Der neue "Tatort" aus Saarbrücken begeistert mit zwei jungen Ermittlern, die ganz alte Freunde sind. Von Vätern, die ohne Waffe morden: Der Tod in einer reichen Industriellenfamilie bringt viel Hass und eine dunkle Kriegsvergangenheit ans Licht.
Dies ist ein "Tatort" über Väter und Söhne. Und ein "Tatort" über den Tatort Familie. Und einer über Zwangsarbeit, im historischen und im übertragenen Sinn.
Das ist ganz schön viel für einen "Tatort", selbst wenn man sich dumme Witze über das doch so kleine Saarland spart. Und man könnte darüber meckern, dass der Fall etwas überfrachtet wirkt und viele Figuren ziemlich platt gezeichnet sind. Oder aber man freut sich einfach über das neue Team, das künftig aus Saarbrücken ermittelt.
Denn diese Folge ist ja nicht dazu da, den saarländischen "Tatort" in den Krimi-Olymp zu heben – dieser Fall ist vor allem das Vehikel, um die neuen Kommissare
Die neuen Ermittler aus Saarbrücken
Als wir Adam zum ersten Mal sehen, sitzt er im Bus auf dem Weg nach Saarbrücken. Weiter vorn sitzt ein Mann, der leise den Jungen neben ihm, wahrscheinlich sein Sohn, beschimpft. Ein gemeines, demütigendes Zischen ist das, und den Schmerz, den die Beleidigungen verursachen, spürt nicht nur der Junge.
Adam hört zu. Adam kümmert sich. Den Rest der Fahrt wird der Vater bewusstlos verbringen. Eine kurze, schnelle, coole Szene – und schon haben wir einen ziemlich guten Eindruck von Adam.
Dann ist Leo an der Reihe. Der benötigt etwas länger, ein paar Worte mehr. Leo hat Ärger im Kommissariat Saarbrücken, und das hängt damit zusammen, dass er sich eben etwas Zeit nimmt und Probleme lieber mit Worten löst. Weil er nicht sofort schiessen wollte, als sein Partner im Einsatz bedroht wurde, hat Leo nicht nur ein Disziplinarverfahren wegen unterlassener Amtshilfe am Hals, sondern gilt als die feige Kollegensau, mit der niemand zusammenarbeiten will.
Aber zum Glück ist der Neue ja schon unterwegs. Und zum Glück kennt der Neue Leo schon von früher. Adam weiss genau, wie sehr man sich auf Leo verlassen kann. Auch wenn man sich seit 15 Jahren nicht gesehen hat. Auch wenn Leo ihn für tot hielt.
Doch jetzt müssen die beiden erst einmal zu ihrem ersten Fall.
Die Story
Erik Hofer wurde ermordet, der jüngste Spross einer reichen Unternehmerfamilie. "Hofer und Söhne – Tuche und Textil" lautet die Gravur auf dem Firmenschild, und genau so sieht es im Zentrum der altehrwürdigen Dynastie auch aus. Eine Villa voller Kristall, Brokat und holzvertäfelter Wände. "Im Familienbesitz seit fünf Generationen!", erinnert Patriarch Bernhard Hofer (Dieter Schaad) am Kopfende der langen Tafel stolz, und ein Streichquartett spielt die Nationalhymne. Da schon möchte man dem Greis seinen seidenen Krawattenschal ins Maul stopfen.
Denn natürlich ist der Stammbaum von innen ganz verrottet. Auf der Feier verkündet Hofer die Übergabe der Firma an seinen Enkel Erik, woraufhin dessen älterer Bruder Konrad (Moritz Führmann) wütend in den Garten stürmt. Es kommt zum Streit. Und nun ist Erik tot. Wer etwas gegen ihn gehabt habe, wollen die Kommissare von seiner Witwe wissen. Die kontert mit einer Gegenfrage: "Gab es jemanden, der ihn mochte?" Erik sei ein Klon des Alten gewesen, "egoistisch, gewalttätig, gemein."
Also wühlen sich Leo und Adam durch die Firmen- und Familiengeschichte. Und die kontrastiert nun reizvoll mit der von Leo und Adam, von der wir in Rückblenden erfahren. Es scheint, als sei Adam schon immer der Kümmerer, und Leo der Bekümmerte gewesen. Ihre gemeinsame Vergangenheit hat aus den beiden beste Freunde gemacht, die eher wie Brüder wirken.
Freunde sind bekanntlich die Familie, die man sich selbst aussuchen darf. Und das ist, wie die Hofers wenig subtil demonstrieren, von Vorteil für Körper und Seele. Schon der Vater von Erik und Konrad kam vor ein paar Jahren unter seltsamen Umständen ums Leben.
Die Tatsache, dass er mit der Unternehmensgeschichte anders umgehen wollte als Tyrann Bernhard, scheint etwas damit zu tun zu haben. Denn wie so viele deutsche Familienunternehmen, die stolz auf ihre Traditionen sind, hat Hofer und Söhne während des Zweiten Weltkrieges ein Vermögen verdient und dabei gern auf Zwangsarbeiter zurückgegriffen.
Die Folge "Das fleissige Lieschen" (Drehbuch: Hendrik Hölzemann, Regie führte Christian Theede) könnte ebenso gut "Söhne und Väter" heissen – aber der Titel war ja für einen früheren Saarland-"Tatort" vergeben: So lautete der sechste Fall für Kommissar Stellbrink, dessen Darsteller Devid Striesow 2017 ankündigte, aus der Reihe aussteigen zu wollen. Zwar ging es damals auch um einen despotischen Vater – hier allerdings sind es nicht nur mehr Väter, auch die Gewalt nimmt ganz andere Dimensionen an.
Die möglichen Motive für den Mord an Erik stapeln sich angesichts der Brutalitäten, die in dieser Familie mit achselzuckendem Zynismus weggesteckt werden. Wie das eben so ist in geschlossenen Systemen, die sich nach aussen abschotten, und wo die eigene Funktionsweise als Normalität hingenommen werden muss, um nicht durchzudrehen.
Denn sonst müsste man sich ja damit auseinandersetzen, dass Tradition hier eher Starrsinn bedeutet, Stärke nichts als Gewaltverherrlichung ist, und Trägheit als Loyalität verkauft wird.
Da sind Adam und Leo nicht nur wegen ihrer Jugend genau die Richtigen, um Staub aufzuwirbeln. Besonders Adam hat seine Gründe, auf solche Zustände besonders empfindlich zu reagieren - und diese Gründe sind auch die Quelle für das enge Verhältnis zwischen ihm und Leo.
Die beiden teilen ein Geheimnis, das für die Zuschauer nicht lange geheim bleibt, aber genug Potential hat, um dieses Team schon allein deshalb zu einem spannenden Neuzugang zu machen.
Das Fazit
Wenn ihre Zusammenarbeit so vielversprechend weitergeht, wie ihr erster Fall ahnen lässt, dann geht es für den so oft gescholtenen saarländischen "Tatort" endlich aufwärts.
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