Im Weimarer "Tatort" "Der letzte Schrey" suchen die Kommissare Dorn und Lessing die Entführer eines Strickwarenunternehmers. Der hat zuvor eine ungewöhnliche Versicherung abgeschlossen: Sie würde die von den Tätern geforderte Million zahlen.
Gibt es die Kidnap und Ransom Policy wirklich?
Ja. Entführungs- und Lösegeldversicherungen, wie sie das Ehepaar Schrey im "Tatort" abgeschlossen hat, sollen vor allem international agierenden Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen dienen, damit diese sich gegen die Entführung von Mitarbeitern bei Auslandseinsätzen in gefährdeten Regionen absichern können.
In den USA und auch in Grossbritannien werden die kurz K&P genannten Kidnap und Ransom policies schon lange angeboten.
In Deutschland waren derartige Versicherungen bis 1998 verboten, weil das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) sie als sittenwidrig und unvereinbar mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts ansah: Sie erfordern nicht nur eine Abschätzung, wie viel ein Menschenleben wert ist, sondern signalisieren potentiellen Entführern, dass man ihr kriminelles Verhalten einkalkuliert und damit gewissermassen akzeptiert.
Ab 1998 mussten K&P unter dem Druck anderer EU-Staaten erlaubt werden, um ein einheitliches EU-Recht zu schaffen. Es gelten allerdings strenge Vorgaben.
So muss laut BAV berücksichtigt werden, "dass diese besonders sensibel zu handhabenden Verträge ein hohes Mass an Geheimhaltung verlangen und die Ermittlungsarbeit der Polizei nicht behindern. Ausserdem muss ein kollusives Zusammenwirken zwischen Tätern, Opfern oder Mitarbeitern des Versicherers vermieden werden."
Um das zu gewährleisten, gelten bestimmte Regeln, unter anderem darf für entsprechende Versicherungen nicht geworben werden, die Laufzeit darf ein Jahr nicht überschreiten, die Versicherungssumme muss "den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherungsnehmers angemessen [sein], damit das subjektive Risiko sich nicht erhöht", und dem Versicherungsnehmer muss "Geheimhaltung des Versicherungsschutzes auferlegt [werden]; höchstens drei Personen seines Vertrauens sollte er über das Bestehen der Versicherung informieren".
Hat das Strickwarenunternehmen Schrey ein reales Vorbild in Thüringen?
Ursprünglich sollte der Unternehmer Gerd Schrey ein Bauunternehmer sein, erzählte Drehbuchautor Murmel Clausen der ARD, "da in Weimar sehr viel gebaut und renoviert wird. Aber irgendwie fand ich das Metier nicht passend für die Geschichte."
Auf der Suche nach einer anderen Branche stiess er auf die ehemalige Textilhochburg Apolda im Weimarer Land: "Dort arbeiteten Ende des 19. Jahrhunderts fast alle Erwerbstätigen ,in der Wolle‘ oder ,für die Wolle‘".
Apoldas Aufstieg zur Textilhochburg begann laut der städtischen Informationsseite apolda.de mit der Einführung des Strumpfwirkstuhls (also einer Strickmaschine für die Strumpfherstellung) Anfang des 18. Jahrhunderts. Daraus entwickelte sich bald eine rege Textilindustrie: 1866 baute die Firma Christian Zimmermann das erste grosse Fabrikgebäude in der Stadt.
Nach dem ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise setzte der Niedergang ein, doch auch nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Apolda einen für DDR-Verhältnisse sehr hohen Anteil an Privatbetrieben. Sie wurden nach planwirtschaftlichen Umstrukturierungen in Volkseigene Betriebe umgewandelt. Doch nur den VEB strickchic gibt es in umgewandelter Form noch heute: In der strickchic GmbH wurden die Strickerei-Szenen des "Tatort" gedreht.
Gegründet wurde das Unternehmen 1896, die Firmenwebseite zitiert das damalige Meyers Konversationslexikon: "In Deutschland ist die Wirkwarenindustrie namentlich in und um Chemnitz konzentriert. Für wollene Waren ist Apolda der Hauptsitz."
Worauf spielt die blinde Reisegruppe an, die den Kommissaren hilft?
Im Garten des Ausflugslokals, wo die Kommissare Zeugen befragen, kann eine blinde Frau auffällig gut das Fahrzeug der Entführer beschreiben. Diese Szene ist ein freundlicher Gruss des Autors Murmel Clausen an seinen Kollegen Andreas Pflüger, mit dem er fast alle anderen Weimarer "Tatort"-Folgen geschrieben hat.
Pflüger will sich fortan stärker auf seine erfolgreichen Kriminalromane konzentrieren. Deren Hauptfigur ist Jenny Aaron, eine blinde Ermittlerin mit aussergewöhnlichen Fähigkeiten. Ursprünglich fragt Kommissar Lessing die Blinde noch, ob sie zufällig Jenny Aaron heisse, hat uns Murmel Clausen erzählt: "Worauf diese ,leider nicht‘ antwortete. Aber dieser deutlichere Gruss an den Mann, der das Format entscheidend mitgeprägt hat, ist leider dem Schnitt zum Opfer gefallen."
Der Zettel, der im allerletzten Bild der Folge zu sehen ist und auf dem "Mach’s gut" steht, habe hingegen keine tiefere Bedeutung, so die Produktionsfirma: "Mit ,Mach´s gut‘ will Regisseurin Mira Thiel den Film abbinden und die Zuschauer verabschieden."
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