Nach dem Tod eines Obdachlosen stossen die Kommissare Bibi Fellner und Moritz Eisner auf einen Skandal hinter den Kulissen des Wohnheimes, in dem ihr ehemaliger Informant gelebt hat. Was hat "Unten" mit der Realität zu tun? (Achtung: Spoiler!)
War dies der letzte Auftritt von "Fredo"?
Ja, der Kabarettist und Schauspieler Thomas Stipsits war in "Unten" zum vorerst letzten Mal als Manfred Schimpf im österreichischen "Tatort" zu sehen. Im Oktober hatte der 37-Jährige bekannt gegeben, nach 13 Einsätzen das Wiener Team zu verlassen.
Stipsits war seit 2012 der schusselige Gruppeninspektor Fredo. Dessen Rolle sei auserzählt, so Stipsits gegenüber der Wiener Kronen Zeitung, ausserdem hätten sich in den letzten Jahren einige Film- und TV-Projekte ergeben, "bei denen meine Figur ein bissl mehr im Vordergrund stand als beim 'Tatort', der einen Drehzeitraum von vier Wochen erfordert. Das muss man dann natürlich abwägen!"
Er habe sich die Entscheidung aber nicht leicht gemacht, "man schmeisst ja eine Rolle beim 'Tatort' nicht einfach so weg. Am letzten Drehtag waren schon auch ein paar Tränen dabei!" Über einen Nachfolger hat der ORF bisher nichts bekannt gegeben, zwei Wiener "Tatort"-Folgen ohne Stipsits sind bereits abgedreht.
Beruht "Unten" auf einem wahren Fall?
Im "Tatort" werden von einem Medizinunternehmen Obdachlose entführt, getötet und ihre Organe reichen Patienten aus dem Ausland eingepflanzt. Von einem solchen Fall ist nichts bekannt. Aber es gibt es den illegalen Organhandel und sogenannten Transplantationstourismus, und er ist ein Milliardengeschäft: Über 10.000 Nieren werden nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation jährlich gehandelt.
Vor allem in Brasilien, China oder Indien wird mittellosen Menschen ein- bis zweitausend Dollar für eine Niere geboten, verzweifelte Kranke zahlen für die Transplantation dann mindestens 30.000 Dollar.
Die internationale Organisation für Menschenrechte beklagt, dass die Untersuchung des illegalen Organhandels sehr schwierig sei, weil "der medizinische Betrieb, auch der politische medizinische Betrieb" sich bedeckt halte: "Diejenigen, die wir als Täter bezeichnen müssten, tragen das nicht zu Markte, woher die Organe stammen", so ein Vertreter gegenüber dem 3sat-Wissensmagazin "scobel".
Vereinzelt tauchen auch Berichte auf, dass Menschen gezielt zum Zwecke der Organentnahme getötet wurden. So berichtete der amerikanische Nachrichtensender CNN 2011 von ägyptischen Menschenhändlern, die im Sinai afrikanische Flüchtlinge umbrachten und an Ärzte in Kairo verkauften. Im selben Jahr wurden in Brasilien drei Ärzte wegen Mordes verurteilt, weil sie Patienten fälschlicherweise für hirntot erklärt hatten, um ihre Organe verkaufen zu können.
Gab es nicht auch in Deutschland Berichte über die Organmafia?
Verstösse gegen das Verbot des Organhandels sind äusserst selten. 2019 erklärte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion, dass zwischen 2009 und 2017 insgesamt 26 Fälle registriert wurden. Dabei handelte es sich zumeist um versuchte Organvermittlungen etwa im Internet oder um Manipulationen von Patientendaten im Zusammenhang mit der Organvermittlung.
Andere Berichte entpuppten sich als Fake News: Im Juli 2019 kursierte im Internet eine Meldung, wonach mehrere Jugendliche in München tot und mit fehlenden Organen im Gebüsch gefunden worden seien. Die Polizei bitte dringend "nach 20 Uhr das Haus nicht mehr zu verlassen".
Während es sich dabei um einen geschmacklosen Scherz der Internetseite 24aktuelles.com handelte ("Alle Witze dieser Seite sind frei erfunden und fiktiv, es ist alles nur Spass!"), haben ähnliche Meldungen oft einen ausländerfeindlichen Hintergrund.
2014 verbreitete sich eine Nachricht auf Facebook und auf öffentlichen Flyern: "Achtung! Bulgarische und Rumänische Organmafia jetzt auch in Deutschland auf der Jagd nach Kindern und Jugendlichen. Entführungen bereits in Duisburg und Essen". Die Städte wurden dabei jeweils der Region angepasst. Eine offizielle, überregionale Meldung der Polizei dementierte, in Deutschland seien bislang keine Fälle von Organhandel bekannt.
Auch Xavier Naidoo, umstrittener Sänger mit einem Hang zu Verschwörungstheorien, deutete in seinem Skandalvideo im April Organraub durch "pädophile Netzwerke" an.
Wie ist die Situation der Obdachlosen in Deutschland?
Ein Thema von "Unten" ist die Behandlung von Wohnungslosen. Sie wird von Sozialverbänden seit Langem kritisiert. Einem Bericht der "Tagesschau" zufolge gehen die aktuellsten Schätzungen von bundesweit rund 678.000 Menschen aus. Die Coronakrise hat ihre Lage noch verschärft: Denn Angebote wie "Essens- und Kleiderausgaben mit vielen älteren Ehrenamtlichen in der altersbedingten Risikogruppe, aber auch medizinische Versorgung durch freiwillig tätige ältere Ärzte im Ruhestand waren oder sind reduziert.
Im Winter werden viele mit Mehrbettzimmer in Notunterkünften wegen der Abstandsregeln nicht voll belegt werden können."
Auch die Gewalt gegen Obdachlose hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Laut Bundesregierung gab es 2017 insgesamt 1389 angezeigte Straftaten gegen sie, mehr als doppelt so viel wie zu Beginn der vergleichbaren Erfassung 2011.
Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe wurden 2014 bis 2018 fast 100 Obdachlose getötet. Besonders häufig haben die Straftäter einen rechtsextremen Hintergrund.
Wie kommt es zur Obdachlosigkeit?
Meist steht sie am Ende einer Kette unglücklicher Umstände: Wegen Überschuldung, Arbeitsplatzverlust und/oder Krankheit können Betroffene die Miete nicht mehr zahlen – es kommt zur Zwangsräumung. Bezahlbarer Wohnraum steht daher an erster Stelle der geforderten Präventivmassnahmen.
Das in Deutschland noch kaum verbreitete Modell "Housing First", das in den neunziger Jahren in New York entwickelt wurde und unter anderem in Finnland erfolgreich eingesetzt wird, kümmert sich erst um eine Unterkunft und dann einen Job und medizinische Hilfe, um das Weggleiten aus der Gesellschaft zu verhindern.
Eine von der EU-Kommission finanzierte Studie 2013 zufolge hat es sich als kostengünstiger und erfolgreicher erweisen, Menschen in einer Notlage zuallererst eine Wohnung zu verschaffen, ohne diese an Bedingungen wie eine Arbeitsstelle oder Entzugstherapie zu knüpfen.
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