Honig, Spargel, Weisswurst mit Mordmotiv: Im Münchner "Tatort" glänzen nicht nur Wolfgang Fierek und Veronica Ferres.
Die Wurst arbeitet in der Metzgerei der Eltern. Der Spargel ist eine Transfrau, Honig ist Apothekerin. Und die Zwiebel ist eigentlich Polizeischülerin: Solche Personenbeschreibungen hört man nicht oft. Aber der neue "Tatort" aus München spielt in der Welt der Produktköniginnen: bei einem Gipfeltreffen jener jungen Frauen, die das herausragende landwirtschaftliche Produkt ihrer bayrischen Heimatregion vertreten.
Sie werden hier nach ihrer Ware gerufen: der Einfachheit halber, und wohl auch, weil die Person hinter dem Titel ja nicht wichtig ist – Hauptsache, sie ist hübsch anzusehen und bewirbt enthusiastisch ihr Produkt auf Dorffesten und Messen. Auf dem 17. Königinnentag, der dieses Jahr im idyllischen Gmeining stattfindet, sollen unter allen Kandidatinnen jene zwölf ausgewählt werden, die in den nächsten Königinnenkalender dürfen – der neben viel Dirndl auch viel Haut zeigt.
Wolfgang Fierek als wunderbar widerlicher Hornochse
Einer, der sich in seiner Funktion als Präsident des Bavaria-Bunds das ganze Jahr über an dem, wie er gerne sagt, "jungen Gemüse" erfreut, ist Rinderlandwirt Josef Gehrling – ein widerlicher Hornochse, wunderbar gespielt von
Als die Kommissare Ivo Batic (
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Eine beschwingte Auseinandersetzung mit #Metoo
"Königinnen" ist einer jener "Tatorte", die ihren Kriminalfall in einer Welt verorten, der dem Fernsehpublikum noch weniger vertraut sein dürfte als das Drogenmilieu oder Menschenhandel. Das sind einerseits oft besonders gute "Tatorte", weil sie viel Zeit damit verbringen können, einen faszinierenden Rahmen aufzubauen und auszuschmücken, innerhalb dessen ihre Geschichte spielt. Andererseits muss so ein "Tatort" auch besonders gut aufpassen, dass er vor lauter interessanten Details über sein Milieu den eigentlichen Kriminalfilm nicht vergisst.
Auf "Königinnen" trifft beides zu: Der Film ist eine ausnahmslos hervorragend besetzte und unter der Regie von Rudi Gaul beschwingt geführte Auseinandersetzung mit den Klischees von und Vorurteilen gegenüber Schönheitswettbewerben. Das unterhaltsame Drehbuch von Robert Löhr ist klar darauf bedacht, alle Aspekte der anachronistisch anmutenden Produktköniginnenwelt zu beleuchten.
Tatsächlich ist die Zeit als Markenvertreterin, in der sich viele Kontakte knüpfen lassen, mitunter der erste Schritt auf dem Weg in eine Politikerinnenkarriere – die ehemalige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zum Beispiel war während ihres Studiums Weinkönigin.
La BrassBanda liefern kongeniale Filmmusik
Auch in diesem "Tatort" sind Frauen wie Spargelkönigin Luise (Phenix Kühnert) stolz darauf, mit selbstbewusster Heimatliebe als fachkundiges Aushängeschild einen Wirtschaftsbeitrag zu leisten. Zwiebelkönigin Annelie II. (Daria Vivien Wolf) geniesst es sichtlich, als Polizeischülerin einerseits den Kommissaren bei den Ermittlungen zu helfen und andererseits mit Krönchen und Schärpe in die Fussstapfen ihrer verstorbenen Mutter zu treten.
Und Honigkönigin Tonis (Lilly Wiedemann) Auftreten mag äusserlich an den Märchenfilm "Drei Nüsse für Aschenbrödel" erinnern, aber nicht nur bricht ein kleiner Nasenring diesen Eindruck – Tonis feministischer Kämpfergeist auf dem Königinnentag wird von #MeToo und #Aufschrei befeuert, nicht von Kleinmädchen-Prinzessinnenträumen.
Gleichzeitig sind da Gehrlings Übergriffigkeit ebenso wie Sylvias Verteidigung des Einsatzes weiblicher Reize: Er könne ihr ruhig auf den Busen starren, ermutigt sie Leitmayr; wäre ihr das unangenehm, trüge sie kein so eng geschnürtes Dirndl. Weisswurstkönigin Sina (Bernadette Leopold) entschuldigt Gehrlings widerliches Gebaren derweil mit dem Argument, er habe sie schliesslich nicht angefasst. (Er hat sie "nur", wie die Zuschauerinnen gleich zu Beginn sehen durften, als lebendige Masturbationsvorlage benutzt.)
Aber das Bestreben, wirklich jede feministische Welle anreissen und auch den männlichen Blick aus den unterschiedlichsten Perspektiven zeigen zu wollen, sorgt dafür, dass der Film sich vor einer Haltung drücken kann, die Komplexität seines Themas verwässert und damit Potenzial verschenkt. Was bleibt, ist allerdings immer noch ein sehr unterhaltsamer moderner Heimatfilm, kongenial begleitet von der Band La BrassBanda: Der Offbeat der Blasmusiker vom Chiemsee passt perfekt in diese bayrische Idylle voll hässlicher dunkler Flecken.
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