Im "Tatort: Hüter der Schwelle“ bekommen es die Kommissare in Stuttgart mit Magie und Hexenjagd zu tun. Dabei werden historische Bezüge hergestellt. Was ist dran an der Geschichte vom Rechtsadvokaten Justinus Pfaff?
Schadenszauber, Kreidekreise und mystische Rituale – der "Tatort: Hüter der Schwelle" aus Stuttgart taucht tief hinein in magische Welten. Da wundert es kaum, dass die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) früher oder später auf lang verstorbene Hexenjäger stossen.
In Möhringen sollen 1662 Inquisitoren ihr Unwesen getrieben und einen Jugendlichen "wegen Hexerei" angeklagt haben. Jeder sechste Einwohner habe am Ende unter Hexereiverdacht gestanden, raunt der Pfarrer Kommissar Lannert zu. Am Ende sei der Chefankläger Justinus Pfaff selbst im Kerker gelandet.
"Tatort" aus Stuttgart basiert auf Fakten
Diese Geschichte entspringt keineswegs der Fantasie von Drehbuchautor Michael Glasauer. Im Gegenteil, eine ganze Welle von Hexenprozessen erfasste die Region im Jahr 1662. Und wie auch im "Tatort" stand ein Mann im Mittelpunkt: der Rechtsadvokat Daniel Hauff.
Die Verfolgungsschwerpunkte lagen zunächst auf Vaihingen und Möhringen, später traf es auch die Stauferstadt Esslingen am Neckar. Wie es bei den Befragungen zuging, lässt sich auch heute noch dem Stadtarchiv Esslingen entnehmen. Ganze 15.000 Seiten Prozessakten sind dort aus dem Zeitraum 1543 bis 1772 erhalten.
Hans Elsässer als Ursprung der Hexenjagd
Ihren Ausgang nahm die Verfolgungswelle, von der im "Tatort" die Rede ist, im Jahr 1662. Der Webersohn Hans Elsässer hatte wohl herumerzählt, er habe die Hexerei von einem ehemaligen Knecht seines Vaters erlernt. Möglich ist, dass der junge Mann betrunken war, als er seine Geschichte erzählte. Zu jener Zeit wurde in Vaihingen Kirchweih gefeiert.
In Elsässers Befragung stellte sich heraus, dass der Knecht den Jungen wohl missbraucht hatte. In den Verhörprotokollen ist zudem die Rede von Hexensabbaten und hedonistischen Orgien
Mit Androhung von Folter und Kreuzverhören hatten die Ermittler von dem Jungen zu hören bekommen, was sie hören wollten. Darunter die Namen von zwei Frauen, die zu nennen sich der Junge wohl erst geweigert hatte, schliesslich aber doch preisgab.
Später nannte Elsässer noch weitere Namen, nachdem ihm vorgetäuscht worden war, er käme um die Todesstrafe herum, wenn er weitere Namen nennen würde. Elsässer lieferte drei weitere Namen, darunter zwei Frauen. 1663 wurde Elsässer doch hingerichtet – er starb unter dem Schwert, den Feuertod hatte man ihm angesichts seines jungen Alters ersparen wollen.
Rechtsadvokat Daniel Hauff nimmt sich des Falls an
Zwei Wochen nach Elsässers Verhaftung nahm sich der Jurist Daniel Hauff der Sache an. Er löste mit seinen Untersuchungen eine Prozesslawine aus, die ihm den Posten des Chefinquisitors einbrachte.
Die von Elsässer benannten Verdächtigen waren zwischenzeitlich verhaftet worden, Namen und Geständnisse wurden unter Folter erpresst, missliebige Bewohner oder angebliche Komplizen denunziert. Bis 1665 brachte es die Prozesswelle so auf 375 Verdächtige, davon je knapp 100 aus Möhringen und Vaihingen.
Ersteres hatte zum fraglichen Zeitpunkt knapp 600 Einwohner – jeder sechste stand also unter Verdacht. Zu den Anklagepunkten zählten meist Teufelspakt, Unzucht mit dem Teufel, Flug durch die Luft, Teilnahme an Hexensabbat und Schadenszauber. Am Ende waren 32 Menschen tot, viele von ihnen wurden bei lebendigem Leib verbrannt.
1665 endete die Verfolgungswelle mit dem Tod Hauffs. Am 25. Oktober starb der Rechtsgelehrte nach kurzer schwerer Krankheit – noch keine 40 Jahre war Hauff zu diesem Zeitpunkt alt.
Möglicherweise war Hauff der Esslinger Oberschicht mit seinen Hexenverfolgungen zu nahe gekommen und die hatte sich seiner mit einem Giftmord entledigt: Im Haus des Toten hatte man eine lange Liste mit weiteren Namen von Verdächtigen gefunden, weitere Ermittlungen fanden nicht mehr statt. (pcl)
Verwendete Quellen:
- Historicum.net: Hexenverfolgungen Esslingen (Reichsstadt)
- Akten des Stadtarchivs Esslingen a.N.
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