Mit "Der Heimweg" wurde ein weiteres Buch von Sebastian Fitzek verfilmt. Im Interview mit unserer Redaktion verrät der Schriftsteller, wo er seine Ideen hernimmt, warum seine Bücher oft so brutal sind und wie viel Einfluss er auf den Film hatte.

Ein Interview

Sebastian Fitzek zählt zu den erfolgreichsten Thriller-Autoren Deutschlands. Zahlreiche Bücher von ihm wurden zu Bestsellern und sind verfilmt worden – zum Beispiel "Die Therapie" oder "Passagier 23". Prime Video hat aus einem weiteren Werk des 53-Jährigen einen Film gemacht: "Der Heimweg" ist ab dem 16. Januar abrufbar.

Mehr News über Filme & Serien

Die Geschichte: Als Jules seinen Dienst am Begleittelefon antritt, einem telefonischen Support für Frauen, die sich alleine auf dem Nachhauseweg befinden, sieht alles nach einem ruhigen Samstagabend aus. Bis der Anruf einer jungen Mutter namens Klara bei ihm landet, die behauptet, sie würde noch in dieser Nacht durch einen berüchtigten Frauenmörder sterben. Dieser hat ihr zuvor ein Ultimatum gestellt: Entweder sie tötet ihren Ehemann oder sie wird selbst noch in dieser Nacht ermordet.

Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht Fitzek über den Film und sein Leben als Schriftsteller.

Herr Fitzek, Ihre Thriller sind oft von einer perversen Brutalität geprägt. Ich frage mal ganz salopp: Woher kommen all diese "kranken" Ideen?

Sebastian Fitzek: (lacht) Nun, ich habe relativ spät mit dem Schreiben begonnen, das war im Jahre 2000. Zuvor machte ich beruflich andere Dinge. Ich habe ein abgeschlossenes juristisches Studium, was mich dem Strafrecht und vielen schweren Kriminalfällen nähergebracht hat. Ausserdem war ich Radio-Journalist und dadurch tagtäglich mit den absurdesten Meldungen beschäftigt. Zudem bin ich ein politisch und gesellschaftlich sehr interessierter Mensch und Familienvater.

Es gibt also viele Dinge, die mich bewegen und nicht mehr loslassen. Was mich von vielen anderen Menschen vielleicht unterscheidet, ist, dass ich einen schlechten Verdrängungsmechanismus habe. Einige schlimme Schlagzeilen oder Meldungen lassen mich nicht los. In meinem Kopf beginnt eine Gedankenspirale, die ich am besten durchbreche, wenn ich das niederschreibe. So entsteht ein Fitzek-Buch. Leider ist die Realität viel grausamer und bizarrer, als man glauben mag. Ich muss oft Abstriche machen, damit mir das in der Fiktion überhaupt geglaubt wird.

Vom Leserbrief zum Bestseller über ein wichtiges Thema

Wie kamen Sie auf die Idee für die Geschichte von "Der Heimweg"?

Die Idee entstand durch einen Leserbrief. Eine Leserin schrieb mir, dass sie ehrenamtlich bei einem Begleittelefon arbeitet. Das weckte meine Neugierde, denn ich kannte das nicht. Neugierde und Empathie sind Grundvoraussetzungen für Autoren. Also liess ich mir erklären, wie das mit diesem Begleittelefon funktioniert. Zuerst ging es mir darum, diesen Service zu unterstützen, auf Lesungen davon zu erzählen oder darüber zu schreiben. Aber dann fragte ich mich: "Hey, wie könnte ich das in ein Thriller-Setting packen?"

Die Geschichte handelt im Kern von häuslicher Gewalt gegen Frauen. Wie haben Sie sich mit diesem Thema beschäftigt?

Ich hatte nicht zwingend vor, einen Roman über häusliche Gewalt zu schreiben. Aber beim Schreiben ist mein Unterbewusstsein oft mein Co-Autor. Dadurch gelangen Themen, die mir am Herzen liegen und die ich für relevant halte, in meine Geschichten. Dies war in diesem Fall mit der häuslichen Gewalt so. Ich stellte fest, dass es auch Menschen in meinem näheren Umfeld gibt, die das erlebt haben. Leider ist keine grössere Recherche notwendig, um mit Betroffenen zu sprechen. Man muss eigentlich nur zwei, drei Leute fragen.

Im Abspann des Films heisst es, dass jede vierte Frau mindestens einmal im Leben körperliche oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erlebt – und zwar in allen sozialen Schichten …

Genau. Aber der Deckmantel des Schweigens wird häufig darüber gelegt. Es wird als ein unangenehmes Thema empfunden. Viele Betroffene können sich das gar nicht vorstellen. Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland, seine Frau umzubringen – und an jedem zweiten Tag gelingt es einem. Alle drei Minuten haben wir einen Fall von häuslicher Gewalt. Es ist erstaunlich, dass trotzdem so wenig darüber berichtet wird.

In vielen Ihrer Bücher kommen Serienkiller vor – bei "Der Heimweg" ist es der sogenannte "Kalenderkiller". Gibt es teilweise reale Vorbilder für die Figuren in Ihren Geschichten?

Serienkiller interessieren mich eigentlich nicht, weil ich finde, diese sind seit "Das Schweigen der Lämmer" mit Hannibal Lecter auserzählt. In meinen Büchern stehen die Opfer im Mittelpunkt, die in eine bedrohliche Lage geraten. Möglicherweise wird diese durch einen psychopathischen Mehrfachtäter hervorgerufen. Natürlich interessiert mich auch dessen Motivation. Aber viel wichtiger ist für mich die Frage: Wie kämpft sich jemand, der nicht gelernt hat, mit Gewalt umzugehen, aus dieser Gewalt heraus?

Fitzeks Der Heimweg | Offizieller Trailer | Prime Video

Fitzeks Der Heimweg | Offizieller Trailer | Prime Video © YouTube

Zwischen Buch und Film: Wie Fitzek schreibt und loslässt

"Der Heimweg" ist nicht das erste Buch von Ihnen, das verfilmt wurde. Selbiges geschah zum Beispiel mit "Die Therapie", welches von Prime Video als Serie adaptiert wurde. Wie sehr sind Sie in den Entstehungsprozess eines Films oder einer Serie involviert?

Nicht allzu sehr. Ich dürfte zwar Einfluss nehmen, habe aber einen wahnsinnigen Respekt vor den einzelnen Gewerken. Drehbuch, Regie, Schauspieler, Ausstattung – an einem Film hängt sehr viel dran. Ich weiss, was ich kann und bin gerne als Impulsgeber tätig. Die Hauptaufgabe eines Autors findet statt, wenn das kreative Team zusammengestellt wird. Bei der Auswahl des Regisseurs schaue ich drauf, was er bislang gemacht hat, was für Visionen er hat und warum er den Film machen möchte. So lässt sich relativ schnell erkennen, ob man auf einer Wellenlänge ist. Bei anderen Themen, zum Beispiel dem Casting der Schauspieler, halte ich mich eher raus.

Geben Sie uns ein paar Einblicke in den Entstehungsprozess Ihrer Bücher. Wie gehen Sie vor, wenn Sie eine Idee für eine Geschichte haben?

Wenn ich der Meinung bin, die wesentlichen Handlungsverläufe und die Figuren zu kennen, schreibe ich zunächst ein Exposé und dann das Buch. Beim Schreiben lerne ich die Figuren und ihre Motivation noch besser kennen. Mittlerweile mache ich nach den ersten 60 Seiten eine Pause, lasse alles ein bisschen sacken und denke die Geschichte wieder und wieder durch. In meiner Schreibphase setze ich mich etwa morgens um 9 Uhr an den Schreibtisch und schreibe, so lange ich produktiv bin. Das können zwei Stunden oder acht Stunden sein – aber auf jeden Fall täglich. Wenn der erste Entwurf fertig ist, beginnt die Überarbeitungsphase, die mehrere Monate in Anspruch nimmt.

Ist der Alltag eines Schriftstellers so einsam, wie viele denken?

Wenn man den Tag so gestalten will, kann er sehr einsam sein. Ich habe mich allerdings sehr bewusst für ein Büro in einer Bürogemeinschaft entschieden. Dort sitzt zum Beispiel auch mein Management. Ich habe ein schönes kleines Büro, schaue in den Garten raus und habe zwischen den Kapiteln die Möglichkeit, mal rauszugehen und mich in der Kaffeeküche oder im Konferenzraum mit Leuten zusammenzusetzen und zu unterhalten. Beim Schreiben allerdings braucht man eine gewisse Ruhe und muss die Tür schliessen können.

Und das Handy bleibt dann ausgeschaltet?

Ja, ich bin ansonsten zwangsgesteuert durch mein Handy. Ich sage immer: Wenn ich 40-Mal am Tag zum Briefkasten rennen würde, würden die Nachbarn irgendwann die 112 rufen. Aber wenn ich 40 Mal am Tag auf das Handy schaue und meine Mails checke, gilt das als völlig normal. Das ist wirklich ein Fluch, daher muss ich das Handy beim Schreiben definitiv ausmachen. Wenn ich gefragt werde, was mich am meisten beruhigt, ist es tatsächlich das Schreiben, weil ich dann total auf mein Thema fokussiert bin. Man ist nicht tausend Einflüssen ausgesetzt, sondern konzentriert sich auf diese eine Sache. Das ist auch das Tolle am Lesen: Wenn man es schafft, das Handy auszuschalten und nur zu lesen, hat das eine reinigende Wirkung.

Über den Gesprächspartner

  • Sebastian Fitzek (Jahrgang 1971) ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller Deutschlands. Sein Erstlingswerk "Die Therapie" erschien im Jahre 2006. "Der Heimweg" ist nun bereits das siebte Buch des gebürtigen Berliners, das verfilmt wurde. Seine Bücher wurden bislang in 24 Sprachen übersetzt. Zuvor war Fitzek Chefredakteur sowie Programmdirektor für verschiedene Radiosender Deutschlands.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.