die ich nicht vors Mikrofon gekriegt habe. Schliesslich schlafe ich ein und freue mich auf die Heimat.

"Es wäre natürlich super, wenn Elton John über den roten Teppich geht."

Steven Gätjen

Auf welchen nominierten Star freuen Sie sich am meisten?

Ich freue mich auf Adrian Brody und Zoë Saldaña. Ich habe auch Lust, mit Kieran Culkin zu sprechen und mit Jesse Eisenberg zu quatschen. Bei Cynthia Erivo würde ich mich sehr freuen, wenn sie stehen bleibt. Es wäre natürlich auch super, wenn Elton John über den Teppich geht, der ist ja auch nominiert. Und ich freue mich auf Diane Warren, weil sie in den letzten acht Jahren, in denen sie nominiert war, immer bei uns stehengeblieben ist. Die ist so nett, freundlich und quatscht immer mit uns. Und ich freue mich auf die Überraschungen, die da vielleicht noch über den roten Teppich laufen, von denen man nicht gedacht hätte, dass sie da sind.

Sie moderieren Sendungen für ProSieben und sind der neue Co-Moderator der "NDR Talkshow". Haben Sie eigentlich noch Zeit für andere Hobbys?

Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, das ist auch ganz wichtig. Ich habe das grosse Glück, einen Job zu machen, der viel Spass macht und mir immer wieder neue Begegnungen schenkt. Aber ich glaube, die Distanz zu wahren zu diesem Hexenkessel, der das auch manchmal sein kann, ist total wichtig. Für mich ist ein Riesenausgleich Sport. Damit meine ich Spazierengehen irgendwo im Wald bis hin zu richtigem Hardcore-Sport. Ich spiele mit meinen alten Schulfreunden auch Paddletennis. Und ich langweile mich komischerweise auch gerne. Das klingt total doof, aber sich zu langweilen, ist echt schwer, weil man ständig ein Handy hat, ein iPad, Computer oder irgendwas. Und manchmal das liebe ich beim Spazierengehen geniesse ich einfach die Umwelt, ohne äussere Eindrücke, ohne Airpods im Ohr und sauge auf, was auch immer drumherum passiert. Das liebe ich.

Sie berichten seit mehr als 20 Jahren von der wichtigsten Preisverleihung der Welt. Haben Sie jemals ans Aufhören gedacht? Oder denken Sie sich: "Ich mache das, bis ich einfach nicht mehr kann!"

Ich mache das ja für Menschen, die Spass haben, sich das anzugucken, was ich tue. Ich möchte, dass das Publikum mit mir die Freude teilt, am roten Teppich zu stehen oder wenn ich mich über Joko und Klaas lustig mache. Solange die Freude da ist und auch die Resonanz, möchte ich das noch machen. Das ist Kriterium 1. Kriterium 2: Solange es mir noch ganz viel Freude bereitet und solange ich noch die kindliche Neugierde und Aufgeregtheit habe, mache ich weiter. Wenn beides oder eins von beidem nicht mehr gewährleistet ist, dann würde ich aufhören. Das heisst, ich habe mir kein Alterslimit gesetzt, sondern ein Spasslimit. Ich möchte mich niemandem aufdrängen und ich möchte vor allen Dingen einfach immer mit Freude rangehen. Das kann man nicht immer. Es gibt auch Situationen, da tue ich das nicht. Da ist es auch viel Arbeit. Aber ich habe einen riesigen Luxus: Ich darf etwas machen, was, glaube ich, viele gerne machen würden. Und ich geniesse das sehr. Vielleicht gibt es irgendwann den Punkt, wo ich mir denke: "Jetzt war es das." Oder vielleicht dauert es ein bisschen länger und vielleicht sitze ich noch mit 90 Jahren nicht mehr stehend am Pult, sondern sitzend am Pult und erzähle irgendwelche Anekdoten. Und wenn die Leute daran Spass haben und sich daran erfreuen, dann ist das alles, was ich brauche.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.