Der Münster-"Tatort" ist und bleibt ein Phänomen: Kein anderes Team zieht regelmässig so viele Menschen vor die TV-Geräte und kein anderes Ermittler-Duo ist so beliebt bei den Zuschauern. Doch warum ist das so?
Irgendwie kann man den Hype rund um den Münsteraner "Tatort" nicht richtig greifen. Fakt ist jedoch: Die Leute lieben die skurrilen Auftritte und kruden Fälle von Boerne und Thiel.
Das lässt sich schon an den Quoten ablesen.
Ihr Fall "Fangschuss" aus dem Frühjahr 2014 ist mit 14,56 Millionen Zuschauern zum Beispiel der stärkste "Tatort" seit 1993.
Doch auch in Befragungen liegen Boerne und Thiel fast immer in der Zuschauer-Gunst auf Platz eins. In einer erst kürzlich erschienenen Umfrage der Zeitschrift "TV Movie" gaben 91 Prozent der Teilnehmer an, das Duo "gut" oder sogar "sehr gut" zu finden. So viel Zuspruch bekam kein anderer "Tatort"-Ermittler.
Ausserdem sind sie auch die bekanntesten Kommissare, immerhin für 95 Prozent der Befragten waren Boerne und Thiel ein Begriff. Doch warum ist das so? Ein Erklärungsversuch in fünf Akten:
1. Humor trifft Geschmack der Massen
Immer wieder versuchen "Tatort"-Macher aus verschieden Standorten einen gewissen Witz mit in ihre Filme zu einzuflechten. Oft bleibt es aber bei Rohrkrepierern, die nur albern und – wenn überhaupt - unfreiwillig komisch wirken.
Nicht so der Humor in Münster: Von Anfang an setzte man auf viel Klamauk, wenig Ernsthaftigkeit und die ewigen Frotzeleien zwischen den Hauptdarstellern.
Das mag nicht jedermanns Sache sein, jedoch weiss man seither, was man erwartet und offenbar scheint es eine breite Masse zu lieben.
Übrigens: Auch politisch unkorrekte Witze über die kleinwüchsige Assistentin Alberich werden kaum thematisiert. "Münster" scheint vor Shitstorms immun.
2. Nicht zu viel Boerne und Thiel
Die Verantwortlichen des WDR wissen um ihr kostbares Gut und verheizen die Münsteraner Ermittler nicht. Soll heissen: Mehr als zwei Filme pro Jahr wurden bisher noch nie ausgestrahlt, 2018 war es mit "Schlangengrube" sogar nur ein Fall.
2019 stellt mit geplanten drei Münster-Krimis eine bislang einsame Ausnahme dar. Man möchte offenbar keine Übersättigung beim Publikum riskieren.
Neben der Münsteraner Variante zeichnet der WDR auch noch für die Teams aus Köln und Dortmund verantwortlich. Man strapaziert die Erfolgsgeschichte nicht über: So steigt natürlich auch die Vorfreude bei der Ankündigung einer neuen Folge.
3. Die Provinz ist den Deutschen näher als die Metropole
Auch wenn Münster mit seinen mehr als 300.000 Einwohnern die 20.-grösste Stadt in Deutschland ist und eigentlich nicht viel mit einer echten Kleinstadt gemein hat, wird der dortige "Tatort" konsequent als provinziell dargestellt.
Ein völliges Gegenkonstrukt zu den Filmen aus den deutschen Metropolen Berlin, Hamburg, München oder auch Köln.
Da immer noch die meisten Deutschen in normal grossen Städten wohnen und nicht in den vier Millionenstädten Deutschlands, dürfte die Identifikation mit Münster naturgemäss deutlich höher liegen.
Die meisten Deutschen fühlen sich in dem - trotz zahlreicher Morde - heimelig dargestellten Münster fast schon wie zuhause.
4. Der Verzicht auf Lokalkolorit
In sehr vielen "Tatort"-Produktionen legen die Macher hohen Wert auf Lokalkolorit. Man soll merken, in welcher Region Deutschlands man ist.
Oft wird mit Dialekt gesprochen, oder lokale Speisen, Bräuche oder Veranstaltungen präsent in Szene gesetzt.
Meist lassen die Verantwortlichen hierbei jegliches Mass vermissen und neigen zur Übertreibung, wie man zum Beispiel am völlig überzeichneten Ex-Kommissars Max Palu aus dem Saarland oder auch an manchen Mundart-Folgen aus Ludwigsburg sehen kann.
In Münster ist davon aber wenig bis nichts zu erkennen. Natürlich werden regelmässig Sehenswürdigkeiten oder andere bekannte Orte der Stadt gezeigt, aber ohne aufdringlich zu wirken. Wohl dosiert schreckt das einfach niemanden ab.
5. Einfach starke Hauptdarsteller
Last but not least haben natürlich auch die beiden Hauptdarsteller Axel Prahl und Jan Josef Liefers einen riesigen Anteil an dem Erfolg des Münster-"Tatorts".
Die beiden sind schon für sich genommen absolute Koryphäen ihres Fachs, doch erst aus dem Zusammenspiel von Prahl und Liefers wird aus jeweils starken Schauspielern ein überragendes Duo.
An der Hassliebe der beiden Nachbarn und ungleichen Kollegen, sowie den daraus resultierenden Wortgefechten kann man sich auch nach knapp 17 Jahren und bislang 34 Folgen kaum satt sehen. (dr) © 1&1 Mail & Media/spot on news
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