Die Schenks und Bauers sind wahrscheinlich die ödeste Familie Freiburgs. Eine Patchworkfamilie, die in einen Mord und in Drogengeschäfte verwickelt ist. In der Affären und noch ganz andere Geheimnisse voreinander verschwiegen werden. Einen langen "Tatort" lang zu erleben, wie diese Familie allmählich auseinanderfällt, ist trotzdem kaum spannender, als Wolle beim Aufribbeln zuzusehen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Miriam Schenk (Susanne Bormann) ist Geigenbauerin und mag Strickjacken. Paul Wolf (Christian Schmidt) arbeitet als Klavierpädagoge, das Gröbste an ihm sind seine Strickpullover. Die beiden sind seit sieben Jahren ein Paar. Miriam hat aus erster Ehe ihren Sohn Benno (Aniol Kirberg) in die Beziehung mitgebracht, der macht gerade Abitur. Pauls Tochter Zoé (Caroline Cousin) ist inzwischen ausgezogen und lebt in einer Studentinnen-WG.

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Die Miriam und der Paul lassen sich von ihren Kindern beim Vornamen nennen und sind überhaupt mit dem Leben auf du und du. Ganz sicher, dass sie immer alles verstehen, vor allem ihre Kinder. Dabei sind die längst keine Kinder mehr.

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Denn jetzt klingeln Kommissarin Franziska Tobler (Eva Löbau) und Kommissar Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) an der Wohnungstür und erzählen, dass Bennos bester Freund Christian tot aus dem Rhein geborgen wurde. Aber Benno ist nicht zu erreichen. Der macht offenbar gar nicht Abitur, der schwänzt die Schule. Und Zoé meldet sich auch nicht. Was die Miriam und der Paul erst einmal gar nicht so beunruhigend finden, auch nicht, als die Ermittlungen nahelegen, dass Christian in Drogengeschäfte verwickelt war und Benno und Zoé zu Verdächtigen werden.

Wie gesagt, betonen Miriam und Paul, sie kennen ihre Kinder, die nehmen keine Drogen, "der Benno trinkt ja noch nicht einmal Alkohol." Dass der Benno und die Zoé mit Kryptowährung spekulieren, davon wussten ihre Eltern allerdings auch nichts. Ganz zu schweigen von so manch anderem Zeitvertreib der zwei.

Aber die Eltern haben auch genug mit sich selbst zu tun. Miriams Ex erscheint wieder auf der Bildfläche, Oliver (Kai Ivo Baulitz), und der hat Geld. Paul dagegen verdient kaum noch was, weil seit der Pandemie nur noch so wenig Konzerte stattfinden. Stiefsohn Benno wendet sich Hilfe suchend lieber an seinen leiblichen Vater als an ihn, und Miriam heisst ihren Ex mit Rotwein willkommen. Paul ist beleidigt – ausgerechnet er, der sich mit einer anderen Frau in Hotelzimmern trifft, statt Klavierunterricht zu geben.

Manchmal wachsen Familien durch eine Krise ja zusammen – aber wenn eine Familie offenbar schon in guten Zeiten nur deshalb zusammenhielt, weil sie so gar nichts voneinander wusste, sondern jeder vor sich hinwurstelte, dann ist die Krise natürlich der Katalysator, der zum Zerfall führt.

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Allerdings werden die Wolfs und die Schenks dadurch nicht interessanter. Aus besorgten Müttern, frustrierten Vätern, unglücklichen Teenagern und klimabewegten Studenten einen aufregenden Kriminalfall zu basteln ist keine leichte Aufgabe, und Drehbuchautorin Astrid Ströher scheitert daran. Auch Regisseur Kai Wessel fällt nicht viel mehr ein, als die Kluft zwischen den Generationen durch Splitscreens zu symbolisieren.

Familien sind kompliziert, Jugendliche sind unverständlich und führen ein eigenes Leben, das Erwachsene nicht begreifen – damit diese bahnbrechende Botschaft auch die schläfrigsten Zuschauenden erreicht, müssen wir uns zusätzlich noch mit dem Besuch von Franziska Toblers nerviger Nichte Vanessa (Lola Höller) herumschlagen. Die will Influencerin werden und nimmt dafür dermassen gefährliche Videos auf, dass nicht einmal die Kommissarin dafür Verständnis hat, obwohl sie doch Vanessas "coole Tante Franz" ist, wie sie uncoolerweise ständig betont.

Nein, cool ist hier niemand, nicht einmal die begabte Caroline Cousin, die Zoé spielt und letzte Woche noch mit einer Hauptrolle im "Tatort: Borowski und die grosse Wut" überzeugte. Es mag um Drogen gehen, um Mord und "das geheime Leben unserer Kinder" – aber diesen Geheimnissen, diesen Kindern, diesem "Tatort" fehlt einfach die Leidenschaft. Man könnte auch sagen: die grosse Wut.

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