Seit mehr als 20 Jahren spielt ChrisTine Urspruch im "Tatort" Münster die Rechtsmedizinerin Silke Haller, von ihrem Chef, Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne, "Alberich" genannt. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt sie, warum ihr Kollege Jan Josef Liefers und sie trotz der Frotzeleien in der Krimiserie ein Herz und eine Seele sind. Zudem berichtet die 52-Jährige, dass sie auf der Strasse täglich auf "Alberich" angesprochen werde – sogar im Urlaub in den entferntesten Ländern.
Frau
ChrisTine Urspruch: Da ich von meinen Freunden und meiner Familie auch Tine genannt werde, passt es nach wie vor gut zu mir. Zudem ist es eine sehr individuelle Ausdrucksweise, die ich schön finde und die mittlerweile ein Teil von mir ist. Insofern möchte ich die ChrisTine gerne so beibehalten.
Sie werden am 22. und 29. September (jeweils ab 20.15 Uhr in der ARD) in der Reihe "Einspruch, Schatz!" zu sehen sein. Was hat Sie, die man als "Tatort"-Rechtsmedizinerin "Alberich" kennt, dazu bewogen, in die Rolle der Anwältin Eva Schatz zu schlüpfen?
Ein guter Freund von mir, der Produzent und Autor ist, hat mir diese Rolle quasi auf den Leib geschrieben. Das ist ein grosses Geschenk, das ich dankbar angenommen habe. Eva Schatz wird in der Reihe als eine Mischung aus Anwältin und Privatperson dargestellt. Es geht sehr turbulent zu, und natürlich verliebt sie sich. Mich erinnert es ein bisschen an die 80er-Jahre-Serie "Ich heirate eine Familie" – allerdings umgekehrt, da ich die alleinstehende Frau verkörpere, die einen Witwer mit seinen drei Kindern kennenlernt.
Zudem sind Sie eben als Anwältin tätig. Müssen Sie auch Mörder vertreten? Im "Tatort" haben Sie es eher mit den Mordopfern zu tun …
Darum geht es weniger, da Eva Schatz Familienanwältin ist. In dieser Rolle habe ich in jeder Folge einen bestimmten Fall zu führen und blicke dabei sehr genau in die familiären Verhältnisse hinein. Als Anwältin muss ich den Spagat meistern, auf der einen Seite empathisch zu sein und auf der anderen Seite nicht den Fehler zu machen, meine Klienten zu meinen besten Freunden zu erklären. Also brauche ich eine professionelle Distanz. Das zu spielen, war eine schöne Herausforderung.
Ihr Vater wird von keinem Geringeren als
Jochen ist grossartig. Er hat so einen trockenen Humor, den ich sehr schätze. Wir hatten bereits vor Jahren das Vergnügen, zusammen drehen zu dürfen. Diesmal spielt er meinen Vater, einen ehemaligen Bundeswehroffizier, der inzwischen im Altersheim lebt. Mit ihm kommt es auch hier immer wieder zu Turbulenzen.
Ein tolles Duo also, das vielleicht nur von einem anderen getoppt werden kann: Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne (gespielt von
Wir machen das jetzt tatsächlich seit über 20 Jahren. Im vergangenen Jahr haben wir in Münster im Stadion das Jubiläum gross gefeiert – mit einer Open-Air-Aufführung eines "Tatorts" auf einer riesigen Leinwand. Es war wirklich wunderschön. Wo liegt das Erfolgsgeheimnis? Ich weiss es gar nicht so genau. Natürlich ist der Umgang miteinander sehr humorvoll. Und "Alberich" beweist immer eine gewisse Grösse, indem sie auf Contenance bedacht ist und bei manchen Äusserungen von Professor Boerne auf Durchzug schaltet. Letztendlich basiert bei ihm alles auf einer grossen Liebe. Wenn er "Alberich" nicht so lieben würde, könnte er auch nicht so böse mit ihr umgehen. Das beruhigt mich ungemein.
Wie viel hat Jan Josef Liefers mit Boerne gemein?
Es gibt schon Anteile an Professor Boerne, die Jan auch hat. Er artikuliert sich und seine Bedürfnisse sehr gerne (lacht). Aber natürlich ist er mir gegenüber in keinster Weise so frotzelnd eingestellt wie Boerne gegenüber "Alberich". Nein, wir sind ein Herz und eine Seele. Er ist ein sehr reizender Mensch. Wir haben uns bei den Dreharbeiten immer viel zu erzählen, zumal wir beide Kinder im Teenageralter und zum Teil sogar älter haben. Diese Themen verbinden uns über die Arbeit hinaus.
Sagt Ihnen das Codewort "GTM 50" etwas?
Nein. Mit "Germany's Next Topmodel" hat es nichts zu tun, nehme ich an.
Korrekt. Gemeint ist der "Goldene Tatort Münster 50". Laut eines Berichts kursiert dieses geheime Codewort hinter den Kulissen. Die Produktion möchte damit sicherstellen, dass mindestens 50 Folgen vollgemacht werden …
Das ist mir vollkommen neu. Aber Sie glauben gar nicht, wie wenig ich über den Produktionsverlauf Bescheid weiss. Ich bin oft fast die Letzte, die davon erfährt, aber ich habe mich damit abgefunden.
Besteht bei Ihnen die Gefahr, dass Sie nach mehr als 20 Jahren "Tatort" zu sehr auf die Figur der "Alberich" festgelegt sind und so weniger neue Rollen angeboten bekommen?
Ich hatte die Befürchtung, festgelegt zu sein, als mir damals im Jahr 2000 "Das Sams" angeboten wurde. Ich wollte auf keinen Fall in diesen Pippi-Langstrumpf-Modus verfallen, der Inger Nilsson bis heute begleitet. Trotz meiner Bedenken habe ich die Rolle angenommen und in drei Kinofilmen verkörpert. Es war die richtige Entscheidung. Da ich heute neben dem "Tatort" viele andere Produktionen drehe, fühle ich mich überhaupt nicht festgelegt. Aber natürlich ist "Alberich" die Rolle, mit der ich auch auf der Strasse sehr identifiziert werde.
Unterschreiben Sie, wenn Fans nach einem Autogramm fragen, manchmal mit "Alberich" oder grundsätzlich mit ChrisTine Urspruch?
Nein, nein. Da bleibe ich schon bei ChrisTine Urspruch und bisher hat sich auch noch niemand gewundert oder beschwert. Allerdings wird häufig vermutet, dass ich in Münster wohne. Und tatsächlich werde ich täglich auf "Alberich" angesprochen – sogar im Urlaub in Reykjavik, Tokio oder auf Mauritius, um nur diese drei Orte zu nennen. Das zeigt, welche Reichweite der "Tatort" hat.
Können Sie sich überhaupt noch privat in der Öffentlichkeit bewegen?
Das ist schwierig geworden. Ich muss dazu wirklich in der Stimmung sein. Natürlich freue ich mich, wenn die Leute mich ansprechen. Wenn sie mich mal einen ganzen Tag lang in Ruhe lassen, komme ich schon ins Grübeln (lacht). Am besten entspannen kann ich bei mir Zuhause und in meinem Garten.
Natürlich dominiert in der öffentlichen Wahrnehmung Ihre "Tatort"-Rolle. Doch spielen Sie zum Beispiel auch Theater?
Mit dem Theater habe ich sogar angefangen, vor rund 30 Jahren. Das Schöne an dieser Arbeit ist natürlich der Live-Moment vor Publikum. Jeder Abend verläuft anders, die Menschen reagieren unterschiedlich. Das macht mir ungeheuren Spass.
Als Schauspielerin können Sie – abgesehen vom direkten Kontakt im Theater – vor allem via Social Media mit Ihrem Publikum interagieren. Machen Sie davon Gebrauch?
Ich nutze Instagram, bin da aber relativ oldschool unterwegs. Ich poste nicht täglich etwas Neues, sondern nur dann, wenn ich auf eine Produktion hinweisen oder etwas mitteilen möchte. Zudem ist es mir immer eine Ehre, mich auf diesem Weg bei den Millionen von "Tatort"-Zuschauern zu bedanken. Darüber hinaus nutze ich jedoch keine weiteren sozialen Netzwerke – also kein Facebook, kein TikTok und auch kein Twitter beziehungsweise X, wie es inzwischen heisst. Immerhin das habe ich mitbekommen (lacht).
Am 25. August spielen Sie auf der grössten Freilichtbühne Deutschlands in Ötigheim. Was erwartet die Zuschauer bei "AmusitrA – Eine Oase der Künste"?
Das Publikum darf sich auf eine bunte Mischung freuen, auf die ich persönlich auch sehr gespannt bin, weil diverse Künste aufeinandertreffen werden – die Musik, die Sprache, die Lyrik, die Poesie und der Tanz. Marc Marshall (der Sohn der im Februar verstorbenen Schlager-Legende Tony Marshall; Anm. d. Red.) hat verschiedene Künstler zusammengeführt. Und ich werde gemeinsam mit meinem Schauspielerkollegen Ralf Bauer für die Poesie zuständig sein.
Ihren Kollegen Ralf Bauer kennen viele noch von der TV-Kultserie "Gegen den Wind". Standen Sie mit ihm schon mal vor der Kamera?
Nein. Wir kennen uns zwar persönlich von diversen Veranstaltungen, haben aber noch nie zusammengearbeitet. Auch das wird also eine Premiere, auf die ich mich sehr freue.
Was ist bei Ihnen ausschlaggebend dafür, ob Sie an einem Stück oder einem Film mitwirken?
Ich spiele das, was mir Spass macht. Im vergangenen Jahr hatte ich zum Beispiel eine Episoden-Hauptrolle im "Bergdoktor". In Tirol war es traumhaft, ich kann mir kaum einen schöneren Drehort vorstellen. Aber ein bisschen halte ich es schon wie Harald Schmidt: Drehort vor Drehbuch (lacht). Spass beiseite: Vom "Traumschiff" hatte ich bereits eine Anfrage, doch mein Terminplan liess es leider nicht zu. Ich würde das aber gerne machen, sofern auch die Rolle ansprechend ist. Am Ende geht es also doch immer über die Rolle, und – ich nehme an – das ist bei Harald Schmidt natürlich ganz genauso.
Bei Roland Kaiser stimmten vor gut zehn Jahren sowohl das Drehbuch als auch der Drehort der "Tatort"-Folge "Summ, Summ, Summ" – schliesslich lebt er in Münster. Mögen Sie seine Musik, also deutschen Schlager?
Zunächst einmal erinnere ich mich daran, dass wir sehr schöne Drehtage mit ihm hatten. Roland Kaiser ist wirklich ein sehr höflicher und zuvorkommender Mensch. Er hat sich sehr gefreut, in unserem "Münster-Tatort" dabeizusein. Eines Abends sass ich mit ihm in einer Hotelbar in Köln. Als auf einmal Peter Kraus zu uns kam, dachte ich: "Wo bist du denn hier gelandet?" Ich sass von einem Moment auf den anderen inmitten der Schlagerwelt, obwohl das eigentlich gar nicht meine Musik ist. Dennoch hatte ich einen sehr vergnüglichen Abend mit den beiden.
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